Neues Konsensus-Papier veröffentlicht: Krebs und Bewegung – das sollten Ärzte in der Praxis berücksichtigen

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

28. August 2019

Krebs kann man immer besser behandeln. Die Heilungsraten sind in den letzten Jahren stark gestiegen, in Deutschland leben 4 Millionen Menschen, die eine Krebserkrankung überstanden haben. Doch die Krebstherapie hinterlässt Spuren: Überlebende leiden häufig an Erschöpfung, Schmerzen, Schlafstörungen, Ängsten, Sorgen, Bewegungseinschränkungen und Polyneuropathien.

Dagegen gibt es ein Mittel. Studien zeigen, dass gezielte Bewegungstherapie physische, psychische und psychosoziale Einschränkungen positiv beeinflussen kann. In einem Konsensus-Papier haben internationale Experten jetzt jüngste Forschungsergebnisse zusammengefasst und Empfehlungen für Krebspatienten und Ärzte formuliert [1].

PD Dr. Joachim Wiskemann, Sportwissenschaftler und Leiter der Arbeitsgruppe Onkologische Sport- und Bewegungstherapie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist einer der Verfasser des Papiers.

Wie sinnvoll Bewegungstherapie nach überstandener Krebserkrankung wäre, sei längst noch nicht überall angekommen, sagt Wiskemann im Gespräch mit Medscape und ergänzt: „Meiner Erfahrung nach wissen das noch viel zu wenige Patienten, Ärzte und Pflegekräfte.”

Zwar bessere sich das kontinuierlich, doch das Wissen in der Breite fehle. „Und selbst wenn das Wissen vorhanden ist: Meist führt das zu keinen Konsequenzen. Beispielsweise wissen Ärzte nicht, wie sie die Patienten beraten sollen bzw. zu wem sie die Patienten schicken sollen. Die Patienten wiederum haben ein ähnliches Problem: Sie finden keine Angebote oder Experten, die sie adäquat versorgen können”.

Bewegungstherapie ist fast immer sinnvoll

Jeder Krebsüberlebende sollte Inaktivität vermeiden; Bewegungstraining und Bewegungstests sind generell sicher, schreiben die Autoren des Konsensus-Papiers. Es lägen genügend Beweise vor, dass individuelle Dosen von Ausdauertraining, Widerstandstraining oder eine Mischung aus beidem krebsassoziierte Beeinträchtigungen wie Angst, depressive Symptome, Müdigkeit, körperliche Funktionen und Lebensqualität verbessern können.

 
Wir können selbst Patienten mit instabilen Knochenmetastasen mit personalisierten Trainings- und Therapieplänen ein Krafttraining anbieten mit dem Ziel, dass die Muskulatur rund um die betroffenen Knochenstrukturen gestärkt werden. PD Dr. Joachim Wiskemann
 

Wie sich Bewegungstraining auf andere Beeinträchtigungen, etwa periphere Neuropathien und kognitive Funktionen auswirkt, weiß man derzeit aber nicht.

Bewegungstherapie nach überstandener Erkrankung ist für alle Patienten sinnvoll bestätigt Wiskemann: „Das gilt für alle Patienten. Mit minimalen Ausnahmen wie beispielsweise bei einer akuten Infektion oder Thrombosen. Wir können selbst Patienten mit instabilen Knochenmetastasen mit personalisierten Trainings- und Therapieplänen ein Krafttraining anbieten mit dem Ziel, dass die Muskulatur rund um die betroffenen Knochenstrukturen gestärkt werden. Das muss natürlich individualisiert und unter therapeutischer Aufsicht geschehen.”

Das Konsensuspapier enthält auch eine Liste krebsbezogener Gesundheitsbeeinträchtigungen, darunter Angst, depressive Symptome, Fatigue, Lymphödeme, Lebensqualität, bei denen Bewegung einen deutlichen therapeutischen Nutzen bringt.

Die Autoren geben Empfehlungen für einzelne Krebsarten, differenzieren die Bewegungsintervention nach Ausdauer- und/ oder Krafttraining, nach Intensität, Dauer und Frequenz der Trainingseinheiten.

Hilft Sport auch gegen Polyneuropathie? Studien dazu laufen

„Bei krebsbedingten Beschwerden, die die Knochendichte oder den Schlaf betreffen, gibt es Hinweise, dass ein körperliches Training die Symptome mildern kann. Wir können jedoch noch keine detaillierten Trainingsempfehlungen auf der aktuellen wissenschaftlichen Grundlage geben”, sagt Wiskemann.

Auch das Wissen zu kardiotoxischen Nebenwirkungen der Krebsbehandlung wie beispielsweise Herzinsuffizienz, zu Polyneuropathie, Schmerzen oder Übelkeit ist begrenzt. Um die Wirksamkeit von Bewegungstherapie zu prüfen, sei weitere Forschung nötig, sagt der Experte und fügt hinzu: „Wir selbst verfolgen mit Hochdruck Projekte zur Polyneuropathie wie die PIC-Studie und zur Kardiotoxizität – dazu laufen Subprojekte in verschiedenen Studien. Nationale und internationale Gruppen sind an diesen Themen ebenso dran.”

Die Empfehlungen der Expertenkommission richten sich an Patienten und alle, die in die Betreuung von onkologischen Patienten eingebunden sind. Wiskemann wird sich gemeinsam mit dem Deutschen Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie e. V. (DVGS) dafür einsetzen, die Versorgung von Krebspatienten durch flächendeckende Bewegungsangebote in der Nachsorge zu verbessern.

 
Bei krebsbedingten Beschwerden, die die Knochendichte oder den Schlaf betreffen, gibt es Hinweise, dass ein körperliches Training die Symptome mildern kann. PD Dr. Joachim Wiskemann
 

„Wir wollen unter anderem mit Strukturen wie OnkoAktiv den Zugang zu betreuten Bewegungsinterventionen erleichtern und mehr Sportgruppen mit spezifisch geschulten Trainern aufbauen. Letztendlich sollte ein individuell angepasstes Bewegungstraining Teil jedes Nachsorgeplans für Krebspatienten sein", erklärt Wiskemann.
 

Kommentar

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