MEINUNG

Krebs überlebt – Herz kaputt: Patienten mit Insuffizienz nach Chemotherapie hilft eine Resynchronisationstherapie 

PD Dr. Georgia Schilling

Interessenkonflikte

9. Dezember 2019

KHK und Herzinsuffizienz sind häufige Langzeitfolgen einer Chemotherapie, etwa mit Anthrazyklinen. PD Dr. Georgia Schilling erklärt, wie Kardiologen diesen Patienten helfen können.  

Transkript des Videos von PD Dr. Georgia Schilling:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Georgia Schilling. Ich bin Chefärztin der Abteilung für Onkologische Rehabilitation in der Nordsee-Klinik Westerland auf Sylt und leitende Oberärztin im Asklepios-Tumorzentrum in Hamburg.

Ich habe Ihnen einen Artikel aus dem JAMA vom 12. November 2019 von einer Arbeitsgruppe aus der Harvard Medical School in Boston mitgebracht, den ich sehr beachtenswert fand. In der Studie geht es um die Wirkung der kardialen Resynchronisation auf die linksventrikuläre Ejektionsfraktion bei Patienten mit Chemotherapie-induzierter Kardiomyopathie, die seit Neuestem mit CHIC abgekürzt wird.

Hintergrund

Chemotherapeutika, vor allem Anthrazykline, verursachen akute und chronische kardiovaskuläre Komplikationen. Diese zählen zu den Hauptursachen der nicht krebsassoziierten Mortalität. Das ist also eine bedeutsame Nebenwirkung.

Im Vergleich zu gesunden Geschwistern entwickeln Krebs-Langzeitüberlebende mit einer etwa 10-fach höheren Wahrscheinlichkeit eine koronare Herzkrankheit (KHK) und mit einer etwa 15-fach höheren Wahrscheinlichkeit eine Herzinsuffizienz.

 
Im Vergleich zu gesunden Geschwistern entwickeln Krebs-Langzeitüberlebende mit einer etwa 10-fach höheren Wahrscheinlichkeit eine koronare Herzkrankheit PD Dr. Georgia Schilling
 

Wir wissen, dass eine Anthrazyklin-haltige Chemotherapie das Risiko für ein kongestives Herzversagen und andere vaskuläre Erkrankungen auf das 2- bis 3-Fache erhöht. Wir müssen uns also mit diesen Patienten beschäftigen.

Die Chemotherapie-induzierte Kardiomyopathie ist durch eine sehr eingeschränkte Lebensqualität der Patienten und sehr schlechte klinische Outcomes charakterisiert. Vor allem, wenn es sich um eine Kardiomyopathie mit einem verbreiterten QRS-Komplex handelt. Diese Form zeichnet sich durch eine besonders schlechte Prognose aus.

Eine Möglichkeit, die kardiale Funktion in einer solchen Situation zu verbessern, bietet eine so genannte Resynchronisationstherapie. Hierbei wird ein Device eingebaut, das die Kontraktilität des Herzens, die bei der Kardiomyopathie verloren geht, wieder verbessert.

MADIT-CHIC-Studie

Die Studie, die ich Ihnen vorstellen möchte, war leider unkontrolliert, das ist ein Haken. Sie war aber prospektiv an einer kleinen Patientengruppe durchgeführt worden. Eingeschlossen waren Patienten aus 12 amerikanischen Krebszentren, die auch kardioonkologische Programme haben. In diesem Punkt sind uns die Amerikaner wieder voraus.

Alle Patienten wiesen eine eingeschränkte linksventrikuläre Funktion unter 35% auf. Sie mussten bei Einschluss einen Sinusrhythmus, einen Linksschenkelblock, eine QRS-Verbreiterung und klinisch ein NYHA-Stadium II – IV, also eine manifeste Herzinsuffizienz, aufweisen.

Nach Implantation des Devices, das aus einer Schrittmacher-Defibrillator-Kombination bestand, wurden die Patienten 6 Monate nachbeobachtet.

Primärer Endpunkt war die Verbesserung der linksventrikulären Ejektionsfraktion nach 6 Monaten. Die linksventrikuläre Ejektionsfraktion wurde echokardiographisch gemessen.

Im Median lag die initiale Therapie der Patienten fast 14 Jahre zurück. Es konnten immerhin 30 Patienten eingeschlossen werden, davon waren 87% Frauen, hierunter wiederum hatten 73% ein Mammakarzinom und 20% ein Hodgkin-Lymphom in der Anamnese. 83% der Patienten hatten eine Anthrazyklin-haltige Chemotherapie erhalten.

Die Autoren haben natürlich andere Ursachen für eine reduzierte linksventrikuläre Funktion ausgeschlossen. Man wollte die Herzinsuffizienz also auf die Chemotherapie zurückgeführt haben.

Resynchronisationstherapie bessert LVEF

Nach der Resynchronisationstherapie war nach 6 Monaten bei signifikant mehr Patienten die linksventrikuläre Funktion verbessert, und zwar von 28 auf 39%.

Unerwünschte Ereignisse waren 1 Pneumothorax bei Implantation des Devices, 1 Schrittmachertaschen-Infektion und 1 stationäre Aufnahme wegen einer klinisch manifesten Herzinsuffizienz.

Dies ist ein vielversprechendes Ergebnis. Man kann den Patienten helfen, denen sonst trotz ihrer Klinik medikamentös nicht zu helfen ist.

Aber: Die Fallzahl war klein, es gab keine Kontrollgruppe und das Follow-up von 6 Monaten ist natürlich extrem kurz. Außerdem waren nicht alle Patienten mit einem Anthrazyklin behandelt worden, es waren auch andere Chemotherapien erlaubt. Zudem sind ganz unterschiedliche Entitäten in die Studie eingegangen. Also eine Studie mit kleinen Haken.

 
Auf jeden Fall zeigt die Studie, dass die Resynchronisationstherapie ein vielversprechender Ansatz ist. PD Dr. Georgia Schilling
 

Was lernen wir daraus, was können wir mitnehmen?

Auf jeden Fall zeigt die Studie, dass die Resynchronisationstherapie ein vielversprechender Ansatz ist. Aber wir sollten uns am Vorbild der Pädiater orientieren. Sie haben große Netzwerke in Deutschland geschaffen und ihre Patienten – die Childhood Cancer Survivors – wesentlich stringenter nachbeobachtet. Außerdem haben sie Leitlinien entwickelt, die vorgeben, wie die Nachsorge bei den Patienten im Langzeitverlauf aussehen soll.

Bei der steigenden Zahl von Erwachsenen, die nach Krebs lange Zeit überleben, ist es zunehmend wichtig, entsprechende Leitlinien zu erarbeiten und die Behandlung zu standardisieren. Aber auch die Patienten zu identifizieren, die nach der Chemotherapie ein höheres Risiko haben, kardiovaskuläre Erkrankungen zu erleiden.

Meiner Meinung nach muss unser Weg dahin gehen. Ob wir kardioonkologische Zentren brauchen, möchte ich mal so in die Diskussion werfen. Auf jeden Fall ist es aber nötig, sehr eng mit den Kardiologen zusammenzuarbeiten, weil es sich um eine relevante Anzahl von Patienten handelt, die kardiovaskuläre Ereignisse aufgrund einer Chemotherapie erleiden. Hier lohnt sich die Zusammenarbeit mit den Kardiologen und es lohnt sich auch, weitere Studien zu starten.

In diesem Sinne – ganz herzlichen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.
 

Kommentar

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