Wie COPD-Exazerbationen verhindern? Metoprolol eignet sich für Herzgesunde eher nicht – und ist eventuell sogar riskant

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

11. November 2019

Kann ein Betablocker bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer COPD, die eigentlich keine Indikation für einen Betablocker haben, das Risiko einer COPD-Exazerbation senken? Eine aktuelle Studie sagt „nein“. In der Untersuchung war die Zeit bis zur ersten Exazerbation unter Metoprolol versus Placebo ähnlich. Ganz im Gegenteil führte der Betablocker sogar zu mehr Krankenhaus-Aufenthalten und Todesfällen aufgrund von Exazerbationen.

 
Dies ist die erste randomisierte, doppelt verblindete Studie zum Einsatz von Betablockern bei Patienten mit COPD ohne sichtbare Indikation unter dem Blickwinkel der Exazerbationshäufigkeit. PD Dr. Hans F. E. Klose
 

Das berichten Dr. Mark T. Dransfield von der University of Alabama in Birmingham und seine Kollegen im New England Journal of Medicne  [1]. Ihre Hypothese, mit dem Betablocker ein neues Medikament zur Prävention von Exazerbationen zu finden, ist damit gescheitert.

„Die Arbeit ist interessant: Hier handelt es sich um die erste randomisierte, doppelt verblindete Studie zum Einsatz von Betablockern bei Patienten mit COPD ohne sichtbare Indikation unter dem Blickwinkel der Exazerbationshäufigkeit“, sagt PD Dr. Hans F. E. Klose zu Medscape. Er ist Chefarzt der Abteilung für Pneumologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). „Allerding ist die klinische Relevanz sehr gering, weil wir keine COPD-Patienten ohne kardiale Indikation mit einem Betablocker behandeln.“

Daran werde sich auch nichts ändern. „Wie gehabt, liegt die Indikation von Betablockern weiter in der Hand von Kardiologen“, so Klose. „Bei Patienten mit kardialen Erkrankungen sprechen alle Daten dafür, dass Patienten von den Arzneistoffen profitieren, etwa hinsichtlich ihrer Gesamtmortalität oder ihrer Mortalität aufgrund von COPD.“ Weil das kardiopulmonale System ganzheitlich zu betrachten sei, hätten Verschlechterungen kardialer Funktionen auch immer negative Folgen für die Lungenfunktion.

 
Bei Patienten mit kardialen Erkrankungen sprechen alle Daten dafür, dass Patienten von den Arzneistoffen profitieren, etwa hinsichtlich ihrer Gesamtmortalität oder ihrer Mortalität aufgrund von COPD. PD Dr. Hans F. E. Klose
 

Den grundlegenden Ansatz von Dransfield und seinen Kollegen findet Klose aber gut: „Unser Bedarf an neuen Therapien zur Vermeidung von COPD-Exazerbationen ist groß, und solche Ereignisse sind für Patienten extrem schwerwiegend.“

Betablocker und COPD: Randomisierte Studie mit 532 Patienten

Zum Hintergrund: „Einige nicht randomisierte Beobachtungsstudien mit COPD-Patienten haben Hinweise geliefert, dass Betablocker das Risiko von Exazerbationen und die Mortalität verringern, unabhängig von kardialen Erkrankungen“, schreiben Dransfield und seine Kollegen im Artikel.

Doch bekanntlich haben Beobachtungsstudien ein großes Verzerrungspotenzial. Deshalb führten die Autoren eine prospektive, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie durch: BLOCK COPD (Beta-Blockers for the Prevention of Acute Exazerbations of Chronic Obstructive Pulmonary Disease).

 
Einige nicht randomisierte Beobachtungsstudien mit COPD-Patienten haben Hinweise geliefert, dass Betablocker das Risiko von Exazerbationen und die Mortalität verringern. Dr. Mark T. Dransfield und Kollegen
 

Aufgenommen wurden 532 Patienten im Alter von 40 bis 85 Jahren. Ihr mittleres Alter lag bei 65 Jahren. Alle Teilnehmer waren Raucher oder ehemalige Raucher und litten an COPD. Das forcierte exspiratorische Volumen, kurz FEV1, lag bei 41,1% des zu erwartenden Wertes. Dransfield und seine Co-Autoren schlossen Patienten aus, die bereits Betablocker einnahmen oder eine leitliniengerechte Indikation für die Verordnung solcher Medikamente hatten.

Die Patienten erhielten randomisiert entweder einen Betablocker (Metoprolol mit verlängerter Wirkstoff-Freisetzung) oder ein Placebo. Als primären Endpunkt definierten Forscher die Zeit bis zur ersten Verschlechterung der COPD während der Behandlungsdauer. Die Studie wurde aufgrund von Sicherheitsbedenken in Bezug auf den primären Endpunkt vorzeitig abgebrochen, die Beobachtungsdauer betrug zu diesem Zeitpunkt 336 bis 350 Tage.

Metoprolol: Mehr Klinikaufenthalte und Todesfälle wegen Exazerbationen

Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen in der Zeit bis zur ersten Exazerbation überhaupt, nämlich 202 Tage in der Metoprolol-Gruppe versus 222 Tage in der Placebo-Gruppe (Hazard Ratio [HR] 1,05; 95%-KI 0,84-1,32). Allerdings war Metoprolol mit einem signifikant höheren Risiko für Exazerbationen verbunden, die zu einem Krankenhausaufenthalt führten (HR 1,91; 95%-KI 1,29-2,83).

Die Häufigkeit von Nebenwirkungen, die möglicherweise mit Metoprolol in Zusammenhang standen, war in beiden Gruppen ähnlich, ebenso wie die Häufigkeit schwerwiegender nicht respiratorischer unerwünschter Ereignisse.

Während des Behandlungszeitraums gab es 11 Todesfälle in der Metoprolol-Gruppe und 5 in der Placebo-Gruppe, von denen 7 versus 1 auf COPD-Exazerbationen zurückzuführen waren. Deshalb brachen die Untersucher die Studie nach einer Zwischenauswertung vorzeitig ab.

Wer profitiert von Betablockern?

In einem Editorial fasst Dr. William MacNee von der University of Edinburgh die Problematik zusammen [2]: „COPD-Patienten leiden oft auch an Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, schreibt der Experte.

 
Die Ergebnisse gelten nur für Patienten mit COPD und mit einem hohen Risiko für Exazerbationen, aber ohne Herzerkrankungen. Dr. William MacNee
 

Doch Betablocker der 1. Generation seien aufgrund ihrer mangelnden Selektivität kontraindiziert gewesen. Die Wirkstoffe zeigen nicht nur Effekte am Herzen, sondern beeinflussen Beta-2-Rezeptoren in der Lunge, und es kommt zur Bronchokonstriktion. Beta1-selektive Pharmaka sollten dagegen eigentlich nur am Herzen wirken. Deshalb seien sie oft bei COPD und kardialen Erkrankungen empfohlen worden, schreibt der Editorialist.

Doch sollten Ärzte COPD-Patienten aufgrund der neuen Studiendaten künftig keine Betablocker mehr verordnen? Das sieht MacNee anders: „Die Ergebnisse gelten nur für Patienten mit COPD und mit einem hohen Risiko für Exazerbationen, aber ohne Herzerkrankungen.“

Auf COPD-Patienten, die eine Indikation für Betablocker hätten, könne man Dransfields Ergebnisse dagegen nicht übertragen. Hier gebe es „eine geringe Evidenz, dass es zu weniger Exazerbationen kommt, aber eine gute Evidenz hinsichtlich der Beeinflussung kardialer Erkrankungen“.

 

Kommentar

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