Berlin – Biologika und Biosimilars – ursprünglich für Indikationen in der Rheumatologie entwickelt – sind offensichtlich eine zunehmend wichtiger werdende Behandlungsoption bei schweren chronischen Augenentzündungen wie Uveitis und Skleritis. „Die Vorteile einer solchen Therapie bestehen insbesondere im rascheren Wirkungseintritt und einem günstigeren Nebenwirkungsprofil im Vergleich zur Therapie mit konventionellen immunmodulierenden Substanzen“, erklärte Prof. Dr. Carsten Heinz vom Augenzentrum St. Franziskus in Münster auf einer Vorab-Pressekonferenz des Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) in Berlin [1].

Prof. Dr. Carsten Heinz
Insbesondere Kindern, so Heinz, könne damit zudem auch eine monatelange hoch dosierte Kortikosteroid-Therapie zur Überbrückung bis zum Wirkungseintritt konventioneller immunmodulierender Medikamente bzw. Immunsuppressiva erspart bleiben.
Uveitis und Skleritis als Erblindungsgrund
Schätzungen zufolge leiden etwa 200.000 bis 300.000 Menschen in Deutschland an schweren chronischen Augenentzündungen nicht-infektiöser Art wie Uveitis und – deutlich seltener – Skleritis. Sie können in allen Altersgruppen auftreten (Gipfel in der 4. Lebensdekade), nicht selten gemeinsam mit einer anderen immunologischen bzw. rheumatischen Erkrankung.
Nicht oder unzureichend behandelt führen sie zu einer fortschreitenden Sehverschlechterung und sind für etwa 5 bis 10% der Erblindungen hierzulande verantwortlich. Um die Entzündung zu kontrollieren, die Sehfunktion zu erhalten und Rezidive zu vermeiden, ist oft eine langfristige, mehrjährige Therapie erforderlich.
Schnellerer Wirkungseintritt, weniger Unverträglichkeiten
Bis vor wenigen Jahren bestand die Langzeittherapie nach der Initialphase mit Kortikosteroiden überwiegend in konventionellen immunmodulierenden Medikamenten bzw. Immunsuppressiva wie Ciclosporin A, Azathioprin oder Methotrexat. „Wegweisende Veränderungen“, so Heinz, „waren dann zunächst die Zulassung des Biologikums (TNF-alpha-Hemmers) Adalimumab im Jahr 2016 zur Behandlung bestimmter Uveitis-Formen und erst im vergangenen Jahr die Einführung mehrerer Biosimilars bzw. Nachahmerpräparate. Mit ihnen haben wir nun ein deutlich erweitertes Portfolio für die Behandlung schwerer chronischer Augenentzündungen.“
Die wichtigsten Unterschiede zu den konventionellen immunmodulierenden Medikamenten beschrieb der Münsteraner Ophthalmologe so: „Die erwünschten therapeutischen Effekte treten bei Biologika und Biosimilars statt erst nach einem viertel oder halben Jahr meist bereits innerhalb eines Monats ein. Gleichzeitig ist der Effekt auf krankheitsbedingte Komplikationen wie auf ein Makulaödem besser, und es kommt seltener zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen bzw. Unverträglichkeiten und damit seltener zu sonst daraus resultierenden Therapieabbrüchen.“
Aktuelle Ergebnisse aus Langzeitbeobachtungen zeigten eine Ansprechrate von bis zu 90%. Dadurch, dass Biologika und Biosimilars schneller wirken, werde auch die Zeit für die sonst übliche Gabe von Kortikosteroiden bis zum Wirkungseintritt erheblich verkürzt. Relevant ist dies vor allem bei Kindern, da Kortikosteroide das Körperwachstum hemmen können.
Neue Option im Therapiealgorithmus
Biologika und Biosimilars bedeuten zwar eine deutliche Erweiterung der bisher üblichen Therapieoptionen, sie dürften sie aber sicher nicht generell ersetzen – nicht zuletzt auch wegen der Höhe der Behandlungskosten, die sich bei ersteren im Bereich von 21.000 Euro pro Jahr, bei letzteren von 13.500 Euro bewegen.
Nach wie vor sollte die Behandlung von Uveitis-Patienten anhand der vom Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) und der DOG herausgegebenen Leitlinien erfolgen. Sie sieht in Abhängigkeit von Schwere und Komplikationen einen angepassten, stufenartigen Therapiealgorithmus vor, bei dem auch weiterhin im Regelfall Kortikosteroide und herkömmliche Immunsuppressiva zur Therapie gehören.
„Die Leitlinie erlaubt uns jedoch die Flexibilität“, so Heinz, „abhängig vom Schweregrad auch eine Stufe zu überspringen und – insbesondere bei Kindern und jungen Menschen – im Bedarfsfall bereits frühzeitig etwa Adalimumab oder ein Adalimumab-Biosimilar einzusetzen.“
Wachsendes Biologika-Spektrum
Adalimumab und die zugehörigen Biosimilars sind im Erwachsenenalter für alle Formen der nicht-infektiösen Uveitis außer der anterioren Form zugelassen, wie Heinz im Gespräch mit Medscape weiter erläuterte. Im Kindesalter hingegen sei lediglich die Behandlung einer anterioren Uveitis im zugelassenen Indikationsspektrum.
Führe die Therapie mit einem dieser Medikamente nicht zum gewünschten Erfolg, gebe es die Möglichkeit, nach Rücksprache mit dem Leistungsträger eventuell ein anderes Biologikum off-label einzusetzen. Das Spektrum der zur Behandlung von schweren Entzündungen zur Verfügung stehenden Biologika wachse kontinuierlich durch neue Substanzklassen, die aber bislang nur für andere, nicht-ophthalmologische Indikationen zugelassen sind.
Registerstudie für Empfehlungen zum Therapieende
Während der Beginn einer nicht selten notwendigen mehrjährigen systemischen Uveitis-Therapie in den Leitlinien klar definiert ist, liegen dem Münsteraner Ophthalmologen zufolge bisher keine ausreichend guten Empfehlungen zur Beendigung einer solchen Therapie vor. Die Sektion Uveitis der DOG startete deshalb in diesem Jahr mit Unterstützung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit einem prospektiven Register zu dieser Fragestellung (Treatment Exit Options for Uveitis TOFU).
Vorrangiges Ziel ist es Heinz zufolge, den effektivsten, schubärmsten und nebenwirkungsärmsten Weg zur Beendigung einer systemischen Therapie zu evaluieren und ihn später in die entsprechenden Leitlinien zu implementieren.
Medscape Nachrichten © 2019 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Die Kortison-Ersparer: Biologika als alternative Therapieoption bei schweren, nicht-infektiösen Augenentzündungen - Medscape - 10. Okt 2019.
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