Die Anwendung von systemischen Azol-Antimykotika wie Fluconazol oder Itraconazol in der Schwangerschaft steht in Verdacht, das Risiko kongenitaler Fehlbildungen zu erhöhen. Doch sind die Sorgen berechtigt? Eine jüngst im International Journal of Gynecology & Obstetrics erschienene Metaanalyse versucht sich an einer Antwort – mit mäßigem Erfolg [1].

Prof. Dr. Ralf Stahlmann
„Die aktuelle Publikation erinnert an ein seit längerem bekanntes Risiko,“ sagt Prof. Dr. Ralf Stahlmann, ehemaliger Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie und Toxikologie an der Berliner Charité, im Gespräch mit Medscape. Das sei durchaus positiv zu bewerten. Aber der Erkenntnisgewinn der Analyse sei leider begrenzt. „Die Aussagen der Wissenschaftler bleiben schwammig“, so der Experte.
Eine Metaanalyse bringt nicht immer mehr Klarheit
So schreiben die Autoren um Dan Liu von der Sichuan University in Chengdu, China, einerseits: „Die aktuellen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Anwendung von oralen Antimykotika in der frühen Schwangerschaft nicht mit einem erhöhten Risiko für Geburtsfehler, Fehlgeburten oder Totgeburten verbunden ist.“
Andererseits empfehlen sie auch aufgrund ihrer Resultate, das Risiko von angeborenen Herz- und Gliedmaßen-Fehlbildungen nach der Einnahme von Fluconazol sowie das Risiko von Augen-Fehlbildungen nach der Einnahme von Itraconazol sorgfältig zu untersuchen.
Stahlmann sagt, dass die Metaanalyse damit keine neuen Erkenntnisse bringe. Das teratogene Potential der Azol-Antimykotika sei in tierexperimentellen Studien eindeutig nachgewiesen worden, epidemiologische Studien hätten zudem auf eine geringfügig erhöhte und dosis-abhängige Fehlbildungsrate nach der Einnahme der Mittel in der (frühen) Schwangerschaft hingewiesen.
Eine Metaanalyse bringe in solchen Situationen nicht immer mehr Klarheit, meint Stahlmann. „Wenn sich die epidemiologischen Studien in ihrem Design zu sehr unterscheiden, leidet die Qualität der Analyse“, sagt er.
Fehlbildungen in der Kontrolle unvollständig erfasst
So umfasste die Metaanalyse von Liu und Kollegen insgesamt 8 Kohortenstudien, davon 5 retrospektive und 3 prospektive Studien, sowie eine Fall-Kontroll-Studie. Die während der Schwangerschaft eingenommenen Mittel waren entweder Fluconazol und Itraconazol.
Zusammenfassend konnten die Autoren kein erhöhtes generelles Risiko für angeborene Fehlbildungen, Fehl- oder Totgeburten nach der Einnahme der Antimykotika nachweisen. Allerdings hatten Kinder von Frauen, die solche Pharmaka während der Schwangerschaft eingenommen hatten, laut Analyse der Beobachtungsstudien offenbar ein geringfügig erhöhtes Risiko für Herz- bzw. Gliedmaßen-Fehlbildungen (Fluconazol: 1,52% versus 0,77% bzw. 0,62% versus 0,56%) sowie von Augenfehlern (Itraconazol: 0,19% versus 0,04%).
Die Aussagekraft ihrer Ergebnisse wird durch den Umstand gemindert, dass Fehlbildungsraten in den unbehandelten Kontrollgruppen nur lückenhaft zur Verfügung standen. Stattdessen dienten den Autoren Daten aus dem EUROCAT-Register, dem europäischen Register zur epidemiologischen Erfassung von Fehlbildungen, als Vergleich: ein klares Manko, welches die Autoren auch in ihrem Artikel ansprechen.
Außerdem zeigte sich in der separat analysierten Fall-Kontroll-Studie mit über 43.000 Müttern ein erhöhtes Risiko für Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (Odds Ratio 5,53) sowie für spezielle Herz-Fehlbildungen (Transposition der großen Gefäße; Odds Ratio 7,56) – im Rahmen dieser Studie hatten jedoch lediglich 50 Schwangere Fluconazol eingenommen.
Sind einmalig 150 mg Fluconazol für Schwangere vertretbar?
Wünschenswert wäre letztlich auch eine Aussage dazu gewesen, ab welcher Dosis die Einnahme der Antimykotika gefährlich werden könnte. So geht etwa die US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA derzeit davon aus, dass die einmalige orale Gabe von 150 mg Fluconazol noch unschädlich ist.
Und auch bei Embryotox, dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin, heißt es: „Fast 9.000 dokumentierte Schwangerschaftsverläufe zu Fluconazol, überwiegend nach einmaliger Einnahme von 150 mg, haben keine eindeutigen Hinweise auf eine erhöhte Gesamt-Fehlbildungsrate erbracht.“
Zu einer längeren und hoch dosierten Fluconazol-Therapie lägen dagegen nur wenige Erfahrungen vor. Embryotox schreibt: „Es wurden insgesamt fünf Fälle mit multiplen Fehlbildungen beschrieben, in denen die Schwangeren über mehrere Monate täglich 400 bis 800 mg Fluconazol eingenommen hatten.“
Keine ausreichenden Erfahrungen gebe es ebenfalls zu einer hoch dosierten längeren Itraconazol-Therapie.
Liu und Mitarbeiter bedauern auch in ihrem Artikel, dass sie die Dosisabhängigkeit nicht näher untersuchen konnten. Aber nur einige Autoren der analysierten Studien hätten überhaupt Dosisangaben festgehalten.
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Einnahme systemischer Antimykotika in der Schwangerschaft kann das Risiko von Fehlbildungen erhöhen – oder doch nicht? - Medscape - 28. Nov 2019.
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