Die glorreichen 3: Mit einer Kombi-Therapie können jetzt mehr als 90% aller Mukoviszidose Patienten behandelt werden

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

7. November 2019

Eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie markiert nach Expertenansicht einen entscheidenden Fortschritt in der Behandlung der Mukoviszidose [1]: „Hier handelt es sich aus Patientensicht um einen Durchbruch“, sagt Dr. Jutta Bend zu Medscape. Sie arbeitet am Mukoviszidose Institut gemeinnützige Gesellschaft für Forschung und Therapieentwicklung mbH in Bonn.

 
Hier handelt es sich aus Patientensicht um einen Durchbruch. Dr. Jutta Bend
 

Bend erläutert: „Laut der FDA-Zulassung können rund 90 Prozent aller Patienten mit Mukoviszidose ab 12 Jahren behandelt werden.“ Welche Kriterien die EMA bei ihrer Zulassung definiere, sei allerdings noch unbekannt.

In der Studie erwies sich die Dreifachkombination Elexacaftor plus Tezacaftor plus Ivacaftor bei Mukoviszidose-Patienten mit einem Phe508del-Allel und mit einer anderen Minimalfunktionsmutation als wirksam. Die Lungenfunktion der Behandelten verbesserte sich im Vergleich zu Placebo um 14 Prozentpunkte, und Exazerbationen traten um 63% seltener auf. Autoren der Studie sind Dr. Peter G. Middleton von der University of Sydney, Westmead, Australien, und Kollegen.

Die Basis ihrer Veröffentlichung ist eine randomisierte, Placebo-kontrollierte Phase-3-Studie, die von Vertex Pharmaceuticals finanziert war. Erste Ergebnisse hatte der pharmazeutische Hersteller bereits Mitte 2019 veröffentlicht.

„Die Studie bestätigt früher publizierte Ergebnisse der Interimsanalyse“, erläutert die deutsche Expertin. „Sie hat, gerade für eine seltene Erkrankung, eine hohe methodische Qualität.“ Die randomisierte Placebo- und die Verum-Gruppe seien hinsichtlich demographischer und medizinischer Faktoren gut vergleichbar. „Und der Unterschied hinsichtlich der Endpunkte fällt wirklich deutlich aus, sowohl bei der Lungenfunktion, also auch bei den Exazerbationen“, so Bend weiter.

 
Der Unterschied hinsichtlich der Endpunkte fällt wirklich deutlich aus, sowohl bei der Lungenfunktion, also auch bei den Exazerbationen. Dr. Jutta Bend
 

Die Studiendauer von 24 Wochen hätte man noch etwas verlängern können, aber das entspräche der Mindestdauer laut EMA-Guideline für die Erhebung von respiratorischen Endpunkten wie dem FEV1-Wert, ergänzt sie.

Mukoviszidose: Mutation als Kriterium für die Wirkstoffwahl

Zum Hintergrund: Mukoviszidose wird bekanntlich durch Mutationen im Gen verursacht, das für CFTR (Cystic Fibrosis Transmembrane Regulator), einen Chloridkanal, kodiert. Bei der häufigen Phe508del-CFTR-Mutation fehlt die Aminosäure Phenylalanin an Position 508, und ein fehlgebildetes Protein entsteht. Ohne Chlorid-Ionen wird das Sekret der Atemwege stark viskos und kann nicht abtransportiert werden.

Die bisher verfügbaren Wirkstoffe zielen darauf ab, eine funktionsfähige Form der Transportkanäle auf der Zelloberfläche verfügbar zu machen (Korrektor) beziehungsweise ihre Funktion zu unterstützen (Potenziator).

Mit Ivacaftor kam 2012 ein erster CFTR-Potenziator in Deutschland auf den Markt. Er verbessert bei Patienten mit der selteneren G551D-Mutation den Transport von Chlorid durch diesen Ionenkanal. 4 bis 5% der Patienten haben diese Mutation. Später folgten für Patienten mit F508del-Mutation der CFTR-Korrektor Lumacaftor (2015) und die Kombination aus Korrektor und Potenziator Tezacaftor/Ivacaftor (2018).

Bei Patienten mit homozygoter Phe508del-CFTR-Mutation verbessert die Kombination eines Korrektors, entweder Lumacaftor oder Tezacaftor, mit dem Potenziator Ivacaftor, klinische Ergebnisse wie die Lungenfunktion und die Rate an Exazerbationen.

Es gibt jedoch auch Patienten, die ein einziges Phe508del-Allel und eine zweite CFTR-Mutation anderer Art aufweisen. Für diese Patienten gab es bislang keine Möglichkeit, um die Krankheitsursache zu behandeln.

