Bremen hat im September den Anfang gemacht, dann kamen unter anderem Nordrhein und Hessen hinzu und jetzt Niedersachsen: Die Delegierten-Versammlungen der jeweiligen Ärztekammern haben die Zusatzweiterbildung „Homöopathie“ jeweils aus ihrer Weiterbildungsordnung (WBO) gestrichen und sie ohne die umstrittenen Anwendungen beschlossen.
Der jüngste Beschluss erging am 30. November 2019 in Hannover. Während der Marburger Bund die Entscheidung begrüßte, reagierte der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) erwartungsgemäß enttäuscht.
Eigentlich habe die 60-köpfige Versammlung am vergangenen Samstag in Hannover keine weiteren Anträge zur Weiterbildungsordnung diskutieren und damit die Weiterbildungsordnung inklusive der Weiterbildung Homöopathie beschließen wollen. So sei die Absprache gewesen, heißt es aus Kreisen der Kammerversammlung Niedersachsen.
Tatsächlich hat der Weiterbildungsausschuss empfohlen, die Zusatzbezeichnung Homöopathie beizubehalten, und so sah es auch der Vorstandsentwurf in der Kammer in Niedersachsen vor. Auch die Musterweiterbildungsordnung, die beim Ärztetag in Erfurt 2018 beschlossen worden ist, umfasst die Zusatzbezeichnung „Homöopathie“.
Mit großer Mehrheit abgelehnt
Trotzdem stellte der Delegierte der Ärztekammer (ÄK) Hans Martin Wollenberg auf der Versammlung in Hannover den Antrag auf das Ende der Zusatzweiterbildung. „Eine Ärztekammer kann keine Zusatzweiterbildung Homöopathie zulassen, Prüfungen abnehmen und erforderliche Weiterbildungsinhalte definieren, wenn die Wirksamkeit nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist“, stellte Wollenberg, der auch Vorsitzender des Marburger Bundes (MB), Landesverband Niedersachsen, ist, unterdessen namens des MB klar.
Die Delegierten der Kammerversammlung stimmten dem Antrag dann nach längerer Diskussion mit großer Mehrheit zu. Am Schluss wurde die Streichung mit 70% der Stimmen angenommen. Die neue Regelung gilt ab Juli 2020.
Wer die Weiterbildung bereits begonnen hat, kann sie zu Ende führen und erhält dann auch noch die Zusatzbezeichnung, sagte Thomas Spieker, Sprecher der ÄK Niedersachen. Zudem bestehe Bestandsschutz.
Weitere Länder gegen Zusatzbezeichnung Homöopathie
Auch in Bremen hat sich die Delegiertenversammlung der Ärztekammer bereits im September einstimmig gegen die homöopathische Zusatzweiterbildung ausgesprochen.
Ebenso in Nordrhein: Dort stimmte die Delegiertenversammlung im November, abgesehen von 4 Enthaltungen, geschlossen für die Streichung, unter anderem deshalb, weil die Nachfrage unter den Ärzten sehr gering sei. „Die Kammerversammlung verzichtet bei der Verabschiedung der neuen Weiterbildungsordnung auf die Zusatzbezeichnung Homöopathie, die in den vergangenen 5 Jahren lediglich von 17 Ärztinnen und Ärzten in Nordrhein erworben wurde“, so die Ärztekammer Nordrhein auf Anfrage.
Auch in Hessen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt sprachen sich die Delegiertenversammlungen mehrheitlich gegen die umstrittene Zusatzbezeichnung aus.
Homöopathie nur noch durch paramedizinische Anwender?
Mit den Beschlüssen werde eine integrative Tradition der Ärzteschaft aus der ärztlichen Kunst ausgegrenzt, kritisiert indessen die 1. Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte e.V., Michaela Geiger. Das „Argument“, das gegen die Homöopathie ins Feld geführt werde – ihre Behandlungsmethoden seien in zu vielen Fällen nicht evidenzbasiert – könne ebenso gut gegen fast 80% aller Behandlungsmethoden der konventionellen Medizin vorgebracht werden.
„Denn tatsächlich resultieren weniger als 20% aller Therapien der sogenannten ‚Schulmedizin‘ aus evidenzbasierten Studien“, argumentiert der DZVhÄ. Die „Erfolge von tausenden homöopathisch arbeitenden Ärztinnen und Ärzten“ seien indessen durch „bedauerliche verbandspolitische Beschlüsse nicht wegzuleugnen“, so Geiger weiter.
Auch Dr. Steffen Grüner, Hausarzt und Mitglied der Niedersächsischen Kammerversammlung, bedauerte die Entscheidung seiner Kammer-Kollegen. „Ich bin zwar nicht von der Wissenschaftlichkeit der Homöopathie überzeugt, aber eine Placebo-Wirkung von 30 Prozent ist auch nicht schlechter als die Wirkung manch anderer Medikamente.“
Neben der medizinischen Argumentation stellt Grüner aber auch eine politische: „Es ist schade, dass wir die Homöopathie nun mehr den Heilpraktikern und paramedizinischen Anwendern überlassen.“
Allerdings ist die Entscheidung, etwa in Niedersachsen, nicht in Stein gemeißelt. Denn das Ende der Zusatzweiterbildung Homöopathie gilt erst ab Juli 2020. Das heißt, die Gegner der Regelung in Niedersachsen könnten das Paket in ihrer nächsten Kammerversammlung im März 2020 noch einmal aufschnüren.
Laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes arbeiteten in Deutschland 2018 genau 6.875 Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Homöopathie“.
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Diesen Artikel so zitieren: Einige Kammern läuten das Ende der Zusatzbezeichnung „Homöopathie“ ein - Medscape - 10. Dez 2019.
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