Steigern Statine hoch dosiert das Osteoporose-Risiko, schützen aber den Knochen in niedriger Dosis?

Nancy A. Melville

Interessenkonflikte

26. November 2019

Der in einigen Studien nachgewiesene protektive Effekt einer Statin-Therapie auf die Knochen ist möglicherweise dosisabhängig. So war in manchen Studien eine niedrig dosierte Statin-Gabe mit einem verminderten Osteoporose-Risiko verbunden, während das Risiko nach einer neuen Studie bei hoch dosierten Statinen ansteigt.

„Dies ist nach unserem Wissen die erste Studie, welche die Bedeutung der verschiedenen Substanzen und Dosierungen für den Zusammenhang zwischen Osteoporose und Statin-Therapie ins Auge gefasst hat“, sagt Dr. Michael Leutner von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel der Medizinischen Universität Wien, der mit seinem Team die Ergebnisse in den Annals of the Rheumatic Diseases veröffentlicht hat [1].

„Die Ergebnisse waren für uns überraschend“, sagte die Senior-Autorin Dr. Alexandra Kautzky-Willer, ebenfalls Medizinische Universität Wien, gegenüber Medscape. „Wir vermuten, dass die Überwachung von Hochrisikopatienten, d.h. postmenopausaler Patientinnen mit hoch dosierter Statin-Therapie, nützlich sein könnte, um eine individualisierte Therapie zur Osteoporose-Prävention anbieten zu können“, sagte sie.

Prof. Dr. Ching-Lung Cheung vom Department of Pharmacology and Pharmacy am Center for Genomic Sciences der University of Hongkong, kommentierte, dass sein wichtigster Vorbehalt bei der Studie die Rolle des erhöhten Cholesterinspiegels betrifft, der den Bedarf an höher dosierten Statinen hervorruft.

„Erhöhte LDL-Cholesterin-Werte sind mit einer verminderten Knochendichte verbunden. Daher kann es sein, dass Patienten, die hoch dosierte Statine erhalten, niedrigere Ausgangswerte für die Knochendichte aufweisen als Patienten, die niedrig dosierte Statine bekommen, was den beobachteten Zusammenhang infrage stellt“, sagte Cheung, der auch über die Verbindung zwischen Statinen und Knochengesundheit forscht, gegenüber Medscape.

Große Studie in der österreichischen Bevölkerung

Für die umfangreiche Populationsstudie haben Leutner und seine Kollegen von Januar 2006 bis Dezember 2007 Gesundheitsdaten von fast 8 Millionen Österreichern unter 90 Jahren ausgewertet.

Sie identifizierten 353.502 Patienten, die seit mindestens einem Jahr eines der 7 zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Statine eingenommen hatten: Simvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Fluvastatin, Atorvastatin, Cerivastatin und Rosuvastatin. Das Geschlechterverhältnis in der Untersuchungsgruppe war ausgewogen. Unter ihnen waren 11.701 Patienten (1.765 Männer, 9.936 Frauen), die nach ICD-10 die Diagnose Osteoporose erhalten hatten.

Sie wurden mit einer Kontrollgruppe aus etwa 7,5 Millionen Patienten verglichen, die nicht mit Statinen behandelt wurden (3,5 Millionen Männer, 4 Millionen Frauen). Unter ihnen wurden 68.699 Personen mit Osteoporose identifiziert (10.410 Männer, 58.289 Frauen).

Insgesamt war eine Statin-Behandlung mit einer 3-fach höheren Wahrscheinlichkeit für die Diagnose Osteoporose verbunden als es in der Gruppe, die keine Statine einnahm, der Fall war (Odds Ratio [OR]: 3,62; p < 0,01).

Eine niedrig dosierte Statintherapie (0 bis 10 mg/Tag) war jedoch mit einem geringeren Osteoporose-Risiko verbunden. Die Effekte waren für die einzelnen Wirkstoffe unter den Statinen ähnlich (Lovastatin: OR 0,39, p < 0,05; Pravastatin: OR 0,68, p < 0,01; Simvastatin: OR 0,70, p < 0,01; Rosuvastatin: OR 0,69, p < 0,01).

Das Osteoporose-Risiko stieg jedoch im Vergleich zur Kontrollgruppe bei denjenigen, die Statine in höheren Dosen einnahmen. Die Mengen waren definiert als über 40 mg Simvastatin (OR: 1,64; P < 0,01), über 20 mg Atorvastatin (OR: 1,78, p < 0,01) und über 20 mg Rosuvastatin (OR: 2,04, P < 0,01).

