2 Tote durch Listerien in Wurst: Was die Keime gefährlich macht; worauf Sie als Arzt jetzt ganz besonders achten sollten

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

9. Oktober 2019

Nach 2 Todesfällen durch Listerien-Infektionen haben Behörden in Landkreises Waldeck-Frankenberg (Nordhessen) den betroffenen Wurstwaren-Betrieb geschlossen. „Wilke war ein großer Lieferant und stellte auch Vorprodukte für Eigenmarken anderer Unternehmen her“, sagte Wilhelm Deitermann der „Rheinischen Post“. Er ist Sprecher des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen.

Nach NRW sollen besonders viele Produkte des Betriebs geliefert worden sein. Vom Rückruf seien hunderte Unternehmen betroffen, so Deitermann. Zu den Kunden gehörten Großhändler, aber auch Altenheime und Krankenhäuser. Diese seien über den Rückruf informiert worden.

Meist orale Infektionen

Die Listeriose kann theoretisch durch Infektionen mit 7 verschiedenen Listeria-Spezies ausgelöst werden. Meist handelt es sich aber um L. monocytogenes. Wie das Robert-Koch-Institut (RKI) berichtet, vermehren sich Listerien im Bereich von -0,4 °C bis +45 °C, also auch bei Lebensmitteln im Kühlschrank. Die Zahl an invasiven Listeriosen in Deutschland schwankte in den letzten Jahren zwischen 308 (2005) und 608 Fällen (2014).

Zur Listeriose kommt es meist durch kontaminierte Lebensmittel, seltener durch Schmierinfektionen. Nicht nur Fleisch, sondern auch verschiedene Rohmilch-Käsesorten spielen hier eine Rolle. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnte beispielsweise 2006 vor Sauermilchkäse.

Auch mit der Häufigkeit hat sich das BfR Mitte 2013 befasst. Dabei konnte L. monocytogenes in 29 (6,1%) aller 474 untersuchten Proben von Räucherfisch und Graved-Fisch nachgewiesen werden. Direkt nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) erhöhte sich der Wert auf 8,4%. Und bei 6 (0,7%) der 829 untersuchten Weichkäse und Schnittkäse-Sorten wurde bei Ablauf des MHD der Keim nachgewiesen. Mikrobiologen fanden L. monocytogenes ebenfalls bei 18 (2,0%) aller 915 untersuchten wärmebehandelten Fleischerzeugnisse.

„Besonders empfindliche Personen, dazu gehören Schwangere und immungeschwächte Menschen, sollten zur Vermeidung einer Listeriose vorsorglich auf den Verzehr von Produkten wie Räucherlachs oder Rohmilchkäse verzichten“, schreibt das BfR als Fazit. Generell wird empfohlen, Produkte ausreichend lange zu erhitzen.

 
Besonders empfindliche Personen, dazu gehören Schwangere und immungeschwächte Menschen, sollten zur Vermeidung einer Listeriose vorsorglich auf den Verzehr von Produkten wie Räucherlachs oder Rohmilchkäse verzichten. Bundesinstitut für Risikobewertung
 

Klinischer Verlauf von Infektionen

Kommt es zur Listeriose, schwankt deren Inkubationszeit zwischen wenigen Stunden und 6 Tagen, bei septikämischem Verlauf zwischen einem und 12 Tagen (im Median sind es 2 Tage). Schwangerschaftsassoziierte Formen haben eine Inkubationszeit von 17 bis sogar 67 Tage (Median 27,5 Tage).

Immunkompetente Personen merken meist nur leichtes bis mittelschweres Fieber. Manchmal folgt eine Gastroenteritis. Schwere Verlaufsformen treten vor allem bei Neugeborenen, alten Menschen, Patienten mit Tumoren, AIDS, Glukokortikoid-Therapien oder Immunsuppression nach einer Organtransplantation auf.

Sie entwickeln grippeähnliche Symptome wie Fieber, Muskelschmerzen, aber auch Erbrechen und Durchfall. Die Krankheit steht bei 30% aller Erkrankten mit einer Meningitis und bei 30% mit einer Sepsis in Verbindung.

Schwangere bleiben trotz einer Infektion oft beschwerdefrei. Es kann jedoch zu Früh- oder Totgeburten kommen. Infektionen während des Geburtsvorgangs wurden ebenfalls dokumentiert.

Diagnostik und Therapie

Da die Symptome eher unspezifisch sind und kaum Rückschlüsse auf Erreger zulassen, sind Labortests erforderlich. Dazu zählen neben Kulturen auch Bestimmungen mit der PCR-Diagnostik. Bei positivem Nachweis besteht laut Infektionsschutzgesetz (IfSG), §7, eine namentliche Nachweispflicht.

Als Medikament der ersten Wahl nennt das RKI hochdosiertes Amoxicillin oder Ampicillin zusammen mit einem Aminoglykosid. Bei Schwangeren sind Aminoglykoside bekanntlich kontraindiziert. Und zur Zweitlinientherapie ist vor allem Cotrimoxazol von Bedeutung.

Die Behandlung sollte mindestens 3 Wochen lang durchgeführt werden, um Rezidive zu vermeiden. Bei schweren Verlaufsformen sind deutlich längere Therapien erforderlich. Cephalosporine, ansonsten eine der wichtigsten Antibiotika-Klassen, zeigen keine ausreichende Wirksamkeit.

Antibiotika-Resistenzen sind noch nicht von Bedeutung, so dass Ärzte die Pharmakotherapie auch ohne Vorliegen eines Antibiogramms beginnen sollten. Trotz gezielter, früher Behandlung ist die Mortalität hoch. RKI-Angaben zufolge verlaufen 21% der Listerien-Septikämien und 13% der Listerien-Meningitiden tödlich.

Hygienemaßnahmen bei Patienten mit Listeriose

Infizierte Personen scheiden Listerien mehrere Wochen bis Monate lang aus. Sie und ihre Kontaktpersonen sollten über normale Hygienemaßnahmen informiert werden; Patienten sind aber nicht zu isolieren. „Bei Verdacht auf Lebensmittelinfektionen sollte unbedingt eine Zusammenarbeit mit den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsbehörden erfolgen“, schreibt das RKI. „Nach Möglichkeit sollten Lebensmittel aus Kühlschränken der Patientenhaushalte asserviert und durch das zuständige Lebensmitteluntersuchungsamt untersucht werden.“

Hochvirulente Erreger ante portas

Mehr oder minder zeitgleich zu den aktuellen Listerienfunden entdeckten Wissenschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen und Kollegen in China einen hochvirulenten Listeria-Stamm. Dieser zeigte Genomanalysen zufolge Virulenzmerkmale verschiedener hochpathogener Listeria-Arten.

„Der Nachweis einer völlig neuen Form von pathogenen Listeria monocytogenes in China unterstreicht die Notwendigkeit internationaler Kooperationen, um nicht nur multiresistente Bakterien, sondern auch neu auftretende Bedrohungen der Lebensmittelsicherheit durch hochvirulente Stämme weltweit schnell zu identifizieren“, unterstreicht Prof. Dr. Trinad Chakraborty, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen. Maßnahmen zur Identifizierung solch hochvirulenter Stämme seien „von großer Dringlichkeit“.

 
Der Nachweis einer völlig neuen Form von pathogenen Listeria monocytogenes in China unterstreicht die Notwendigkeit internationaler Kooperationen. Prof. Dr. Trinad Chakraborty
 

 

Kommentar

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