Eine Supplementierung mit Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren schützt Patienten mit Typ-2-Diabetes nicht vor chronischen Nierenerkrankungen. Das ist das Ergebnis einer randomisierten, kontrollierten und doppelblinden US-Studie mit mehr als 1.300 Probanden.
Ein Team um Prof. Dr. Ian de Boer von der Abteilung für Nephrologie am Department of Medicine der University of Washington in Seattle veröffentlichte die Studienergebnisse im Journal of the American Medical Association [1].
Auch die hiesigen Leitlinien empfehlen die Supplementierung nicht
„Das Resultat dieser Studie verwundert mich nicht“, kommentiert Dr. Nikolaus Scheper, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Niedergelassener Diabetologen (BVND), im Gespräch mit Medscape. Hierzulande herrsche Konsens darüber, dass es zu wenig sauberes Datenmaterial gebe, um daraus eine Empfehlung für die Gabe von Vitamin D oder Omega-3-Fettsäuren bei Patienten mit Typ-2-Diabetes abzuleiten. Das spiegele sich auch in den Behandlungsleitlinien der Fachgesellschaften wider.
„Auch die vorliegende Studie trägt meines Erachtens nur wenig dazu bei, die Evidenz für die Frage nach einer Supplementierung zu erhöhen – weder in die eine noch in die andere Richtung“, sagt Scheper, der seine Praxis in der nordrhein-westfälischen Stadt Marl hat.
Sofern der Patient die Einnahme solcher Ergänzungspräparate wünsche, spreche zwar vermutlich wenig dagegen, diesem Wunsch nachzukommen. Einen wirksamen Schutz vor einer diabetischen Nephropathie und den damit ebenfalls verbundenen erhöhten kardiovaskulären Risiken solle man sich davon aber keinesfalls versprechen, betont der Diabetologe.
Die Probanden wurden nach dem Zufallsprinzip in 4 Gruppen eingeteilt
Zu diesem Fazit sind auch die US-amerikanischen Wissenschaftler gekommen. Für ihre aktuelle Publikation hatten sie Daten der großen VITAL-Studie (Vitamin D and Omega-3 Trial) mit fast 26.000 Teilnehmern ausgewertet. In die Analyse des Teams um de Boer flossen die Daten von 1.312 Probanden mit Typ-2-Diabetes aus allen 50 US-Bundesstaaten ein, die zwischen November 2011 und März 2014 rekrutiert worden waren. Die Beobachtungszeit der im Mittel 67,6 Jahre alten Patienten betrug 5 Jahre.
Nach dem Zufallsprinzip wurden die Probanden in 4 Gruppen eingeteilt:
Die 1. Gruppe mit 370 Teilnehmern erhielt Vitamin D3 (Cholecalciferol, 2000 IU/d) und Omega-3-Fettsäuren (Eicosa-Pentaensäure; EPA und Docosa-Hexaensäure; je 1 g/d).
Die 2. Gruppe mit 333 Patienten nahm Vitamin D3 und ein Placebo ein,
die 3. Gruppe mit 289 Patienten ein Placebo und die beiden Omega-3-Fettsäuren.
Die 4. Gruppe mit 320 Teilnehmern bekam ausschließlich Placebo-Präparate.
Primärer Endpunkt der Studie waren Änderungen der geschätzten Glomerulären Filtrationsrate (estimated Glomerular Filtration Rate, kurz eGFR) zwischen Studienbeginn und dem Ende der 5-jährigen Beobachtungszeit. Berechnet wurde die eGFR anhand der Serumspiegel von Kreatinin und Cystatin C. Zu Beginn der Studie lag der Wert bei den Patienten im Mittel bei 85,8 ml/min/1,73 m2.
Die Compliance war gut, doch die gewünschten Effekte blieben aus
Wie die Forscher berichten, nahmen 934 der Probanden (71%) bis zum Schluss an der Studie teil. Die Therapietreue war allem Anschein nach groß: Bei sämtlichen Patienten, die eines der echten Präparate oder auch beide erhalten hatten, waren die entsprechenden Serumspiegel bereits nach 2 Jahren deutlich angestiegen.
