Berlin – Letztlich offenbarte schon der thematische Schwerpunkt ein grundsätzliches Dilemma: Die Session „A Comprehensive Approach to Global Health and Security“ (Ein umfassender Ansatz für globale Gesundheit und Sicherheit) auf dem World Health Summit 2019 behandelte hauptsächlich den aktuellen Ebola-Ausbruch im Osten der Demokratischen Republik Kongo [1].
Doch für die Menschen dort habe Ebola gar keine Priorität – ihre Kinder würden viel eher an Masern und Malaria sterben, berichtete Dr. Mercedes Tatay, International Medical Secretary von Ärzte Ohne Grenzen: „Die Frage ist deshalb: Um wessen Gesundheit und wessen Sicherheit geht es?“ Klar wurde: Ohne die Unterstützung der lokalen Gemeinden kann medizinische Hilfe nicht gelingen.
Humanitäre Bedingungen wie im Kongo sind nicht selten
Die Situation im Kongo ist aus mehreren Gründen schwierig, erläuterte Susanne Baumann, Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle: Es gebe dort 150 verschiedene bewaffnete Gruppen, die Bevölkerung sei nach vielen Jahren des Krieges misstrauisch gegenüber offiziellen Stellen, zugleich reisten die Menschen viel.
Hinzu kämen gezielte Falschinformationen, etwa, dass Impfprogramme gegen Ebola in Wirklichkeit dazu dienten, Oppositionelle zu vergiften. Tatay beeindruckten diese Punkte wenig: „Solche Bedingungen sind in der humanitären Hilfe ja nicht neu. Das ist eher ‚business as usual‘.“
Dass es gelingen kann, Ebola schnell einzudämmen, zeigen Berichte aus dem Nachbarland Uganda. 2 Mal wurden hier in den vergangenen Jahren Ebola-Fälle diagnostiziert, beide Male waren sie schnell unter Kontrolle. „Dafür braucht es gute Vorbereitung und politische Führung“, sagt Dr. Jane Ruth Aceng, Gesundheitsministerin in Uganda.
Ihr Land hat alle Mitarbeiter von Gesundheitsstationen im Umgang mit infektiösen Krankheiten geschult: „Es geht ja nicht nur um Ebola.“ Die Gemeinden wurden aufgeklärt, dass ihre Heilungschancen umso besser sind, je früher sie sich in Behandlung begeben. „Die Länder wissen selbst am besten, wo man ansetzen muss“, berichtete Aceng.
Dr. Michael Ryan, Direktor des Notfallprogramms der Weltgesundheitsorganisation (WHO), kritisierte, viele Nachbarländer hätten nicht die zugesagte Unterstützung erhalten, um Maßnahmen gegen Ebola zu ergreifen. „Zudem fragen die Menschen im Kongo, warum wir ihnen nicht schon früher geholfen haben – etwa bei Massakern durch bewaffnete Gruppen oder Masernausbrüchen.“
Durch Masern starben in den vergangenen Jahren 4.000 Menschen in der Region, berichtete Talay. Durch Ebola sind es bisher 2.147. Doch für Ebola wurden 400 Millionen US-Dollar bereitgestellt, für Masern nur 8 Millionen.
Gibt es bei Ebola noch eine Wahlfreiheit für Patienten?
Es kommt sogar vor, dass Menschen nicht weiterbehandelt werden, wenn sich herausstellt, dass ihre Symptome nicht durch Ebola kommen, sagte Tatay. Krank sind sie aber trotzdem: „Staatliche Hilfe wird immer solche Lücken lassen.“
Letztlich müssten internationale Helfer die Wünsche und Entscheidungen der Gemeinden respektieren. Ärzte ohne Grenzen setzt beispielsweise zunehmend auf dezentrale Behandlungszentren bei Ebola, so nah wie möglich an den Dörfern. Zum Punkt Entscheidungsfreiheit kam allerdings Widerspruch von der ugandischen Expertin: „Bei Ebola gibt es keine Wahl mehr.“
Auch die Bundeswehr war auf dem Podium vertreten. Generalarzt Dr. Hans-Ulrich Holtherm warb dafür, „ideologische Grenzen zu überwinden.“ Die Armee könne die humanitäre Hilfe unterstützen, etwa durch mobile Labors, Flugzeuge und indem sie sichere Zonen für die Helfer schaffe. Die Bundeswehr war in der Vergangenheit 3 Mal im Kongo im Einsatz, derzeit allerdings nicht.
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Diesen Artikel so zitieren: Globale Gesundheit am Beispiel Ebola im Kongo: „Die Kinder dort sterben viel eher an Masern und Malaria“ - Medscape - 31. Okt 2019.
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