München – Sind Klinik-Fusionen und MVZ-Ketten in Investoren-Hand Gift für den Wettbewerb? Und behindert das Kartellamt mit seinen Einsprüchen eine vernünftige medizinische Versorgung? Oder ist der Markt für medizinische Versorgung gar kein Markt wie jeder andere?
Über diese Fragen gingen die Ansichten beim Europäischen Gesundheitskongress in München auseinander. Dr. Claus-Uwe Gretscher, Vorstandsvorsitzender der Kliniken Südostbayern AG, bezweifelte, ob eine beherrschende Stellung im Markt generell ein Grund sei sollte, eine Fusion zu verbieten.
Jörg Hoffmann dagegen, Geschäftsführer der KV Hessen, wünschte sich in Hinblick auf manche MVZ-Ketten mehr Kontrolle. Denn gerade Medizinische Versorgungszentren würden oft von Investoren geführt, die kein medizinisches Interesse hätten, sagte Hoffmann.
Monopol-Kommission empfiehlt mehr Möglichkeiten für das Kartellamt
„Es ist ein dickes Brett, Solidarität und Wettbewerb auszutarieren“, räumte Prof. Dr. Achim Wambach ein, Vorsitzender der Monopol-Kommission. Die Monopol-Kommission berät die Bundesregierung in ihrer Wettbewerbspolitik. So sei es in Ordnung, wenn ein Unternehmen marktmächtig sei, erklärte Wambach. „Aber es darf diese Stellung nicht ausnutzen, das wäre Missbrauch.“
Gerade der Krankenhausmarkt mit seinem ohnehin eingeschränkten Qualitätswettbewerb müsse besser geschützt werden. Die Monopol-Kommission plädiert deshalb dafür, Kliniken als Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts zu behandeln. Denn dann kann das Kartellamt Fusionen in diesem Bereich früher prüfen.
Bisher wird das Amt bei Unternehmensfusionen ab einer Schwelle von 500 Millionen jährlichem Gesamtumsatz tätig. Folgte die Bundesregierung der Monopol-Kommission, sollte diese Grenze auf 167 Millionen Euro sinken.
Die Kliniken Südostbayern AG hätten dann womöglich gar nicht entstehen dürfen. Im Juni 2009 fusionierten 3 Krankenhäuser des Landkreises Traunstein-Trostberg und die 3 Häuser des Landkreises Berchtesgaden zu den Kliniken Südostbayern, einer kommunal getragenen Aktiengesellschaft. Einkauf, Beschaffungsplanung, Budgetverhandlungen und Investitionsplanung lägen seither in einer Hand, berichtet der Vorstandsvorsitzende Dr. Claus-Uwe Gretscher.
„Wir überschreiten zwar nicht die Summe von 500 Millionen Euro Jahresumsatz, aber wir haben eine marktbeherrschende Stellung in der Region“, sagte der Vorsitzende. „Wir versorgen 90 bis 100% der Bevölkerung.“ Die Frage „Kooperationspartner oder Konkurrent?“ ist im Südosten Bayerns damit entschieden.
Wären die Einrichtungen getrennt geblieben, so Gretscher, wäre es unweigerlich zu schweren Belastungen im Verhältnis der Häuser und deren Mitarbeiter gekommen. Er betonte zudem die gute Stellung der Kliniken Südostbayern in den Verhandlungen mit den Kassen und den Umstand, dass die Kliniken als kommunale Einrichtung keinen Kapitalinteressen folgten.
„Was ist denn das Problem mit Kapitalinteressen?“, konterte Wambach den Vortrag Gretschers. „Kapital ist nicht böse!“. Im Übrigen würde die dominante Stellung gegenüber den Kostenträgen genau das begünstigen, was das Kartellamt verhindern wolle: die Monopolbildung.
Wer steht hinter den MVZs?
Anders als Gretscher wünscht sich Jörg Hoffmann, Geschäftsführer der KV Hessen, mehr Wettbewerb und den Eingriff von Wettbewerbshütern bei den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Keine Praxis eines Niedergelassenen mache 500 Millionen Euro Umsatz im Jahr. „Um den durch Konzentration der Vertragsarzt-Sitze in MVZ entstehenden Problemen gerecht zu werden, müsste das SGB V ergänzt werden“, sagte Hoffmann.
Genehmigungen für ein MVZ sollten immer dann abgelehnt werden, wenn das MVZ eine marktbeherrschende Stellung erlangen würde. Denn in solchen Fällen hätten niedergelassene Ärzte in ihren Einzelpraxen oft keine Chancen mehr. Zwar dürfen derzeit nur Leistungserbringer ein MVZ gründen. Aber diese Regelung und die alleinige Beschränkung des Gründerkreises seien unzureichend, weil niemand wissen könne, ob hinter den Gründern unter Umständen eine Kapitalgesellschaft stehe.
„Da haben wir keinen Zugriff“, so Hoffmann. Welches Ziel ein Investor zudem verfolge, bleibe im Dunkeln. „Die Beschränkung des Gründerkreises ist ein stumpfes Schwert, solange Kapitalgesellschaften im Hintergrund unerkannt die Fäden in der Hand halten dürfen“, sagte Hoffmann. Den KVen unterdessen seien die Hände gebunden. „Wir haben kein Recht, nachzufragen, wer als Gesellschafter hinter den MVZ Betreibern steht.“
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Diesen Artikel so zitieren: Gesundheitsbranche quo vadis: Brauchen wir mehr Regulation bei Zusammenschlüssen oder mehr Freiheit im Markt? - Medscape - 15. Okt 2019.
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