MEINUNG

Herzcheck am Handgelenk: Große Studie zeigt die Schwierigkeiten auf, wenn jeder mit der Smartwatch nach Vorhofflimmern sucht

PD Dr. Nikolaus Sarafoff

Interessenkonflikte

18. November 2019

Die Apple-Heart-Study sorgte auf dem AHA-Kongress in Philadelphia, USA, für Diskussionen. PD Dr. Nikolaus Sarafoff, erläutert die Für und Wider des Vorhofflimmer-Screenings am Handgelenk.

Transkript des Videos:

Mein Name ist Nikolaus Sarafoff und ich bin Kardiologe in München.

Ich möchte heute eine Studie zur Detektion von Vorhofflimmern mit dem optischen Sensor der Apple Watch vorstellen. Die Arbeit wurde gerade am AHA-Kongress in Philadelphia, USA, vorgestellt und im NEJM publiziert.

Vorhofflimmern ist häufig asymptomatisch und kann erst mit dem Auftreten von embolischen Ereignissen wie Schlaganfällen klinisch bemerkt werden. Deswegen ist es von Interesse sogenanntes stilles Vorhofflimmern bei Patienten mit erhöhtem CHA2DS2-VASc-Score zu detektieren.

Es gibt viele technische Hilfsmittel für das Handgelenk wie zum Beispiel „smartwachtes“, die im Alltag über einen optischen Sensor den Puls messen können. Bei unregelmäßigen Pulswellen kann man mit Hilfe spezieller Algorithmen Vorhofflimmern detektieren.

Die Apple Heart Study hat das Ziel, mit Hilfe des irregulären Pulssignals der Apple Watch Patienten mit Vorhofflimmern zu identifizieren. Die Studie wurde von Apple gesponsort und Patienten konnten sich die kostenlose App im App Store herunterladen.

Einschlusskriterien waren unter anderem der Besitz einer Apple Watch sowie ein Alter über 22 Jahren. Patienten mit bereits diagnostiziertem Vorhofflimmern oder solche, die orale Antikoagulanzien einnahmen, wurden ausgeschlossen.

Patienten, bei denen die Uhr einen unregelmäßigen Puls gemessen hatte, wurden daraufhin benachrichtigt. Sie erhielten dann nach einem Videointerview mit einem Studienarzt ein EKG-Patch, das sie für 7 Tage tragen sollten.

Ergebnisse

In einem Zeitraum von 8 Monaten wurden für die Studie knapp 420.000 Patienten rekrutiert. Das Alter der Patienten lag im Mittel bei 41 Jahren. 2161 Teilnehmer bekamen eine Mitteilung über einen irregulären Puls. Diese Patienten waren mit 57 Jahren deutlich älter.

 
2161 Teilnehmer (von 420.000) bekamen eine Mitteilung über einen irregulären Puls. PD Dr. Nikolaus Sarafoff
 

450 Teilnehmer aus der Patientengruppe mit einem irregulären Pulssignal führten daraufhin die Messung mit dem EKG-Patch durch. Bei einem Drittel dieser Patienten diagnostizierte man so Vorhofflimmern oder Vorhofflattern.

Bei Patienten, die ein EKG-Patch trugen, zeigte sich ein positiv prädiktiver Wert von 0,71 für ein irreguläres Tachogramm und zeitgleiches Auftreten von Vorhofflimmern.

Es ist aktuell aber unklar, ob in diesem Kollektiv das Schlaganfallrisiko auch anhand des CHA2DS2-VASc-Scores bestimmt werden kann. Und wann bei Patienten aus der Apple Heart Studie eine gerinnungshemmende Therapie initiiert werden sollte.

Diese Studie ist aus vielerlei Gründen interessant. Zum einen zeigt sie die Möglichkeit, mit dieser Technologie und großzügigen Einschluss- und wenigen Ausschlusskriterien in kurzer Zeit eine sehr große Zahl an prinzipiell gesunden, aber neugierigen Teilnehmern einzuschließen.

Gleichzeitig war das Follow-up aber suboptimal, da viele Teilnehmer, die eine Nachricht für einen irregulären Puls erhielten, nicht weiter an der Studie teilnahmen oder anschließend kein EKG durchführten.

Datenschutz-Problematik

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage, was mit diesen Gesundheitsdaten passiert. Das Interesse eines der größten internationalen Konzerne ist ja prinzipiell wirtschaftlicher Natur, während medizinische Institutionen ein Interesse an der Gesundheit von Patienten haben.

Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass sensible Daten wie Passwörter oder private Bilder bei Hackerangriffen von großen Cloudservern geklaut und öffentlich gemacht wurden.

Wenn sensible Gesundheitsdaten an die Öffentlichkeit gelangen oder an gewerbliche Partner weitergegeben werden, ist dies nicht im Interesse des Patienten. Im milliardenschweren Medizinmarkt kann Missbrauch damit betrieben werden. Der Datenschutz wäre hier also von oberster Priorität, wird aber auf der Welt unterschiedlich gehandhabt.

Fazit

 
Der Datenschutz ist hier von oberster Priorität, wird aber auf der Welt unterschiedlich gehandhabt. PD Dr. Nikolaus Sarafoff
 

Zusammenfassend zeigt die Apple Heart Study, dass nur sehr wenig Patienten eine Nachricht über einen irregulären Puls bekommen haben. Ein Drittel der Patienten, die dann ein EKG-Patch trugen, zeigten dann im weiteren Verlauf Vorhofflimmern und der positive prädiktive Wert für das irreguläre Tachogramm lag bei 0,71.

Weitere Studien sind erforderlich, um den klinischen Nutzen und die datenschutzrechtlichen Risiken dieser neuen, weit verbreiteten und leicht erreichbaren Technologien zu untersuchen.

Mein Name ist Nikolaus Sarafoff aus München und ich freue mich, sie bald wieder hier bei Medscape begrüßen zu dürfen.
 

Kommentar

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