Ein neuer Dengue-Impfstoff hat im ersten Teil einer Phase-3-Studie Kinder und Jugendliche effektiv vor allen 4 Virustypen geschützt [1]. Ein großer Vorteil außerdem: Anders als sein Vorgänger begünstigt er nach der Impfung nicht das paradox erscheinende Phänomen, dass seronegative Menschen bei einer Infektion schwer erkranken können.
„Der erste Eindruck zur tetravalenten Vakzine TAK-003 ist vielversprechend“, meint Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe an der Universität Hamburg, im Gespräch mit Medscape. „Ein verlässliches Fazit kann man selbstverständlich erst in einigen Jahren ziehen, wenn weitere Studien beendet sind.“
Eine Infektion kann die nächste verschlimmern
Erreger des Dengue-Fiebers sind 4 Virus-Serotypen, die oft gleichzeitig kursieren, erläutern die Autoren um Dr. Shibadas Biswal vom Unternehmen Takeda Vaccines in Singapur. Wer sich infiziert, ist danach nur gegen die jeweilige Variante immun, so dass man viermal erkranken kann.
Aber nicht nur das: Die Ansteckung mit einem anderen Typ bedeutet ein erhöhtes Risiko ausgeprägter Symptome bis hin zu Schock, starkem Blutdruckabfall und Blutungen. Diese Gefahr geht zurück auf das Antibody-dependent enhancement: Die bereits vorhandenen Antikörper besetzen den neuen Eindringling und hindern so die Immunabwehr daran, ihn unschädlich zu machen.
Die Folge: Er kann sich umso besser vermehren. Da der Umlauf der Serotypen ständig schwankt, entsteht ein komplexes Geflecht aus Erkrankungsmustern: Eine Immunität gegen den aktuell zirkulierenden Typ schlägt eine Bresche für den nächsten.
Fraglich war, ob die Impfung bei Seronegativität eventuell schadet
„Eine solche Antikörper-abhängige Verstärkung kann auch durch eine Impfung provoziert werden: dann nämlich, wenn sich anschließend ursprünglich seronegative Personen infizieren“, erläutert Schmidt-Chanasit.
Die TIDES-Studie zu TAK-003 dreht sich also nicht nur um die entscheidende Frage: Wie wirksam beugt es Dengue-Fieber vor? Sondern auch: Erhöht es das Risiko schwerer Verläufe? „So war naheliegend, dass die Publikation mit Spannung erwartet wurde, zumal sie erst verhältnismäßig spät erschienen ist“, so der Experte, der außerdem am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin tätig ist.
Nun stellen Biswal und seine Kollegen die ersten Phase-3-Daten vor: Demnach beträgt die Wirksamkeit 81% bei den rund 20.000 Teilnehmern zwischen 4 und 16 Jahren, die mindestens eine von 2 vorgesehenen Injektionen erhalten hatten: In der Vakzin-Gruppe erkrankten 78 von knapp 13.400 an Dengue, mit Placebo waren es 199 auf knapp 6.700 – 0,5 versus 2,5 pro 100 Personenjahre.
Besonders effektiv wurden Klinikaufenthalte verhindert
Rund 19.000 der Kinder und Jugendlichen bekamen beide Impfungen. Bei ihnen erreichte die Wirksamkeit 80% für die Infektion allgemein und 95% speziell für schwere Formen, die einen Klinikaufenthalt erforderlich machten.
Konkret: Mit Vakzin mussten 5 Teilnehmer ins Krankenhaus, mit Placebo 53. Fast kein Unterschied bestand dagegen bei den gravierenden unerwünschten Wirkungen: 3,1% zu 3,8%.
Zwar ist eine differenzierte Auswertung erst für den 2. Teil der Studie geplant, doch die Zahlen erlauben nach Ansicht der Forscher bereits eine Abschätzung: Mit 98% am höchsten war die Effektivität gegenüber Serotyp 2. „Das liegt offensichtlich daran, dass dieser Typ in lebender attenuierter Form das ,Rückgrat‘ von TAK-003 bildet, während die übrigen nur durch einzelne Gene vertreten sind“, erläutert Schmidt-Chanasit.
Entsprechend geringer – 63% bis 74% – fiel das Ergebnis bei diesen Nebenstämmen aus. Doch scheinen sie wiederum seltener eine Hospitalisierung zu begünstigen, während die Hauptlast – 43 von 58 – aufs Konto der zentralen Nummer 2 ging.
