Fusobacterium nucleatum – Steigbügelhalter für Kolorektalkarzinome?

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

22. November 2019

Heidelberg – Welche Rolle das Mikrobiom und speziell das gramnegative Stäbchenbakterium Fusobacterium nucleatum bei Darmkrebs spielt, erläuterte Dr. Christoph Stein-Thoeringer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DFKZ) auf dem 7. Heidelberger CRC-Symposium [1].

Verschiedene Faktoren – darunter Ernährung, Medikamente wie Antibiotika und Metformin, Genetik und Hygiene – beeinflussen die Mikrobiota. Auch abhängig vom Alter verändert sich die Zusammensetzung. „Doch was ist ein gesundes Mikrobiom? Wir wissen es nicht. Allerdings zeigen immer mehr Studien, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms einen Einfluss auf die Entwicklung von Darmkrebs hat“, sagte Stein-Thoeringer. 

 
Immer mehr Studien zeigen, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms einen Einfluss auf die Entwicklung von Darmkrebs hat. Dr. Christoph Stein-Thoeringer
 

Antibiotikagabe vor Anti-Tumortherapie verschlechtert das Outcome

So hängt der Erfolg einer Anti-Tumortherapie auch von einer intakten intestinalen Mikrobiota ab, wie eine aktuelle Studie im JAMA zeigt. In der Arbeit waren 196 britische Krebspatienten (mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom NSCLC, Melanom oder anderen Krebsarten) untersucht worden. Sie hatten entweder keine Antibiotika vor ihrer Checkpoint-Inhibitor-Therapie erhalten oder aber bis zu 30 Tage vor Beginn der Therapie Antibiotika eingenommen. „Die Patienten, die vor Therapiebeginn Antibiotika erhalten hatten, zeigen ein deutlich schlechteres Outcome“, berichtete Stein-Thoeringer. So lag z.B. das Gesamtüberleben bei NSCLC bei 2,5 Monaten versus 26 Monaten.

Eine ballaststoffreiche Ernährung wiederum kann vor Darmkrebs schützen, so Stein-Thoeringer und erinnerte an die die EPIC-Studie im Lancet. Sie hatte bereits 2003 gezeigt, dass Ballaststoffe in Lebensmitteln in umgekehrtem Zusammenhang mit der Häufigkeit von Kolorektalkrebs standen (relatives Risiko: 0,75, 95%-Konfidenzintervall: 0,59 bis 0,95, für das höchste vs niedrigste Quintil der Ballaststoffaufnahme).

Fusobacterium nucleatum auch in Metastasen

„Darüber hinaus wird Fusobacterium nucleatum, ein gramnegatives Stäbchenbakterium, das eigentlich im Mundraum vorkommt, häufig mit Darmkrebs assoziiert“, so Stein-Thoeringer. Die kausale Richtung des Zusammenhangs ist jedoch noch nicht geklärt.

 
Fusobacterium nucleatum, ein gramnegatives Stäbchenbakterium, das eigentlich im Mundraum vorkommt, wird häufig mit Darmkrebs assoziiert. Dr. Christoph Stein-Thoeringer
 

Schon 2013 zeigten metagenomische Analysen, dass das Stäbchenbakterium in Stuhlproben von Patienten mit kolorektalen Adenomen und Karzinomen – im Vergleich zu Stuhlproben von gesunden Probanden – angereichert war.

Und im Mausmodell beschleunigte Fusobacterium nucleatum die Entstehung von Darmtumoren. Wurden Mäuse mit F. nucleatum gefüttert, entwickelten sie eine signifikant höhere Anzahl von Tumoren verglichen mit Mäusen, die mit Streptococcus spp. gefüttert wurden (p < 0,001).

Das Bakterium ist auch in Metastasen vorhanden, wie eine Studie in Science aus 2017 zeigt. Die Forscher hatten Lebermetastasen von Patienten mit Kolorektalkarzinomen untersucht. In mehreren Fällen fanden sie F. nucleatum sowohl im Primärtumor als auch in den Metastasen. In primären Leberkarzinomen wurden die Bakterien dagegen nicht gefunden.

Ein genetischer Vergleich zwischen F. nucleatum im Darmkrebs und seiner Lebermetastase ergab, dass die Bakterien identisch waren. Waren die Primärtumore nicht mit F. nucleatum besiedelt, fehlte das Bakterium auch in den Lebermetastasen. Die Tumorzellen nehmen also das Bakterium mit, wenn sie Metastasen bilden.

Mit Fusobacterium schnellere Progression und höhere Mortalität

Dass Fusobacterium spp. bei Darmkrebspatienten auch mit einer höheren Mortalität verbunden ist, legen die Ergebnisse einer Studie in Gut 2016 nahe. Im Vergleich zu Patienten, die F.-nucleatum-negativ waren, hatten Patienten mit niedriger F.-nucleatum-Konzentration eine Hazard Ratio für Darmkrebs-spezifische Mortalität von 1,25 auf (95%-KI: 0,82-1,92), Patienten mit hoher F. nucleatum-Konzentration sogar eine HR von 1,58 (1,04-2,39).