Phase-3-Studie mit 403 Patienten

Middleton und seine Koautoren wollten diese therapeutische Lücke schließen, indem sie den neuen CFTR-Potenziator Elexacaftor untersuchten. Sie nahmen 403 Patienten ab 12 Jahren in ihre Studie auf. Alle Patienten waren heterozygot bezüglich der Phe508del-CFTR-Mutation und hatten eine Phe508del-Minimalfunktionmutation. Sie sprachen nicht auf Ivacaftor/Tezacaftor an.

Die Studienteilnehmer erhielten nach dem Zufallsprinzip 24 Wochen lang Elexacaftor plus Tezacaftor plus Ivacaftor oder nur Placebo. Unter Verum kam es zur Erhöhung der Ein-Sekundenkapazität FEV1 in Woche 4 um 13,8 Prozentpunkte, verglichen mit Placebo. Innerhalb der 24-wöchigen Studiendauer waren es 14,3 Prozentpunkte. Die Rate an Exazerbationen verringerte sich um 63%.

In einem Fragebogen zur Lebensqualität aufgrund von Mukoviszidose mit 0 bis 100 Punkten erhöhte sich der Punktewert in der Therapiegruppe um 20,2 Punkte. Bereits 4 Punkte gelten den Autoren zufolge als klinisch relevant. Die Chlorid-Ionen-Konzentration im Schweiß verringerte sich um 41,8 mmol/l, was für eine bessere Funktion des zugehörigen Ionenkanals spricht. Sicherheitsrelevante Nebenwirkungen traten nicht auf.

Aufgrund der Studiendaten hat die FDA bereits Trikafta® (Elexacaftor plus Tezacaftor plus Ivacaftor) für Patienten ab 12 Jahren mit Mukoviszidose zugelassen, die mindestens eine F508del-Mutation im CFTR-Gen tragen. Vor Therapiebeginn ist ein Gentest erforderlich. Vertex Pharmaceuticals hat auch bei der European Medicines Agency (EMA) einen entsprechenden Antrag eingereicht.

Erfolg nach 30 Jahren

In einem begleitenden Editorial erinnert Dr. Francis S. Collins von den National Institutes of Health, Bethesda, an einen Jahrestag der besonderen Art [2]. Am 25. August 1989 veröffentlichten Forscher der University of Michigan, USA, und des Hospital for Sick Children, Toronto, Kanada, erstmals Details über die häufige Phe508del-CFTR-Mutation. An den Arbeiten war Collins maßgeblich beteiligt.

„Wir hofften, dass diese Entdeckung eines Tages zu wirksamen Behandlungen für Kinder und Erwachsene mit Mukoviszidose führen würde, aber wir wussten, dass dies ein langer Weg sein würde“, schreibt der Humangenetiker. „Nun, 30 Jahre später, ist diese Zeit gekommen.“

Die erste Zulassung in 2012 habe gezeigt, dass man auf dem richtigen Weg sei. „Obwohl nur ungefähr 5% der Patienten mit Mukoviszidose von Ivacaftor profitierten, stimulierte deren ermutigende klinische Reaktion die Suche nach Medikamenten gegen häufiger auftretende Mutationen, insbesondere gegen die Phe508del-CFTR-Mutation“, berichtet Collins.

 
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es möglich sein könnte, 90 Prozent aller Personen mit Mukoviszidose sichere und wirksame molekular zielgerichtete Therapien anzubieten. Dr. Francis S. Collins
 

Über die jetzt veröffentlichte Arbeit schreibt der Experte: „Klinische Studien der Phase 3 dokumentieren nun die Wirksamkeit und Sicherheit der Dreifachtherapie mit Elexacaftor-Tezacaftor-Ivacaftor (2 Korrektoren, 1 Potentiator) bei Patienten mit einer oder zwei Kopien der Phe508del-CFTR- Mutation.“ Und weiter: „Angesichts der jüngsten Zulassung dieser Therapie durch die FDA deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass es möglich sein könnte, 90% aller Personen mit Mukoviszidose sichere und wirksame molekular zielgerichtete Therapien anzubieten.“ Dennoch findet Collins warnende Worte: „Wir dürfen Menschen mit Nullmutation nicht vergessen.“ Darunter versteht man den vollständigen Funktionsverlust in beiden Allelen des Gens.

Um die restlichen 10% zu behandeln, sieht Bend langfristig Perspektiven in der personalisierten Medizin wie sie beispielsweise im Rahmen des europäischen HitCF-Projekts vorangetrieben wird. Wissenschaftler testen in Organoiden, die aus Biopsien von Patienten hergestellt werden, welche Modulatoren einen Effekt zeigen.

„Anschließend soll untersucht werden, ob sich Ergebnisse des Labormodells auf Patienten übertragen lassen“, berichtet die Expertin. „Klinische Studien im herkömmlichen Sinne wird man mit dieser Patientengruppen allerdings kaum durchführen können, weil sie genetisch zu heterogen sind.“

 

Kommentar

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