Kinder von Eltern, die rauchen, entwickeln laut einer Kohortenstudie im späteren Leben ein signifikant höheres Risiko für Vorhofflimmern [1]. Die Autoren konnten dabei zeigen, dass dieses Risiko auch unabhängig vom eigenen Raucherstatus der Nachkommen besteht. Die Analyse ergab weiterhin zusätzliche Evidenz dafür, dass Nachkommen von Rauchern häufiger Tabak konsumieren als solche von Nichtrauchern.
Das Rauchen ist seit Längerem als Risikofaktor für Vorhofflimmern bekannt: Nach Schätzungen können rund 7% aller Fälle von Vorhofflimmern auf Tabakkonsum zurückgeführt werden. Die Forscher um den Kardiologen Dr. Christopher A. Groh, University of California, Los Angeles, errechneten für jede Zigarettenpackung pro Tag, der ein Kind im Elternhaus ausgesetzt war, ein um 18% höheres Risiko für ein späteres Vorhofflimmern (HR 1,18; 95%-KI 1,0-1,39; p = 0,04).
Framingham-Daten: Hohe Fallzahlen und langes Follow-up
Die Autoren der im Journal of the American College of Cardiology (JACC) publizierten Studie analysierten dafür die Daten von 2.816 Mitgliedern der Framingham-Offspring-Kohorte mit Eltern aus der Originalkohorte, deren Raucherstatus während des Kindesalters der Nachkommen bekannt war.

Prof. Dr. Uwe Nixdorff
Die Teilnehmer wurden alle 2 bis 8 Jahre routinemäßig untersucht, wobei unter anderem auch das Auftreten von Vorhofflimmern dokumentiert wurde. 2.316 (82%) der in die Analyse Aufgenommenen waren als Kinder Passivraucher, die Eltern der übrigen 500 (18%) hatten vor dem 18. Lebensjahr ihrer Kinder nicht geraucht.
„Die Ausführlichkeit der Dokumentation der Framingham-Daten macht den Wert dieser Studie aus“, lobt Prof. Dr. Uwe Nixdorff, Internist, Kardiologe und Sportmediziner am European Prevention Center in Düsseldorf. „Eine Erhebung des Raucherstatus der Eltern entgeht im klinischen Alltag oft der Anamnese.“
Rauchverhalten der Eltern wurde relativ genau definiert
Der Tabakkonsum der Eltern führte auch zu einer erhöhten Raucher-Wahrscheinlichkeit der Nachkommen von im Mittel 34% (p = 0,001). Die Daten wurden über 40 Jahre lang von 1971 bis 2014 erhoben. Der Tabakkonsum der Nachkommen selbst machte statistisch 17% der Verknüpfung von elterlichem Rauchen mit dokumentierten Fällen von Vorhofflimmern bei den Nachkommen aus.
Rauchen war definiert als der Konsum von mehr als einer Zigarette täglich zu Studienbeginn. Der Rauchstatus wurde auf Packungen à 20 Zigaretten täglich bezogen. Als Passivrauchen bei Kindern wurde der Konsum von mindestens einer Zigarette täglich von mindestens einem Elternteil definiert.
Bei den 82% passivrauchenden Kindern lag der mittlere elterliche Tabakkonsum bei täglich 10 Zigaretten. Bei 14,3% dieser Kinder kam es innerhalb der Follow-up-Zeit von 40,5 Jahren zu Vorhofflimmern.
Zusammenhang zwischen Passivrauchen und KHK wäre ebenfalls möglich
„Das Passivrauchen ist ein wichtiger Risikofaktor nicht nur für Vorhofflimmern, sondern bekanntlich auch für das akute Koronarsyndrom“, ergänzt Nixdorff. „Aufgrund gesicherter Studiendaten haben europäische Gesetzgeber das Rauchen in Gaststätten und anderen öffentlichen Orten verboten. Der Erfolg dieser Maßnahme ist bereits dokumentiert: eine Abnahme der akuten Koronarsyndrome um bis zu 14 Prozent.“
Je mehr die Eltern geraucht hatten, desto häufiger trat Vorhofflimmern bei ihren Nachkommen auf: Für jede zusätzliche Packung Zigaretten pro Tag stieg das Risiko um 18%, das für die Faktoren Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), koronare Herzerkrankung, Diabetes, Bluthochdruck, Alkoholkonsum und familiäres Auftreten von Vorhofflimmern adjustiert worden war.
„Diese Adjustierung ist natürlich sinnvoll und korrekt“, wendet Nixdorff ein. „Aber in den Originaldaten fällt auf, dass Diabetes und hoher Alkoholkonsum, die beide starke Risikofaktoren für die Entwicklung einer koronaren Herzerkrankung sind, bei den Nachkommen rauchender Eltern ebenfalls – genau wie das Vorhofflimmern – signifikant häufiger auftraten. Hier könnte ein Zusammenhang bestehen.“
Passivrauchen ist eigenständiger Risikofaktor für späteres Vorhofflimmern
Die Autoren ziehen das Fazit, dass Passivrauchen in der Kindheit ein entscheidender Risikofaktor für ein späteres Auftreten von Vorhofflimmern ist. Zwar steigere auch das eigene Rauchverhalten im Erwachsenenalter dieses Risiko, aber das Passivrauchen in der Kindheit lasse sich mit statistischen Methoden als eigenständiger Risikofaktor für Vorhofflimmern berechnen.
Die Stärke der Studie liegt in der hohen Zahl der Teilnehmer und der langen Dokumentationsperiode der Framingham-Kohorten, bei denen bereits seit 1948 systematisch die Ursachen und Risiken für Herzerkrankungen der Bevölkerung der Stadt Framingham in Massachusetts untersucht werden.
Ihre Schwäche liegt bei der Erfassung des elterlichen Rauchstatus als einzigen Faktor zur Bestimmung des kindlichen Passivrauchens. Weitere Faktoren wie das Rauchen von weiteren Familienangehörigen oder anderen Anteilen des sozialen Umfeldes der Kinder wurden nicht erhoben.
„Die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen dem Passivrauchen von Kindern und dem späteren Auftreten von Vorhofflimmern ist sehr aufschlussreich“, resümiert Nixdorff. „Aber der nächste und meines Erachtens noch bedeutsamere Schritt sollte jetzt sein, einen entsprechenden Zusammenhang auch für das Koronarsyndrom nachzuweisen. Denn die Menschen sterben am Herzinfarkt, nicht am Vorhofflimmern.“
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Diesen Artikel so zitieren: Framingham-Daten: Wenn die Eltern rauchen, haben die Kinder später häufiger Vorhofflimmern - Medscape - 14. Okt 2019.
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