Das individuelle Risiko für einen Typ-2-Diabetes wird von vielen Faktoren beeinflusst – offenbar auch von der Körpergröße. Kleinere Menschen erkranken proportional häufiger als größere Menschen. Das bestätigt eine Analyse der EPIC-Studie, die federführend vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) Potsdam-Rehbrücke durchgeführt wurde [1].

Prof. Dr. Matthias B. Schulze
Eine mögliche Ursache für die unterschiedlichen Erkrankungsrisiken: Kleinere Menschen haben einen höheren Leberfett-Anteil und zeigen im Vergleich zu größeren Menschen ein insgesamt ungünstigeres kardiometabolisches Profil, berichten die Autoren.
Überraschend zeigte sich bei der Analyse von insgesamt 2.662 Studienteilnehmern auch ein Geschlechterunterschied, bemerkt Studienleiter Prof. Dr. Matthias B. Schulze, Abteilung für Molekulare Epidemiologie am DIfE, gegenüber Medscape. „Für Frauen scheint sowohl stärkeres Längenwachstum der Beine als auch das Wachstum des Torsos das Risiko zu senken, bei Männern war dies auf die Beine beschränkt.“
Insgesamt wirkte sich der Größenunterschied bei Männern stärker auf das Diabetes-Risiko aus als bei Frauen. Bei einem Größenunterscheid von 10 cm reduzierte sich das Erkrankungsrisiko bei Männern um 41%, bei Frauen um 33%.
Kleinere Menschen werden eher herzkrank
Es gab bereits mehrere Studien, die auf einen Zusammenhang von Körpergröße und Typ-2-Diabetes-Risiko hindeuteten und diesen mit der besseren Insulin-Sensitivität und Betazellfunktion bei größeren Menschen in Verbindung brachten. Ebenfalls ist aus genetischen Studien ein Zusammenhang zwischen Körpergröße und kardiovaskulärem Risiko bekannt – auch in dieser Hinsicht sind kleinere Menschen mit verhältnismäßig höheren Blutdruckwerten, Blutfetten und Entzündungsparametern stärker gefährdet.
„Wir haben vor allem untersucht, welche Eigenschaften diese Beziehung erklären“, sagt Schulze. Dass das verminderte Diabetesrisiko etwa durch ein geringeres Leberfett erklärt werden könnte, ist neu.“
EPIC-Studiendaten unter der Lupe
Um den Zusammenhang von Körpergröße und deren Einzelkomponenten – Bein- und Oberkörperlänge – und Typ-2-Diabetes-Risiko genauer zu beziffern und Einflussgrößen zu bestimmen, haben die Wissenschaftler Daten der European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC)-Potsdam Studie evaluiert.
Für diese Studie wurden von 1994 bis 1998 insgesamt 27.548 Teilnehmer rekrutiert und unter anderem die Körpergröße im Stehen und Sitzen – und die Beinlänge als Differenz der beiden Größen – sowie Bauchumfang und Blutdruck gemessen. In die Analyse potenzieller Einflussfaktoren flossen Daten von 2.029 per Zufallsprinzip ausgewählten Teilnehmern dieser Kohorte sowie von 698 Teilnehmern, die an Diabetes erkrankt waren, ein.
Größte Unterschiede bei Normalgewichtigen
Am deutlichsten wurde der Zusammenhang zwischen Körpergröße und Diabetes-Typ-2-Risiko bei Teilnehmern mit Normalgewicht (BMI < 25 kg/m2). Bei ihnen ging ein Größenunterschied von 10 cm mit einer Risikominderung von 86% bei Männern und 67% bei Frauen einher.
Bei übergewichtigen oder adipösen Teilnehmern betrug die Differenz nur 36 beziehungsweise 30%. „Das könnte bedeuten, dass das durch den größeren Bauchumfang höhere Diabetes-Risiko den Größenvorteilen entgegenwirkt, egal, ob der größere Bauchumfang nun auf die Körpergröße oder eine überhöhte Kalorienaufnahme zurückgeht“, schlussfolgern die Autoren in der Fachzeitschrift Diabetologia.
