2 neue Studien mit CDK4/6-Inhibitoren: „Diese Daten sind eindeutige ‚Game-Changer‘ beim metastasierten Brustkrebs“

Sonja Boehm

Interessenkonflikte

30. September 2019

Barcelona – Nun gibt es keinen Zweifel mehr: Die zusätzliche Behandlung mit einem CDK4/6-Inhibitor verlängert das Überleben bei Frauen mit Hormon-Rezeptor-positivem (HR+) und HER2-negativem fortgeschrittenem Brustkrebs. 2 Studien, die auf dem Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) 2019 in Barcelona vorgestellt worden sind, haben dies nun bestätigt [1].

 
Diese Daten sind eindeutige ‚Game-Changer‘ beim metastasierten Brustkrebs. Prof. Dr. Nadia Harbeck
 

„Ich kann den Studienautoren nur gratulieren“, kommentierte Prof. Dr. Nadia Harbeck, Brustkrebs-Expertin von der LMU München, die Ergebnisse auf einer Pressekonferenz der ESMO. „Diese Daten sind eindeutige ‚Game-Changer‘ beim metastasierten Brustkrebs“, sagte sie weiter und verwies auf die langen medianen Überlebenszeiten der Frauen, die einen CDK4/6-Inhibitor in den beiden Studien erhalten hatten. „Wir sehen hier 46 bzw. mehr als 50 Monate beim medianen Gesamtüberleben – in unseren Brustkrebsregistern beträgt die mediane Überlebenszeit nur zweieinhalb Jahre“, betonte sie.

Prof. Dr. Nadia Harbeck

Bei den beiden Studien handelte es sich um

  • die MONARCH-2-Studie, in der der CDK4/6-Inhibitor Abemaciclib (Verzenios®, Eli Lilly) gegen Placebo (jeweils plus Fulvestrant) bei Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs nach Versagen der endokrinen Therapie und unabhängig vom Wechseljahresstatus geprüft worden war,

  • und um die MONALEESA-3-Studie, die Ribociclib (Kisqali®, Novartis) versus Placebo (ebenfalls plus Fulvestrant) als First- oder Second-Line-Therapie nur bei postmenopausalen Patientinnen mit HR+/HER-2-negativem fortgeschrittenem Mammakarzinom geprüft hat.

Bereits beim ASCO-Kongress im Juni waren erstmals Daten – damals der MONALEESA-7-Studie – vorgestellt worden, die einen Überlebensvorteil unter der Behandlung mit Ribociclib nachgewiesen hatten (wir berichteten). Doch hatten an MONALEESA-7 nur prämenopausale Frauen mit fortgeschrittenem HR+/HER2-negativem Brustkrebs teilgenommen. Bei ihnen hatte die additive Therapie mit Ribociclib (und endokriner Therapie plus Goserelin) die errechnete Überlebensrate nach 42 Monaten von 46% unter Placebo auf 70,2% angehoben.

MONARCH-2: Überlebenszeit um mehr als 9 Monate verlängert

In der MONARCH-2-Studie, von der jetzt beim ESMO die Überlebensdaten präsentiert worden sind, war der primäre Endpunkt das progressionsfreie Überleben (Progression Free Survival; PFS) – auch dieses war durch Abemaciclib signifikant verlängert worden von 9,3 auf 16,9 Monate, berichtete Studien-Erstautor Prof. Dr. George W. Sledge von der Stanford-Universität in Kalifornien. Das Gesamtüberleben (Overall Survival; OS) war ein sekundärer Studienendpunkt.

Die 669 Studienteilnehmer waren 2 zu 1 auf eine additive Therapie von Abemaciclib oder Placebo randomisiert worden. Die Frauen waren prä-, peri- oder postmenopausal und hatten sich als therapieresistent – primär oder sekundär – auf eine vorangegangene endokrine Therapie erwiesen. Das mediane Follow-up betrug bei der Datenanalyse 47,7 Monate, berichtete Sledge.