Die Kinder leben in Endemiegebieten Südamerikas und Asiens
Die Teilnehmer der großangelegten TIDES-Studie stammen aus 26 Regionen Lateinamerikas und Asiens, wo Dengue endemisch vorkommt, und zwar aus den Ländern Brasilien, Kolumbien, Dominikanische Republik, Nicaragua, Panama, Philippinen, Sri Lanka und Thailand. Zu Beginn und nach 3 Monaten sollten sie entweder eine lyophilisierte Vakzinformulierung oder Kochsalzlösung subkutan in den Oberarm erhalten, und zwar randomisiert im Verhältnis 2:1.
Der jetzt publizierte 1. Teil erstreckte sich bis 12 Monate nach der 2. Immunisierung. Die Probanden selbst oder ihre Eltern wurden nach dem Prinzip der aktiven Beobachtung einmal wöchentlich daran erinnert, sich bei Fieber vorzustellen. Bei Erkrankten erfolgten Bluttests mit Reverse-Transkriptase-Polymerasekettenreaktion.
Der Sponsor, Takeda Vaccines, ist verantwortlich für Studiendesign, Ortswahl und Datenanalyse. Entwickelt wurde der Impfstoff jedoch von Wissenschaftlern der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA.
Der Schutz setzt bereits mit der ersten Impfung ein
„Insgesamt besteht offenbar ein Nutzen unabhängig von einer vorangehenden Infektion oder dem Alter. Ermutigend ist besonders, wie erfolgreich die Vakzine Ausprägungen verhindert, die so schwerwiegend sind, dass sie eine Klinikaufnahme erzwingen“, lautet die Bilanz der Autoren.
Ein weiterer Pluspunkt: Der Effekt scheint mit der ersten Injektion zu beginnen, die Zahl der Erkrankungen sinkt sofort. „Sollte sich der schnelle Schutz bewahrheiten, würde sich der Impfstoff sogar zur Kontrolle eines Ausbruchs oder für die Reisemedizin eignen“, spekulieren die Wissenschaftler.
„TAK-003 ist ein Hoffnungsträger“, bestätigt Schmidt-Chanasit, „zumal sich die Suche nach einem Impfstoff bereits über Jahrzehnte hinzieht.“ Schon einmal schien der Durchbruch gelungen: mit dem tetravalenten, auf dem Gengerüst des Gelbfiebervirus basierenden Impfstoff Dengvaxia®.
Er wurde in mehreren Ländern zugelassen, nachdem sich in Endemiegebieten eine Wirksamkeit von rund 60% erwiesen hatte. 2016 starteten die Philippinen das weltweit erste öffentliche Impfprogramm bei über 800.000 Kindern. Doch im Dezember 2017 gab der französische Hersteller Sanofi-Pasteur eine Warnung heraus, dass zuvor nicht mit Dengue infizierte Personen schwerwiegend erkranken könnten. Sogar Todesfälle wurden damit in Verbindung gebracht. Daraufhin brach das Gesundheitsministerium die Kampagne ab.
Die bisherige Vakzine erwies sich als Enttäuschung
Die darauffolgende Empfehlung, dass nur bereits Infizierte den Impfstoff erhalten sollten, löst das Problem nicht wirklich. „Das bedeutet ja, dass zuvor immer ein Test gemacht werden muss. Hinzu kommt eine weitere Schwäche: das Impfschema, das 3 Injektionen im Verlauf eines Jahres vorsieht“, sagt Schmidt-Chanasit.
Sein Resümee: All das mache das Verfahren teuer und aufwendig. Für Hyperendemie-Regionen, wo 70 bis 90% der Bevölkerung schon einmal mit dem Virus Kontakt hatten, sei Dengvaxia® eine Option, kaum aber in Ländern mit niedrigeren Raten. „Durch diese gewaltigen Nachteile hat sich eine Lücke geöffnet, in die andere Hersteller gestoßen sind“, so der Tropenmediziner.
Dengue – ein Spitzenreiter der globalen Gesundheitsgefahren
Ein Impfstoff gegen Dengue ist dringend nötig, denn nach einem WHO-Ranking für das Jahr 2019 zählt es zu den Top Ten der globalen Gesundheitsgefahren, wie Biswal und seine Mitarbeiter berichten.
Das von der Asiatischen Tigermücke und der Gelbfiebermücke übertragene Virus habe sich in den vergangenen 50 Jahren drastisch ausgebreitet, mit einem Anstieg der Inzidenz um das 30-Fache. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt – verteilt über mehr als 100 Länder – in Endemiegebieten, so dass jährlich rund 390 Millionen Menschen infiziert werden.
Die Manifestationen reichen von symptomlosen bis hin zu schweren Erkrankungen mit einer Mortalitätsrate von 20%, wenn keine Behandlung erfolgt.
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Globale Gesundheitsgefahr Dengue-Fieber: Kann sie bald durch eine Impfung zurückgedrängt werden? - Medscape - 9. Dez 2019.
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