Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat bei seinem Meeting in der Woche vom 14. bis 17. Oktober 2019 insgesamt 7 neue Arzneimittel zur Zulassung empfohlen, darunter den ersten Ebola-Impfstoff und das erste nasal zu verabreichende Glukagon-Präparat gegen Hypoglykämien [1].
Ablehnende Stellungnahmen gab es zu einem Präparat für Alkoholabhängige und zu einem neuen Medikament gegen akute myeloische Leukämie. In 4 Fällen wurde bei bereits zugelassenen Arzneimitteln die Indikation erweitert.
Ebola: Positives Votum für Vakzine
Die spektakulärste Neu-Zulassung ist sicher der Ebola-Impfstoff. CHMP-Vertreter sprachen sich für eine bedingte Zulassung von Ervebo® (rVSVΔG-ZEBOV-GP) aus, dem ersten Impfstoff zur aktiven Immunisierung von Personen ab 18 Jahren in Risikogebieten.
„Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Last dieser tödlichen Krankheit zu lindern“, so Prof. Dr. Guido Rasi, Executive Director der EMA, in einer Pressemeldung. „Die Empfehlung des CHMP ist das Ergebnis langjähriger, globaler Zusammenarbeit bei der Suche und Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe gegen Ebola. Die Gesundheitsbehörden in den betroffenen Ländern benötigen sichere und wirksame Medikamente, um wirksam auf Ausbrüche reagieren und Leben retten zu können.“
In der Vergangenheit schwankte die Mortalität bei Ebola zwischen 25% und 90%. Der bisher größte Ausbruch führte zwischen 2014 und 2016 in Westafrika zu mehr als 11.000 Todesfällen. Beim derzeitigen Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo wurden mehr als 3.000 Menschen infiziert – bei einer Mortalität von 67%. Im Juli 2019 rief die WHO deswegen einen „Notfall von internationaler Bedeutung“ aus.
Bisher gibt es – von diversen Studien abgesehen – keine Möglichkeit zur Prävention. Diese Lücke könnte Ervebo®, ein gentechnisch veränderter, replikationskompetenter, attenuierter Lebendimpfstoff, schließen.
Ervebo® wurde in klinischen Studien mit rund 16.000 Personen getestet – speziell in Afrika, aber auch in den USA und in Europa. Die Vakzine erwies sich als sicher und immunogen. Sie war in Untersuchungen auch gegen das Zaire-Ebola-Virus wirksam.
Erste Daten deuten darauf hin, dass es auch bei dem aktuellen Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo vor Infektionen schützt. Zusätzliche Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten sollen nun im Rahmen des Expanded Access Protocol erhoben und regelmäßig ausgewertet werden.
Vom CHMP erhielt der Impfstoff ein positives Votum nur für eine bedingte Marktzulassung, da weitere Informationen zum Herstellungsprozess erst in den kommenden Monaten eingereicht werden. Dieses beschleunigte Verfahren wurde angesichts der Notlage im Kongo als angemessen erachtet.
Erstes nicht injizierbares Arzneimittel bei Hypoglykämien
Grünes Licht erteilte der CHMP auch Baqsimi® (Glukagon) als erstem intranasalem Medikament zur Behandlung schwerer Hypoglykämien bei Kindern ab 4 Jahren und bei Erwachsenen.
Glukagon erhöht bekanntlich als Insulin-Gegenspieler den Blutzuckerspiegel im Körper, indem es die Leber stimuliert, gespeicherte Glukose in den Blutkreislauf freizusetzen.
Derzeit ist injizierbares Glukagon die einzige Behandlungsoption bei niedrigen Blutzuckerwerten außerhalb eines Krankenhauses oder einer Arztpraxis. Patienten müssen die Anwendung trainieren, um Glukagon selbst subkutan oder intramuskulär zu spritzen.
Baqsimi® enthält Glukagon in einer neu entwickelten galenischen Formulierung. Das Medikament wird in einem gebrauchsfertigen Einwegspender geliefert. Ärzte, Pflegekräfte oder auch Patienten selbst – soweit sie noch bei Bewusstsein sind – verabreichen das Präparat über die Nase. Dabei muss nicht tief eingeatmet werden, so dass sogar die Gabe bei bewusstlosen Patienten möglich ist.
Die Wirksamkeit und Sicherheit wurde in 2 Studien an 83 bzw. 70 Erwachsenen mit Diabetes und Insulin-induzierter Hypoglykämie untersucht. Baqsimi® erhöhte den Blutzuckerspiegel innerhalb von 30 Minuten nach der Applikation auf ein normales Maß und erwies sich als vergleichbar effizient und sicher wie injiziertes Glukagon. In einer pädiatrischen Studie mit 48 Patienten im Alter ab 4 Jahren mit Typ-1-Diabetes wurden ähnliche Ergebnisse beobachtet.
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Reizungen der oberen Atemwege, tränende Augen, Rötungen der Augen und Juckreiz.