Nur bei Männern stellte sich die Beinlänge als separater Risikofaktor heraus. Männer, deren Sitzhöhe größer und die Beinlänge entsprechend kürzer war, hatten ein erhöhtes Diabetes-Risiko. Bei Frauen war dieser Unterschied nicht auszumachen.
Die Autoren vermuten daher, dass sich bei Männern stärkeres Längenwachstum vor der Pubertät, also vor allem das Wachstum der Extremitäten, nicht jedoch das Wachstum der Rumpfknochen nach dieser Entwicklungsphase, positiv auf das Diabetes-Risiko auswirkt. Für Frauen scheinen beide Wachstumsperioden gleichbedeutend zu sein.
Körperlänge als prognostischer Indikator
In jedem Fall betrachten die Autoren die Körperlänge als „nützlichen prognostischen Indikator für das Diabetes-Risiko“. Das impliziere eine engmaschigere Überwachung kardiometabolischer Risikofaktoren bei kleineren Menschen, unabhängig davon ob sie über- oder normalgewichtig seien.
Bislang werde die Körpergröße kaum zur Risikostratifizierung genutzt, sagt Schulze. „Wir haben allerdings mit dem Deutschen Diabetes-Risiko-Test schon vor einigen Jahren einen Diabetestest entwickelt, der Körpergröße in die Risikoabschätzung einbezieht“, fügt er an. „Beschäftigte im Gesundheitswesen sollten dazu ermutigt werden die Körpergröße in die Risikostratifizierung einzubeziehen“, fordern die Autoren.
Leberfett entscheidende Einflussgröße
Um den Einfluss des Leberfettgehalts auf das Diabetes-Risiko näher zu beziffern, haben Schulze und Kollegen die Ergebnisse entsprechend adjustiert. Danach betrug die Risikominderung pro 10 cm Längenwachstum nur noch 34% bei Männern und 13% bei Frauen. Somit könne man das größere Diabetes-Risiko kleinere Menschen zumindest teilweise auf den höheren Leberfettanteil zurückzuführen, argumentieren die Autoren. Warum kleinere Menschen mehr Leberfett haben als größere, sei bislang nicht geklärt, sagt Schulze.
Auch andere kardiometabolische Marker wie glykiertes Hämoglobin und Lipide hatten Einfluss auf die Risikounterschiede. Bei Frauen glichen sich die Risikowerte nach der Anpassung an den Adiponectin-Wert und an C-reaktives Protein weiter an. Daher, so das Fazit der Studiengruppe, liege das niedrigere Diabetes-Risiko größerer Menschen hauptsächlich am geringeren Leberfett und einem insgesamt günstigeren kardio-metabolischen Profil.
Da die Körperlänge im Erwachsenenalter praktisch nicht beeinflussbar sei, stelle die Reduzierung des Leberfetts die beste Maßnahme zur Minderung des Diabetes-Risikos bei kleineren Menschen dar. „Eine deutliche Gewichtsreduktion führt in der Regel auch zu einer Reduktion des Leberfetts – das gilt natürlich nur bei Übergewicht“, sagt Schulze. Zudem seien körperliche Aktivität und die Umstellung der Ernährung relevant. Mediterrane Kost etwa senke das Leberfett stärker als eine Diät mit geringem Fettanteil.
„Das Wachstum im Kindes- und Jugendalter scheint allerdings durchaus mit dem Risiko von Diabetes im Erwachsenenalter assoziiert zu sein“, bemerkt Schulze weiter. Daher könnten für die spätere Diabetes-Prävention auch Einflussfaktoren auf das Wachstum in den Fokus gerückt werden, etwa die Ernährung oder Umwelteinflüsse, erklärt er.
Medscape Nachrichten © 2019 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Laut EPIC-Studie steigt mit jedem Zentimeter Körpergröße weniger das Diabetes-Risiko – zur Ursache gibt es eine Vermutung - Medscape - 14. Okt 2019.
Kommentar