Bei Patienten mit einer gastroösophagealen Refluxkrankheit, die nicht auf Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) ansprechen, lindert ein chirurgischer Eingriff anhaltende Reflux-Beschwerden eher als eine intensivierte Medikamententherapie. Das zeigt eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte randomisierte Vergleichsstudie der beiden Behandlungsoptionen [1].
Mittels einer gründlichen Diagnostik mit Endoskopie und Biopsie, Manometrie zur Messung von Motilitätsstörungen und pH-Metrie-Impedanz-Messung im Ösophagus wurden Patienten mit Reflux-bezogenem Sodbrennen selektiert, die für einen Eingriff in Frage kamen. „Für diese spezielle Patientengruppe erwies sich die laparoskopische Fundoplikation nach Nissen nach einem Jahr als deutlich erfolgreicher als eine aktive Medikamententherapie“, schlussfolgern die Autoren um Dr. Stuart J. Spechler, Gastroenterologe am Baylor University Medical Center in Dallas, USA.
Nach dem chirurgischen Eingriff hatten 67% der Patienten deutlich weniger Beschwerden, nach der intensivierten Medikation mit Omeprazol und Baclofen und gegebenenfalls Desipramin nur 28% der Patienten.

Prof. Dr. Joachim Labenz
„Eine super Studie, auf die wir lange gewartet haben“, kommentiert Prof. Dr. Joachim Labenz im Gespräch mit Medscape. Er ist Direktor der Inneren Medizin am Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen und Beiratsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS).
PPI versagen bei fast einem Drittel
In Deutschland klagt jeder 5. über häufiges Sodbrennen, Tendenz weiter steigend. Rund 30% von ihnen, also rund 4,5 Millionen Menschen, sprechen nicht auf eine Behandlung mit PPI an. „Bislang wurden diese Patienten häufig mit ihren chronischen Beschwerden allein gelassen“, sagt Labenz.
Manche unterzögen sich aus Verzweiflung einer Operation, die jedoch bei weitem nicht allen Patienten helfe, wie die aktuelle Studie zeige. Die Diagnostik habe nämlich nur einen von 5 Patienten mit Reflux-Beschwerden herausgefiltert, der dann tatsächlich für den komplexen Eingriff in Frage komme, so Labenz weiter.
Da die Ursachen von Sodbrennen sehr vielfältig sind und nicht zwangsläufig auf eine Reflux-Erkrankung zurückgehen, haben Spechler und seine Kollegen Patienten mit PPI-refraktärem Sodbrennen einer systematischen Evaluation unterzogen. Auf diese Weise wollten sie diejenigen identifizieren, bei denen tatsächlich eine gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) vorliegt.
„Trotz aller Fortschritte bleiben die Ursachen einer GERD häufig unklar, was die therapeutischen Optionen einschränkt“, schreibt Prof.Dr. Nicholas J. Talley, Gastroenterologe an der Fakultät für Gesundheit und Medizin an der University of Newcastle, Australien, in einem Editorial zu der Studie [2]. Daher sei es nicht verwunderlich, dass so viele von ihnen nicht auf eine PPI-Behandlung ansprechen.
Systematische Diagnose identifiziert „echte“ GERD-Fälle
„Diese systematische Aufarbeitung hat gezeigt, dass Sodbrennen nur bei einer Minderheit der Patienten wirklich PPI-refraktär und auf Reflux zurückzuführen ist“, schreiben Spechler und seine Kollegen.
In die US-Studie wurden insgesamt 366 Patienten (Durchschnittsalter 48,5 Jahre) mit Reflux-Beschwerden aufgenommen, bei denen eine Behandlung mit PPI zuvor nicht zu einer Besserung geführt hatte. Sie wurden einer erneuten 2-wöchigen Therapie mit dem PPI Omeprazol (2-mal täglich 20 mg) unterzogen.
Bei 42 Patienten besserten sich die Beschwerden nach dieser Behandlung. Diejenigen, die weiterhin über Sodbrennen klagten, durchliefen Endoskopie, Manometrie und Impedanz-Messung, um Patienten herauszufiltern, die tatsächlich an einer GERD erkrankt waren.
Gemäß den Diagnostik-Ergebnissen war das bei 78 der 366 Patienten der Fall. „Das heißt also: Bei 4 von 5 Patienten liegt ein Problem vor, das durch die OP gar nicht behoben werden kann“, bemerkt Labenz.
Allerdings blieben dann trotzdem noch rund 900.000 Patienten in Deutschland mit GERD, die operiert werden könnten, rechnet er vor. Jährlich werden aber aktuell gerade einmal rund 7.000 Fundoplikationen durchgeführt, schätzt Labenz.