In seiner Stellungnahme empfiehlt der CHMP zusätzliche Maßnahmen, um das Risiko einer unsachgemäßen Anwendung zu vermeiden. Dazu gehören ein Demonstrationskit mit einem wirkstofffreien Trainingsgerät, eine Broschüre und ein Anleitungsvideo. Das Demonstrationskit soll in erster Linie an Ärzte verteilt, aber auf Anfrage auch Patienten und Pflegekräften zur Verfügung gestellt werden.
Depressionen, Neutropenien, Osteoporose: Weitere positive Empfehlungen
Quofenix® (Delafloxacin) erhielt vom CHMP eine positive Stellungnahme zur Behandlung von akuten bakteriellen Haut- und Hautstruktur-Infektionen bei Erwachsenen, falls Ärzte die Verwendung anderer antibakterieller Wirkstoffe als ungeeignet erachten.
Der Ausschuss empfahl zudem, die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Rinvoq® (Upadacitinib) zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zu erteilen.
Spravato® (Esketamin) erhielt eine positive Stellungnahme zur Kombinationsbehandlung bei Erwachsenen mit therapieresistenter Major Depression.
Das Biosimilar Pegfilgrastim® (Pegfilgrastim, Mundipharma), mit dem die Dauer einer Neutropenie und die Inzidenz fieberhafter Neutropenien im Zuge einer Chemotherapie verringert werden sollen, wurde vom Ausschuss ebenfalls positiv bewertet.
Der CHMP sprach sich zudem für die Zulassung von Evenity® (Romosozumab) aus, einem monoklonalen Antikörper zur Behandlung von postmenopausalen Frauen mit schwerer Osteoporose und hohem Frakturrisiko. Im Juni 2019 war zunächst - aus Sicherheitsgründen wegen eines eventuell erhöhten kardiovaskulären Risikos unter der Therapie - eine negative Stellungnahme abgegeben worden. Nach erneuter Prüfung aller Daten wurde jetzt das positive Votum veröffentlicht. Zusätzliche Maßnahmen und Studien sind vorgesehen, um die sichere Anwendung zu gewährleisten.
AML, Alkoholabhängigkeit: Negative Stellungnahmen zu Arzneimitteln
Der CHMP sprach sich gegen eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Hopveus® (Natriumoxybat) aus. Das Arzneimittel sollte zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit bei Patienten angewendet wird, bei denen andere Therapien nicht wirksam oder nicht möglich sind. „Obwohl einige der vorgelegten Studien darauf hinwiesen, dass das Arzneimittel bei der Behandlung wirksam sein könnte, wurde dies nicht schlüssig nachgewiesen“, schreibt der CHMP. Darüber hinaus habe es Bedenken wegen des Missbrauchspotenzials gegeben.
Vanflyta® (Quizartinib) erhielt ebenfalls ein negatives Votum. Das Medikament sollte zur Behandlung von Erwachsenen mit akuter myeloischer Leukämie angewendet wird. Dazu schreibt der Ausschuss: „Obwohl die Ergebnisse der Hauptstudie eine marginale Verbesserung des Gesamtüberlebens bei Patienten unter Vanflyta® zeigten, wies die Studie erhebliche Einschränkungen auf, so dass die Wirksamkeit von Vanflyta® nicht ausreichend nachgewiesen werden konnte.“
Erweiterung der therapeutischen Indikation
Der Ausschuss empfahl bei Darzalex® (Daratumumab; ein humaner monoklonaler Antikörper zur Therapie maligner hämatologischer Erkrankungen), Kalydeco® (Ivacaftor; ein Wirkstoff zur Therapie von Mukoviszidose bei bestimmten Mutationen im CFTR-Gen), Keytruda® (Pembrolizumab; ein humanisierter monoklonaler Antikörper zur Behandlung verschiedener Tumoren) und Toujeo® (Insulin glargin; ein lang wirkendes Insulinanalogon) Erweiterungen der bestehenden Zulassung.
Bei Revolade® (Eltrombopag; ein Thrombopoetin-Rezeptor-Agonist zur Therapie der Idiopathischen thrombozytopenischen Purpura) und Translarna® (Ataluren; ein Wirkstoff zur Therapie der Muskeldystrophie Duchenne) wurden entsprechende Anträge der Hersteller nach nochmaliger Überprüfung abgelehnt.
Rücknahme von Anträgen durch pharmazeutische Hersteller
Die Anträge auf Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Ekesivy® (Diclofenamid) und Nuzyra® (Omadacyclin) wurden zurückgezogen. Ekesivy® war zur Behandlung einer seltenen Muskelstörung vorgesehen. Und Nuzyra® sollte bei ambulant erworbener bakterieller Lungenentzündung und bakteriellen Infektionen der Haut und der Hautstrukturen eingesetzt werden.
Ein Antrag auf Zulassung von Xyndari® (Glutamin) zur Behandlung der Sichelzellenkrankheit wurde ebenfalls vom Hersteller widerrufen. Der CHMP veröffentlichte bereits im Mai 2019 eine negative Stellungnahme zu diesem Arzneimittel.
Medscape Nachrichten © 2019 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: EMA: 7 Zulassungsempfehlungen – der erste Ebola-Impfstoff und Glukagon als Spray - Medscape - 18. Okt 2019.
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