Diese Chirurgin bricht ein Tabu. Dr. Sarah Grey sammelt Kunst. Ihren Körper schmücken viele bunte Tattoos. Der 31-jährigen Australierin wurde schon einmal von der Presse der Titel „Die am stärksten tätowierte Ärztin der Welt“ verliehen.

Tattoos sind auch in Deutschland beliebt wie und eh und je, auch wenn sich die Moden ständig ändern und das berühmte „Arschgeweih“ der 90er-Jahre inzwischen eher peinlich als cool ist.
In Deutschland ist jeder 4. tätowiert, und jeder 15. trägt Piercings. Auch Ärzte haben mehr Körperschmuck als noch zu früheren Zeiten. Eine Ärztin mit niedlichem Sonnensymbol am Knöchel oder der Kollege mit dem Namensschriftzug der Freundin am Oberarm – kein Thema. Aber was, wenn Tattoos zum großflächigen Kunstwerk den Körper schmücken und im Praxisalltag nicht zu übersehen sind?
Es gibt sogar wissenschaftliche Studien ( Medscape berichtete) wie die Körperkunst in Gesundheitsberufen von Patienten bewertet wird. Fazit: Sie sind überraschend tolerant, wenn sie zum Beispiel in der Notaufnahme von einem tätowierten Arzt behandelt werden.
Generelle gesetzliche Vorschriften zu Tätowierungen oder dem Tragen von Piercings gibt es im medizinischen Bereich nicht. Hier entscheidet letztlich die Toleranz des Arbeitgebers. Trotzdem verbieten Bekleidungsvorschriften und Richtlinien in den meisten Krankenhäusern medizinischen Fachkräften, sichtbare Tattoos oder Piercings zu tragen, um so ein bestimmtes Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter zu definieren.
Auch bei anderen Berufsgruppen wie Flugbegleitern gelten Tattoos als unangebracht und sollten von Kleidung bedeckt sein. Bei der Polizei sind Tattoos zwar inzwischen prinzipiell kein Ausschlussgrund mehr für eine Einstellung. Aber auffällige Darstellungen darf man nicht zur Schau stellen.
Die einfachste Option, die auch die Ärzte haben, ist: Man wählt von vornherein Körperstellen für ein Tattoo, die im Berufsalltag überdeckt werden können. Gerade als Arzt oder Ärztin hat man mit dem Dresscode von Kittel und langen Hosen hier eigentlich ideale Voraussetzungen.
Diese Ansicht vertritt die 31-jährige Dr. Sarah Gray, chirurgische Assistenzärztin in Adelaide, ganz und gar nicht. Ihr Ziel ist es, orthopädische Chirurgin zu werden und mit Tabus zu brechen. Gray will mit den stereotypen Vorstellungen darüber, wie eine normale Ärztin auszusehen hat, aufräumen. Zu diesem Thema interviewte sie ein Mitarbeiter von Medscape UK. Können Sie Ihre Ansichten teilen, oder nicht? Schreiben Sie uns einen Kommentar!

Medscape: Wie reagieren Patienten und Kollegen auf Ihre Tattoos?
Dr. Gray: Beide Gruppen reagieren positiv. Ich bekomme oft Komplimente für mein farbenfrohes Erscheinungsbild. Vor allem jüngere Patienten finden, dass es dabei hilft, die Distanz zwischen Ärztin und Patient aufzubrechen. Oft sagen sie, dass sie das Gefühl haben, dass ich zugänglicher aussehe als Ärzte, die „normaler“ aussehen. Ich bin immer gut angezogen und letztlich scheint es keine Rolle zu spielen, ob man Kunstwerke auf der Haut trägt, solange man gut zuhört und Empathie und Mitgefühl aufbringt. Tattoos hindern einen sicherlich nicht daran.
Medscape: Glauben Sie, dass Tattoos unter bestimmten Umständen helfen können, Patienten zu beruhigen, da sie Sie dann eher als Person wahrnehmen, mit der sie sprechen können?
Dr. Gray: Auf jeden Fall. Ich habe dies in meiner Zeit in der Notaufnahme häufig erlebt. Stark tätowierte Patienten öffnen sich mir gegenüber scheinbar leichter, wenn sie selbst Zeiten erlebt haben, in denen sie sich aufgrund ihres Aussehens verurteilt fühlten, wenn sie Hilfe suchten.
Medscape: Sind Sie der Ansicht, dass Tattoos Ärzten grundsätzlich erlaubt sein sollten? Sollte es Regeln geben?
Dr. Gray: Ich finde nicht, dass es bei dem Thema für Ärzte genauso wenig wie für alle anderen Menschen um „erlaubt“ oder „nicht erlaubt“ gehen sollte. Body Art ist eine persönliche Entscheidung. Es ist eine Form des Kunstsammelns, nur eben auf der Haut. Das Aussehen definiert einen Menschen in keiner Weise und sagt auch nichts über seine Fähigkeiten und Kompetenz aus. Meiner Meinung nach sollten wir kreative Selbstdarstellungen eher fördern. Andererseits meine ich aber auch, dass anstößige oder beleidigende Tattoos in unserem Beruf unangemessen sind.

Medscape: Wollen Sie ein Exempel statuieren, dass Ärzte sich nicht einem bestimmten Aussehen anpassen müssen und trotzdem kompetent und professionell sein können?
Dr. Gray: Ich bin einfach ich selbst. Ich bin stolz darauf, wer ich bin und mein Beruf definiert mich nicht als Person. Die Medizin ist ein großer Teil von dem und ich arbeite hart dafür, eine gute Ärztin und später einmal eine noch bessere Chirurgin zu sein. Aber mein Leben außerhalb der Klinik ist genauso wichtig. Warum sollten wir uns einen Zwang auferlegen, wie wir auszusehen haben, um als „kompetente und professionelle“ Ärztin angesehen zu werden? Ich sage allen Menschen: Sei einfach du selbst, und wenn man anderen Personen hilft, einfühlsam und kompetent ist und hart arbeitet, kann man alles sein – auch eine gute Ärztin.
Medscape: Haben Sie das Gefühl, dass sich die öffentliche Meinung über Tattoos wandelt, weil immer mehr Menschen sie tragen? Planen Sie weitere Tattoos?
Dr. Gray: Sie müssen nur einen Blick auf die Zahlen werfen, um zu sehen, wie sich die Welt verändert. Im letzten Jahr waren 15% aller Australier an mindestens einer Körperstelle tätowiert, Tendenz steigend. Neben meiner Arbeit als Ärztin besitze ich mit meinem Mann, der Tätowierer ist, ein Tattoo-Studio und wir sehen in allen Berufsgruppen eine steigende Anzahl von Menschen, die sich tätowieren lassen. Ich bin froh, dass die Stigmatisierung langsam endet, denn eine bunte Haut macht einen nicht zu einem schlechten Menschen.

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Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Ärzte mit Tattoos? Diese kunstvoll tätowierte Chirurgin hat eine deutliche Meinung zu Bodyart – und was denken Sie? - Medscape - 27. Nov 2019.
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