Im Endpunkt „Gesamtüberleben“ machte der Unterschied zwischen den beiden Therapiegruppen 9,4 Monate aus. Das mediane Überleben betrug 46,7 Monate unter Abemaciclib plus Fulvestrant und 37,3 Monate unter Placebo plus Fulvestrant (HR 0,76; p = 0,014). In einer weiteren explorativen Analyse verglichen die Untersucher die Zeit bis zur Notwendigkeit einer Chemotherapie. Hier betrug der Unterschied zugunsten der Abemaciclib-Behandelten 50 versus 22 Monate. Was, so Sledge, einer Verlängerung des Intervalls bis zur Notwendigkeit der Chemo um rund 60% entspricht.

Er betonte, dass der Benefit durch den CDK4/6-Inhibitor über alle Subgruppen konsistent war – auch bei schlechten Prognosefaktoren wie viszeralen Metastasen oder primärer Resistenz gegen die endokrine Therapie. Es habe in der Studie keine neuen Sicherheitssignale gegeben – das Nebenwirkungsprofil entsprach demjenigen aus früheren Abemaciclib-Studien.

Harbeck betonte als wichtige Botschaften aus dieser Studie, dass sie zum ersten Mal einen signifikanten Überlebensvorteil auch in einer „Secondline-Population“ zeige und auch die ersten Überlebensdaten für diesen speziellen CDK4/6-Inhibitor liefere. „Ein Unterschied im Gesamtüberleben von fast 10 Monaten ist klinisch wirklich bedeutsam“, betonte sie – und auch die mediane Überlebenszeit von 47 Monaten sei sehr eindrucksvoll.

MONALEESA-3: Überlebensvorteil auch für Frauen in der Postmenopause

MONALEESA-3 liefere nun auch für Ribociclib die noch fehlenden Überlebensdaten für Frauen mit metastasiertem Brustkrebs in der Postmenopause, ergänzte sie. Diese stellte Prof. Dr. Dennis J. Slamon, David Geffen School of Medicine at UCLA, Los Angeles, Kalifornien, vor. Auch in dieser Studie hatte eine frühere Analyse bereits eine Verlängerung des progressionsfreien Intervalls von 12,8 auf 20,5 Monate unter dem CDK4/6-Inhibitor ergeben. An dieser Studie hatten 726 Patientinnen teilgenommen, von denen nur ein Teil bereits auf eine Hormontherapie resistent geworden war. Ein Teil hatte zuvor noch keine endokrine Therapie erhalten.

Genau dieser Umstand macht nach Ansicht von Harbeck noch einen wichtigen Aspekt dieser Studie aus. „Wir waren bislang unsicher, ob wir die CDK4/6-Inhibitor-Therapie in der First- oder Second-Line geben sollen“, sagte sie. „Nun wissen wir: Es gibt auch in der Firstline einen Überlebensvorteil – und das sollte unseren ‚Standard of Care‘ beeinflussen.“

Onkologen plädieren dafür, mit dem CDK4/6-Inhibitor nicht zu warten

Und weiter: „Diese Wirkstoffe machen einen Unterschied, sie sollten meiner Meinung nach in der metastasierten Situation auch in der Firstline gegeben werden. Wir wissen nicht, ob die Patientin für einen Secondline-Versuch überhaupt zurückkommt. Wir sollten die besten Medikamente gleich geben!“ 

Auch Slamon betonte, dies sei „klinisch bedeutsam und praxisrelevant“. „Da wir jetzt belegen können, dass Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs einen Gesamtüberlebensvorteil haben, wenn sie den CDK4/6-Inhibitor Ribociclib vor einer Progression erhalten – auch wenn sie bislang keine endokrine Therapie hatten.“

 
Diese neuen Daten bestärken mich in der Argumentation, dass wir die Behandlung im metastasierten Setting mit einem CDK4/6-Inhibitor plus endokriner Therapie beginnen sollten. Prof. Dr. Nadia Harbeck
 

Einige Kollegen hätten bislang argumentiert, man solle zunächst nur mit einer endokrinen Therapie behandeln und erst dann, wenn die Patientin wiederkomme, so etwas wie einen CDK4/6-Inhibitor hinzufügen, sagte er: „Mit anderen Worten: zunächst die endokrine Therapie ausschöpfen und sich den CDK4/6-Hemmer für später aufsparen.“

Die Daten aus MONALEESA-3 zeigten aber deutlich, dass, wenn postmenopausale Patienten den CDK4/6-Inhibitor direkt erhielten, sie davon signifikant profitierten – und dies eben nicht nur im progressionsfreien Überleben, sondern auch hinsichtlich der Überlebenszeit, dem „ultimativen Endpunkt bei solch einer Erkrankung“, so Slamon.

