Wer mit Optimismus in die Zukunft blickt, ist deutlich besser vor kardiovaskulären Erkrankungen und frühzeitigem Tod geschützt als ein Pessimist. Dieses Ergebnis einer Metaanalyse eines Forscherteams um Prof. Dr. Alan Rozanski vom Mount Sinai Hospital, New York, USA [1]. Dies lässt sich nach Ansicht der Wissenschaftler zur Vorbeugung nutzen: durch Anleitung zu einer Denkweise im Sinne der Positiven Psychologie.
Empirische Studien zeigen seit langem: Menschen mit einer optimistischen Lebenseinstellung meistern Herausforderungen – ob in Beruf, Schule, Sport, Politik oder sozialen Beziehungen – erfolgreicher als jene, die befürchten, dass etwas schiefläuft.
Weiterhin seien sie gesundheitlich robuster, erläutert das Forscherteam Rozanski. Zum Beispiel erkranken sie seltener an Herzinsuffizienz, kognitiver Dysfunktion, Atemwegsinfekten oder manchen Krebsformen. Solche Erkenntnisse sind für die Präventivmediziner von Interesse, weil sie davon ausgehen, eine pessimistische Haltung zumindest abschwächen zu können.
Die erste systematische Analyse zu Herz und Optimismus
„Unsere Metaanalyse ist unseres Wissens die erste, die systematisch die Assoziation zwischen Optimismus und klinischen Befunden zu Herz-Kreislauferkrankungen untersucht hat“, schreiben der Kardiologe Rozanski und seine Mitarbeiter.
Dafür hatten sie in den Datenbanken PubMed, Scopus und PsycINFO 15 geeignete Kohortenstudien gefunden, publiziert zwischen 2001 bis 2017 – alle prospektiv außer einer. 8 stammten aus den USA, 5 aus Europa, je eine aus Israel und Australien.
Insgesamt waren rund 230.000 Erwachsene aller Altersstufen befragt worden, meist mit dem Life Orientation Test–Revised. Damit lässt sich mit wenig Aufwand anhand von 10 Fragen das individuelle Ausmaß von Optimismus und Pessimismus ermitteln. Die Testpersonen schätzen dabei ihre Denkweise auf einer 5-stufigen Skala ein. Die Beobachtungszeit erstreckte sich über 2 bis 40 Jahre, im Mittel knapp 14.
Kardiovaskuläres Risiko von Optimisten 35 Prozent niedriger
Die Berechnungen ergaben, dass Optimisten ein um 35% vermindertes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse haben, definiert als Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankung, nicht-tödlichen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Beginn einer Angina pectoris (relatives Risiko 0.65).
Ebenfalls signifikant reduziert, und zwar um 14%, war die Wahrscheinlichkeit für Mortalität aus jeglicher Ursache (relatives Risiko 0,86). Selbst Subgruppenanalysen änderten daran nichts, also getrennte Auswertungen etwa nach Testverfahren, Beobachtungsdauer, Geschlecht, sportlicher Aktivität oder Vorliegen einer Depression.
Dabei berichten fast alle Studien über einen linearen Zusammenhang: Je ausgeprägter die Zuversicht, desto geringer die Risiken.
Optimisten treiben eher Sport und ernähren sich gesund
Über welche Mechanismen könnte die Geistesverfassung das Herz schützen oder gefährden? Auf ähnliche Weise wie sozioökonomische Risikofaktoren, spekulieren die Wissenschaftler.
Zum einen indirekt: Ähnlich wie Menschen der oberen Gesellschaftshierarchie pflegen Optimisten eher Verhaltensweisen, die Herz und Kreislauf fit halten, während Schwarzseher dazu neigen, ihre Gesundheit zu vernachlässigen. So fand etwa die Women’s Health Initiative, dass optimistische Frauen sich besser ernähren und häufiger langfristig Sport treiben.
Zum anderen kann die Gemütslage direkt wirken, und zwar über physiologische Reaktionen. Belegt ist der Einfluss auf Mediatoren chronischer Krankheiten wie Entzündungen, auf Homöostase, Endothel- und Stoffwechselfunktion, Telomerase-Aktivität und Telomeren-Länge, Blutdruck und den Regelkreis des Stresshormons Kortisol.