Und eine 2019 in Translational Oncology erschienene Arbeit zeigt, dass Fusobacterium zur Progression von Darmkrebs beiträgt. Sie bestätigt das Vorhandensein von F. nucleatum als symbiotische Bakterien im menschlichen Darmtrakt.

Möglicher Pathomechanismus

Offenbar unterstützt F. nucleatum die Entstehung von Kolorektalkarzinomen durch verschiedene Virulenzmechanismen, wie z.B. die Adhäsion an das Darmepithel und die Induktion von Immunreaktionen. Die durch F. nucleatum verursachten Reaktionen fördern die Rekrutierung von Entzündungszellen und die Sekretion von Entzündungsfaktoren. So entsteht eine pro-entzündliche Mikroumgebung, die das Tumorwachstum begünstigt.

Die Forscher fanden auch Hinweise darauf, dass F. nucleatum die Funktion von Immunzellen wie Makrophagen, T-Zellen und NK-Zellen unterdrückt und so die Darmkrebs-Progression fördert.

Fusobacterium als Biomarker für Kolorektalkarzinome?

Dass Fusobacterium womöglich als Biomarker für Darmkrebs infrage kommen könnte, legen die Ergebnisse einer Arbeit nahe, die 2017 in Gut erschienen ist. Untersucht wurden fäkale mikrobielle Marker für den klinischen Einsatz zur Entdeckung von Kolorektalkarzinomen (CRC) und fortgeschrittenen Adenomen.

Gemessen wurde die relative Häufigkeit von Fusobacterium nucleatum (Fn), Peptostreptococcus anaerobius (Pa) und Parvimonas micra (Pm) mittels PCR bei 309 Probanden, darunter 104 Patienten mit CRC, 103 Patienten mit fortgeschrittenem Adenom und 102 gesunde Kontrollen.

Fusobacterium war signifikant erhöht bei Patienten mit CRC und fortgeschrittenem Adenom. Werden fäkale immunchemische Tests (FIT) mit diesem Marker kombiniert, erhöht das signifikant die Detektionsraten für Kolorektalkarzinome mit einer Sensitivität von 92,3% und einer Spezifität von 93,0%. Für fortgeschrittene Adenome zeigte die Kombination aus Biomarker und FIT ebenfalls eine erhöhte Sensitivität: 38,6% versus 15,5% (mit FIT alleine).

Der Ansatz könnte den klinischen Nutzen der aktuellen FIT verbessern und führt einen Schritt weiter in Richtung einer nicht-invasiven, potenziell genaueren und kostengünstigeren Diagnose von fortgeschrittenen Kolorektalneoplasien.

Intestinale Mikrobiota bei Darmkrebs – Zukunftsszenarien

Stein-Thoeringer führte an, dass es zukünftig mehrere Typen von Biomarkern geben könnte: Bakterien, Gene, Metaboliten aus Fäzes, Blut oder dem Tumor. Daraus könnten Screening-Biomarker zur Entdeckung von Kolorektalkarzinomen oder Adenomen entstehen und auch prognostische und/oder prädiktive Biomarker für klinische Verläufe oder Therapieansprechen.

Mögliche Therapieansätze am Mikrobiom wären: Diäten, Probiotika, Antibiotika, fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT), Postbiotika und Metaboliten. Ziele sind ein verbessertes Therapieansprechen und weniger Nebenwirkungen bei der Therapie von Darmkrebs. Möglicherweise könnten Therapieansätze in Bezug auf das Mikrobiom auch die Prävention von Kolorektalkarzinomen in Hochrisiko-Populationen ermöglichen.

Weitere wichtige Erkenntnisse zu Kolorektalkarzinomen und dem Mikrobiom soll HeiCoMb bringen, eine klinische Studie unter der Leitung von Dr. Niels Halama und Stein-Thoeringer am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT)/DKFZ. Die Hypothesen der Studie sind:

  • Kolorektalkarzinome sind mit einem spezifischen Mikrobiom-Profil (Stuhl, Tumor, Mukosa) assoziiert.

  • Machine-learning-/KI-Algorithmen helfen, um die Prädiktion von Kolorektalkarzinomen anhand von Mikrobiom-Signaturen, klinischen Daten und FIT zu ermöglichen.

  • Der Therapieerfolg (Chemotherapie etc.) ist von der Mikrobiota abhängig.

Durchgeführt werden soll dazu eine 2-stufige klinische Studie:

  • mit initialem CRC-Screening/Baseline-Teil zum Vergleich Gesunde vs Adenom-Patienten vs CRC-Patienten (Part A) und

  • anschließend eine Verlaufsbeobachtung von CRC-Patienten (Stadium III-IV) für 24 Monate (Part B).

Es ist geplant, 150 gesunde Probanden, 150 Adenom-Patenten und 200 Patienten mit CRC aufzunehmen. Die Studie soll im Januar 2020 starten.

 

Kommentar

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