Die gewünschten Effekte der Supplementierung blieben jedoch weitgehend aus. So sank bei den Teilnehmern, die Vitamin D3 erhalten hatten, die eGFR im Laufe der 5 Jahre im Mittel um 12,3 ml/min/1,73 m2. Mit dem entsprechenden Placebo sank sie um 13,1 ml/min/1,73 m2.
Wenig anders sah es bei einer Supplementierung der beiden Omega-3-Fettsäuren aus. Mit ihnen sank die eGFR um 12,2, ohne sie um 13,1 ml/min/1,73 m2.
Zwischen den beiden Interventionen gab es dem Team um de Boer zufolge keine signifikanten Wechselwirkungen. Auf die Entstehung einer Albuminurie – ein sekundärer Endpunkt der Studie – hatten Vitamin D3 und Omega-3-Fettsären ähnlich wie auf die Entwicklung der eGFR keinen nennenswerten Einfluss. Ebenso wenig wie auf weitere Endpunkte, unter anderem die Zeit bis zu einer Reduktion der eGFR um 40%, Nierenerkrankungen im Endstadium (End Stage Kidney Disease, kurz ESKD) und Tod.
Nierensteine entwickelten 58 Teilnehmer, darunter 32, die Vitamin D einnahmen, und 26, die ein Placebo erhielten. Gastrointestinale Blutungen traten bei 45 Probanden auf, von denen 28 Omega-3-Fettsäuren und 17 ein Placebo nahmen.
Beobachtungsstudien hatten entsprechende Hoffnungen geweckt
Die Supplementierung von Vitamin D oder Omega-3-Fettsäuren sei den Ergebnissen ihrer Studie zufolge somit nicht geeignet, um die Nierenfunktionen von Patienten mit Typ-2-Diabetes aufrechtzuerhalten, lautet das Fazit von de Boer und seinen Kollegen.
In einem ebenfalls im JAMA veröffentlichten Kommentar wird diese Schlussfolgerung auch von den beiden US-amerikanischen Nephrologen Dr. Anika Lucas und Dr. Myles Wolf von der Duke University School of Medicine in Durham, North Carolina unterstützt [2].
Inzwischen sei es einer Vielzahl randomisierter, kontrollierter Studien nicht gelungen, einen signifikanten Nutzen der Vitamin-D-Supplementierung zu belegen, den man sich aufgrund der Ergebnisse großer Beobachtungsstudien erhofft habe, schreiben die Internisten.
Die aktuelle gut designte und ausgeführte Studie reihe sich da nahtlos ein. Sie zeige klar, dass weder Vitamin D noch Omega-3-Fettsäuren bei der Prävention chronischer Nierenerkrankungen eine Rolle spielen. Auch gelinge es den Präparaten nicht, die Abnahme der eGFR zu verlangsamen.
Effektiver ist die optimale Einstellung des Blutzuckers und Blutdrucks
Ein Manko der Studie von de Boer und seinen Kollegen sehen Lucas und Wolf allerdings in der Tatsache, dass fast alle Probanden schon zu Beginn der Studie einen Vitamin-D-Spiegel im Normbereich aufwiesen. Es bleibe somit ungeklärt, ob die Supplementierung bei Diabetes-Patienten mit einem Vitamin-D-Mangel womöglich doch einen positiven Effekt auf die Nierenfunktion habe.
Jedoch, so räumen die Nephrologen ein, sei es angesichts der bekannten und auch belegten positiven Effekte von Vitamin D auf die Knochendichte ethisch fragwürdig, Patienten mit nachgewiesenem Vitamin-D-Mangel ein Placebo anstatt des echten Präparats zu verabreichen. Somit sei es schwierig, eine entsprechende Studie durchzuführen.
Der deutsche Diabetologe Scheper hält derartige Studien ohnehin für wenig sinnvoll. „Nach allem, was wir bisher wissen, lassen sich Nierenprobleme bei Patienten mit Typ-2-Diabetes durch Nahrungsergänzungspräparate nicht verhindern“, sagt er. Zu diesem Zweck stünden deutlich effektivere Maßnahmen zur Verfügung: „eine optimale Einstellung des Blutzuckers und des Blutdrucks mithilfe entsprechender Medikamente.“
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Sinnlose Supplemente: Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren schützen Diabetespatienten nicht vor Nierenleiden - Medscape - 29. Nov 2019.
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