Anleitung zum positiven Denken – in Zukunft ein Teil der Reha?
„Rozanski und seine Kollegen haben eine sorgfältige und umfassende Metaanalyse vorgelegt“, stellt Prof. Dr. Jeff C. Huffman in einem Kommentar zur Arbeit anerkennend fest [2]. Für den Psychiater am Massachusetts General Hospital in Boston, USA, ist offensichtlich: Das psychische Befinden beeinflusst die Gesundheit, besonders von Herz und Kreislauf, ähnlich stark wie etablierte Risikofaktoren.
Die Autoren ihrerseits ziehen den Schluss, dass die Lebenseinstellung eine Stellschraube auch für die Innere Medizin darstellt: „Die Metaanalyse spricht dafür, Klinikpatienten Interventionen anzubieten, die Pessimismus vermindern und Optimismus fördern.“
In der Rehabilitation oder in ambulanten Gruppen könnten kognitive Verhaltenstherapie und Techniken der Positiven Psychologie den Teilnehmern zu einer geistigen Neuorientierung verhelfen. Zur Diagnostik wäre es jedoch wichtig, sich auf einen Test zu einigen, da in den Studien große Uneinheitlichkeit herrschte. Wegen seiner Kürze empfehlen die Wissenschaftler fürs Screening den Life Orientation Test–Revised.
Die Positive Psychologie verringert die Rate vorzeitiger Todesfälle
Die Frage sei allerdings, inwieweit negative Erwartungen sich durch eine Intervention aufbrechen lassen, wendet Kommentator Huffman ein. Schwierig wäre es, wenn sie weitgehend in der Natur eines Menschen liegen. Gerade der Life Orientation Test–Revised beruhe auf der Auffassung, dass es sich um einen ziemlich stabilen Charakterzug handle.
Dagegen wäre eine Veränderung denkbar, wenn die pessimistische Sichtweise vorwiegend eine angeeignete Gewohnheit ist. Diese Hypothese wird gestützt durch das konsistente Ergebnis von Metaanalysen, wonach Methoden der „Positiven Psychologie“ tatsächlich negative Affekte abbauen und Wohlbefinden verstärken, sogar bei kranken Menschen. Das wiederum ist mit verringerter Mortalität und gesundheitlichen Vorteilen korreliert.
Huffman schlägt vor, mit Longitudinal-Studien neuere Techniken zu testen wie den Tagebuch-artigen Selbstbericht (ecological momentary Assessment, EMA) oder den positiven Tagesrückblick. Außerdem sollte untersucht werden, weiterhin, wie sich das verbesserte Befinden auf nachgeschaltete Parameter auswirkt, etwa Biomarker oder sportliche Aktivität.
Positive Psychologie
Die Positive Psychologie widmet sich der Frage, was dem Leben Wert verleiht. Sie geht von der Annahme aus, dass Menschen ein tiefes Bedürfnis haben, sinnerfüllt zu leben und ihre guten Seiten zu entwickeln. Damit wendet sie sich ausdrücklich nicht nur an Patienten mit psychischen Schwierigkeiten, sondern an all jene, die ihre Potentiale entfalten möchten. „Aufblühen“ (to flourish) lautet ein zentrales Schlagwort.
Einzeln oder in Gruppen werden Interessierte angeleitet, angenehme Gefühle bewusst wahrzunehmen, ihre Ressourcen zu erweitern, Stärken zu erkennen und einzusetzen. Weitere Ziele sind Steigern von Bindung und Kommunikation durch aktives Zuhören, Aufbrechen negativer Gedankenschleifen, Stressbewältigung, Herunterschrauben von Ansprüchen, Empfinden von Dankbarkeit. Letztlich sollen sich beruflicher Erfolg, privates Glück und Wohlbefinden erhöhen.
Bekannt wurde dieses Konzept durch Prof. Dr. Martin Seligman von der Universität Pennsylvania, USA. Kurz vor der Jahrtausendwende propagierte er eine Erweiterung der Psychologie, die sich bisher primär Defiziten und Störungen gewidmet habe.
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Diesen Artikel so zitieren: Überlebensfaktor Optimismus: Positiv Denkende haben ein deutlich vermindertes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse - Medscape - 29. Okt 2019.
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