In der Studie wurden die ausgewählten Patienten mit GERD in einen von 3 Behandlungsarmen randomisiert:
Fundoplikatio nach Nissen (n = 27): Bei diesem Eingriff wird ein Teil des Magens als Manschette um den unteren Teil der Speiseröhre gelegt. Er soll laut DGVS-Leitlinie zur Gastroösophagealen Refluxkrankheit aus dem Jahr 2014 nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden.
Aktive medizinische Therapie (n = 25): Omeprazol, Baclofen, was den Tonus im Ösophagussphinkter erhöhen soll, und gegebenenfalls der Neuromodulator Desipramin als 3. Präparat, falls keine Besserung der Symptome eintritt.
Medizinische Kontrolltherapie (n = 26): Omeprazol plus Placebo.
Primärer Studienendpunkt war die Reduzierung der Reflux-Beschwerden um 50% gemäß einer Skala auf einem standardisierten Fragebogen zur Lebensqualität von Menschen mit GERD.
OP als „Ultima Ratio“
Unterm Strich erwies sich der operative Eingriff bei diesem speziellen Patientenkollektiv als der erfolgreichere Ansatz: Bei 67% der Patienten hatten sich die Beschwerden nach der Fundoplikatio deutlich gebessert, während das nur bei 28% derer der Fall war, die bis zu 3 Medikamente einnahmen. Bei 12% der Patienten in der Kontrollgruppe trat ebenfalls eine deutliche Besserung der Symptome ein.
Talley bezeichnet den Erfolg der OP in seinem Editorial mit dem Titel „Erst denken, dann schneiden“ als „beeindruckend“. Trotzdem, so Talley weiter, seien 79% der evaluierten Patienten gar nicht für die OP in Frage gekommen. „Die Erkenntnisse sollten nicht dazu führen, dass mehr Patienten mit refraktärem Sodbrennen eine Operation angeboten wird, ohne dass jeder einzelne Fall mit Bedacht hinsichtlich eines möglichen Erfolgs evaluiert wurde, und nur nach mehrfachen Versuchen einer medizinischen Therapie“, mahnt der Experte.
Interdisziplinäre Refluxzentren finden Lösungen
Evaluiert werden könnten Patienten mit refraktärem Sodbrennen in so genannten Refluxzentren. Labenz ist einer der Partner im Refluxzentrum Siegerland, einer von nach seinen Schätzungen bundesweit mittlerweile rund 20 bis 30 dieser Zusammenschlüsse von Gastroenterologen, Allgemeinmedizinern, Chirurgen und anderen Experten, die auf die Behandlung von Patienten mit Reflux-Beschwerden spezialisiert sind.
An diesen Zentren, erklärt Labenz, werden Patienten bereits gemäß der in der Studie überprüften Vorgehensweise untersucht und behandelt. „Die Studienergebnisse zeigen, dass wir richtig handeln“, sagt Labenz. An seinem Zentrum wurden bislang weit über 1.000 Patienten mit Reflux-Beschwerden behandelt; die OP-Quote liegt bei 15 bis 20%.
Seine Botschaft an die Hausärzte: „Bleiben bei Patienten mit Sodbrennen die Beschwerden trotz einer Behandlung mit PPI, kann an einem solchen Zentrum, bei dem viele Spezialisten zusammenarbeiten, genauer hingeschaut und dem Patienten vielleicht geholfen werden.“
Die Studie zeige außerdem: Die OP sei für Menschen, bei denen durch genaueste Untersuchungen eine gastroösophageale Refluxkrankheit festgestellt wurde, „der bessere Weg, aber auch nicht das Allheilmittel“. Warum sich die Beschwerden nach dem Eingriff bei dem übrigen Drittel nicht entscheidend bessern, sei bislang unklar – dies müssten weitere Studien klären, so Labenz.
„Leider können wir Patienten, die trotz einer OP nach vollständiger Evaluation weiterhin unter störendem Reflux leiden, immer noch wenig anbieten“, schreibt auch Talley. Es blieben nur wiederholte Untersuchungen des Ösophagus und „ein weiterer Versuch der Hemmung von Säureausschüttung“.
Aktuell, sagt Labenz, werde „eine neue Leitlinie zur Behandlung der GERD angestoßen“. Bis zur deren Publikation werde es jedoch noch 1 bis 2 Jahre dauern.
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Da helfen keine Pillen … Welche Patienten mit PPI-refraktärem Sodbrennen profitieren von einer Operation? - Medscape - 15. Nov 2019.
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