IN MONALEESA-3 hatten die Patientinnen der Placebo-Gruppe eine mediane Überlebenszeit von 40 Monaten – in der Ribociclib-Studie war die mediane Überlebenszeit noch nicht erreicht. Nach einer Hochrechnung der Daten lebten nach 3 Jahren noch 67% der Teilnehmerinnen im Ribociclib-Arm und 58,2% unter Placebo, nach 42 Monaten betrugen diese Zahlen 57,8 und 45,9%. Der Benefit im Gesamtüberleben sei ähnlich gewesen in der Erst- und Zweitlinientherapie, berichtete Slamon.

Mit CDK4/6-Inhibitoren länger in der Remission – und länger am Leben

Er verwies darauf, dass MONALEESA-3 und MONALEESA-7 kombiniert mit ihren insgesamt annähernd 1.400 Teilnehmerinnen, „den bislang größten Datensatz repräsentieren, der eine Verlängerung der Überlebenszeit durch CDK4/6-Inhibitoren belegt“ – und dies unabhängig vom Menopausenstatus.

Dr. Matteo Lambertini, IRCCS Policlinico San Martino Hospital, Universität Genua, Italien, kommentierte die neuen Daten auf der Pressekonferenz ebenfalls: „MONALEESA-3 hat bemerkenswerte Ergebnisse, die eine wesentliche Verbesserung in der Versorgung von Patienten mit HR+/HER2-fortgeschrittener Erkrankung bestätigen, wenn eine endokrine Therapie mit der CDK4/6-Hemmung kombiniert wird. Wir sollten diese Behandlung allen unseren Patientinnen in diesem Setting anbieten.“

Darüber hinaus ergänzte er: „MONALEESA-3 ist die einzige Studie mit einem CDK4/6-Inhibitor, die sowohl Patientinnen umfasste, die auf eine endokrine Therapie noch ansprachen, als auch solche, die dagegen resistent waren.“

Sledge fasste zusammen: „Die wichtigste Botschaft unserer – und anderer ähnlicher Studien – ist, dass CDK4/6-Hemmer die Verweildauer der Patienten in der Remission signifikant verlängern und das Gesamtüberleben signifikant verbessern.“

Harbeck erinnerte daran, dass mit Abemaciclib nun für einen 3. CDK4/6-Inhibitor ein Überlebensvorteil bei fortgeschrittenem HR+/HER2-negativem Brustkrebs bestätigt ist. „Zusammen mit den Daten, die wir bereits für Palbociclib und Ribociclib haben, bestärken diese neuen Daten mich in der Argumentation, dass wir die Behandlung im metastasierten Setting mit einem CDK4/6-Inhibitor plus endokriner Therapie beginnen sollten, da diese Medikamente die Outcomes im Vergleich zur anti-hormonellen Behandlung allein deutlich verbessern.“

Limitationen der Studien seien, dass sie alle als eigentlichen primären Endpunkt das progressionsfreie Überleben hatten und nicht das Gesamtüberleben. „Trotzdem”, so betonte Harbeck, „glaube ich, dass die Datenlage gut genug ist – wenn man alle Studien zusammen betrachtet – um uns die Sicherheit zu geben, dass wir auf dem richtigen Weg sind mit der Kombination von endokrin-basierter Therapie plus CDK4/6-Inhibition.“

Die Überlebensdaten seien auch wichtig, um mehr Patientinnen den Zugang zu dieser Therapie zu eröffnen. „In manchen Ländern sind die Daten zum Gesamtüberleben die Voraussetzung, damit die Therapie erstattet wird“, erinnerte Harbeck. „Auch vor diesem Hintergrund handelt es sich um sehr wichtige Ergebnisse.“

Trotzdem würde sie gerne auch noch unterstützende Daten zur Lebensqualität sehen, sagte sie. Zudem hoffe sie auf kommende Studien, in denen diese Kombination auch beim frühen Brustkrebs getestet wird – „deren Ergebnisse können wir vielleicht im kommenden Jahr oder spätestens in 2 Jahren auf diesem Meeting hören“.

 

Kommentar

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