 
Unsere Hypothese ist, dass die mögliche hemmende Wirkung von höher dosierten Statinen auf Sexualhormone die osteoprotektive Wirkung außer Kraft setzen könnte. Dr. Alexandra Kautzky-Willer
 

In der Studie wurden die Einnahme anderer Medikamente und Komorbiditäten berücksichtigt, wie etwa Diabetes und Erkrankungen, die typischerweise mit Kortikoiden behandelt werden, die bekanntermaßen einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Osteoporose darstellen.

Wirken sich höhere Statin-Dosierungen auf die Sexualhormone aus?

Kautzky-Willer sagte dazu: „Im Mausmodell und in vitro haben Statine die Knochenbildung gefördert, z.B. durch Erhöhung der osteoprotektiven BMP-2-Expression (bone morphogenetic protein). Allerdings wurden die Statin-Dosierungen in den bisherigen Studien nicht hinreichend berücksichtigt. In niedrigeren Dosierungen könnte die osteoprotektive Wirkung von BMP-2 ein Hauptgrund für die niedrigeren Raten der diagnostizierten Osteoporose sein“, sagte sie.

Östrogen, das eine entscheidende Rolle für den Erhalt der Knochendichte spielt, bildet der Körper jedoch aus Cholesterin. Daher könnte der stark Cholesterin-senkende Effekt der Statine in hohen Dosierungen auch eine Östrogen-senkende Wirkung entfalten, die sich auf die Knochen wie das Einsetzen der Menopause auswirkt, die ja eine der Hauptursachen der Osteoporose ist. „Unsere Hypothese ist, dass die mögliche hemmende Wirkung von höher dosierten Statinen auf Sexualhormone die osteoprotektive Wirkung außer Kraft setzen könnte“, sagte Kautzky-Willer.

Ebenso wurde der Einsatz von Statinen in einigen Untersuchungen mit reduzierten Testosteronwerten in Verbindung gebracht. Eine Studie zeigte, dass höhere Werte von Testosteron, das nicht SHBG-gebunden (sexualhormonbindendes Globulin) vorliegt, bei koreanischen Männern mit einem Rückgang der Knochendichte verbunden waren.

 
Insgesamt deuten diese Ergebnisse auf einen Zusammenhang zwischen Sexualhormonspiegel und Statinen in der Pathogenese der Osteoporose hin. Dr. Michael Leutner und Kollegen
 

„Insgesamt deuten diese Ergebnisse auf einen Zusammenhang zwischen Sexualhormonspiegel und Statinen in der Pathogenese der Osteoporose hin“, schließen die österreichischen Autoren.

Sexualhormon-Absenkung durch Statine – weitere Studien müssen Zusammenhang zeigen

Cheung und einige seiner Kollegen konzentrierten sich auf die Rolle des LDL und der Statine für die Knochengesundheit und präsentierten die Ergebnisse im vergangenen Monat als Poster auf der Jahrestagung der American Society for Bone and Mineral Research.

Mithilfe einer Kohorte aus der US-Studie NHANES III (n = 3.638) und einer weiteren aus der Hongkong-Osteoporose-Studie (n = 1.128) fanden sie heraus, dass eine Senkung des LDL-Spiegels mit einer signifikanten Erhöhung der Knochendichte im Oberschenkelhals und in der Lendenwirbelsäule verbunden war. Zudem waren die LDL-senkenden Wirksubstanzen mit einer erhöhten Knochendichte im gesamten Körper assoziiert.

All diese Ergebnisse sprachen laut Cheung dafür, „dass der Einsatz von Statinen zu einer höheren Knochendichte führt“.

In einem weiteren Kommentar zur österreichischen Studie stimmte er der Auffassung zu, dass die potenzielle Wirkung von hoch dosierten Statinen auf Sexualhormone bemerkenswert sei. „Das ist eine interessante Hypothese“, sagte Cheung. „Obwohl die Autoren einige Studien erwähnen, die eine signifikante Assoziation zwischen Statinen und Sexualhormonen belegen, gibt es auch Studien, die da keinerlei Assoziation feststellen können. Ob der Einsatz von Statinen also die Sexualhormone beeinflusst, muss weiter erforscht werden“, kommentierte er.

 
Ob der Einsatz von Statinen also die Sexualhormone beeinflusst, muss weiter erforscht werden. Prof. Dr. Ching-Lung Cheung
 

Cheung wies auch darauf hin, dass die Verwendung von ICD-Codes zur Definition einer Osteoporose eine „deutliche Limitierung“ der österreichischen Studie darstelle. „Die Autoren sollten die Genauigkeit der Kodierungen überprüfen, da dies in einer pharmako-epidemiologischen Studie äußerst wichtig ist, insbesondere weil die Knochendichte nicht routinemäßig bestimmt wird. Daher ist die Genauigkeit der Osteoporose-Kodierung zweifelhaft“, sagte er weiter.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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