Test auf Prostatakrebs: Kann ein „verkürztes“ MRT die Biopsie ersetzen und eignet es sich gar als Screening-Methode?

Neil Osterweil

Interessenkonflikte

30. September 2019

Barcelona – Könnte Bildgebung die schmerzhafte Biopsie zum Test auf Prostatakrebs ersetzen? Das jedenfalls ist die Vision von Dr. Jelle Barentsz, Radboud University Medical Center in Nijmegen, Niederlande. Auf dem Kongress der European Association of Urology im März 2019 in Barcelona, Spanien, hatte er Daten zu einer schnellen biparametrischen MRI-Technik zur Darstellung der Prostata präsentiert.

Er stellte das Verfahren als ersten Schritt zur weiteren diagnostischen Abklärung für Patienten vor, bei denen ein erhöhter PSA-Wert festgestellt worden ist. Diese Bildgebung könnte Männern die Schmerzen und mögliche Komplikationen einer Prostata-Biopsie ersparen, zumindest in „erster Instanz“. Barentsz schlug für die Methode den Begriff „Manographie“ vor.

So könne ein MRT der Prostata für Männer eines bestimmten Alters zur Routine werden wie es die Mammographie zum Screening auf Brustkrebs für Frauen eines bestimmten Alters ist, dies war seine Vision. „Ein MRT kann schnell, nichtinvasiv, genau und potenziell weniger teuer sein (als Biopsien)“, sagte Barentsz.

Als ich zum ersten Mal von dieser bisher noch nicht realisierten Möglichkeit zur Nutzung des MRT zum Routine-Screening für Prostatakrebs erfuhr, die die Chance zur Vermeidung von Biopsien bot, dachte ich: „Ich bin dabei!“

Ich spreche als ein 62-Jähriger, der bereits 3 Ultraschall-kontrollierte Prostata-Biopsien hinter sich hat, alle glücklicherweise negativ. In Anbetracht meiner Familiengeschichte und meinem hoch-normalen PSA-Spiegel und nach Besprechung mit meinem Hausarzt kamen wir zu dem Schluss, dass ich diese Biopsien machen lassen sollte.

Keine klare Empfehlung mehr für das PSA-Screening

Das Prostatakrebs-Screening mittels PSA-Bluttest war einst weit verbreitet in den USA, wird aber nun kontrovers betrachtet. Bedenken wegen möglicher Schädigung durch Überdiagnostik von Veränderungen, die möglicherweise niemals in eine invasive Krebserkrankung münden, führten dazu, dass in vielen Empfehlungen nicht mehr zum routinemäßigen Einsatz des PSA-Tests geraten wird.

Der PSA selbst ist ein notorisch unzuverlässiger Marker, der von vielen Faktoren beeinflusst werden kann wie Sex, Sport und Ernährung.

Die US Preventive Services Task Force (USPSTF) gab eine bestenfalls laue Stellungnahme zum Prostatakrebs-Screening für Männer in meiner Altersgruppe – von 55 bis 69 Jahren – heraus. Dort steht u.a.: „Um zu entscheiden, ob dieses Angebot im Einzelfall sinnvoll ist, sollten Ärzte zwischen Nutzen und Schaden auf Basis der Familiengeschichte, Ethnie, komorbiden medizinischen Faktoren, der Bewertung des durch das Screening möglichen Nutzens und Schadens und der behandlungsspezifischen Ergebnisse durch den Patienten sowie weiteren gesundheitlichen Aspekten abwägen. Ärzte sollten keine Männer screenen, die keine Präferenz für das Screening äußerten.“

Die Task Force ist viel weniger schwammig, wenn es um ältere Männer geht: „Die USPSTF spricht sich gegen ein PSA-basiertes Screening bei Männern von 70 Jahren und älter aus“, heißt es dort.

Eine eingeschränkte MRT-Methode

In Anbetracht meiner Familiengeschichte habe ich ein Risiko für Prostatakrebs, das höher als der Durchschnitt ist. Und vielleicht ist eine invasive Untersuchung im meinem Fall keine so schlechte Idee. Aber wie ist es bei anderen? Gibt es irgendwelche Aussichten für eine sichere, verlässliche und weniger invasive Methode, um die Männer zu identifizieren, die eine weitere klinische Abklärung benötigen?

Barentsz und seine Kollegen schlagen vor, dass eine schnelle bp-MRT-Methode ein solcher Ansatz sein könnte. Die Technik beruht auf einer eingeschränkten MRT-Methode. Gegenwärtig etablierte Methoden beinhalten ein multiparametrisches MRT, die eine T2-gewichtete Bildgebung in 3 Ebenen beinhalten. Dazu kommen diffusionsgewichtete Bildgebung und Kontrastverstärkung. Das Ganze dauert 18 Minuten. Es gibt außerdem eine bi-parametrische MRT-Methode, bei der der Kontrast weggelassen wird. Diese dauert 13 Minuten.

Die neue Technik, die Barentsz und seine Kollegen benutzen, ein „schnelles bp-MRT“, schließt die Bildgebung in der sagittalen und T2-frontalen Ebene aus und überspringt auch den Kontrast. Sie dauert nur 8 Minuten.

Methode noch nicht ausgereift?

Barentsz und seine Co-Autoren räumen ein, dass das schnellere, potenziell günstigere MRT-Protokoll umstritten ist, da nicht sicher ist, dass es so gut ist wie die etablierteren MRT-Methoden, um klinisch signifikanten Prostatakrebs auszuschließen.

Diese Bedenken, dass das MRT-basierte Prostatakrebs-Screening (noch) nicht auf dem notwendigen Stand ist, werden auch von anderen Prostatakrebs-Experten geäußert. Beispielsweise kommentierte ein urologischer Onkologe, der Ko-Untersucher bei der PRECISION-Studie war, dass er noch nicht recht bereit ist, den Startschuss für das MRT-Screening zu geben. In PRECISION wurde MRT bzw. eine MRT-geführte Biopsie zur Diagnose von Prostatakrebs mit der transrektalen Ultraschall-geführten Standard-Biopsie verglichen.

„Mit der bi-parametrischen Technik ohne Kontrastverstärkung kann man die neovaskuläre Komponente eines Tumors nicht untersuchen und viele halten das für wichtig“, gibt Dr. Julio Pow-Sang vom Moffitt Cancer Center in Tampa, USA, noch zu bedenken.

 
Ich denke nicht, dass es genügend Evidenz gibt um zu sagen, dass das MRT bereit ist, um als Screening-Methode eingesetzt zu werden. Dr. Samir Taneja
 

„Ich denke nicht, dass es genügend Evidenz gibt um zu sagen, dass das MRT bereit ist, um als Screening-Methode eingesetzt zu werden“, sagt auch Dr. Samir Taneja vom NYU Langone Health in New York City, USA, in einem Interview.

„Die Bedingung für einen Screening-Test ist, dass er eine akzeptable Sensitivität hat und hoffentlich wenig falsch positive Ergebnisse liefert“, sagt er. Das Problem ist jedoch, dass die Sensitivität des MRT noch nicht gut genug für ein Screening ist, sodass Ärzte darauf vertrauen können, dass es keine falsch negativen Ergebnisse liefert und so potenziell Patienten übersehen werden, die sich weiteren Test unterziehen sollten.

„Die Schwelle, die wir nutzen, um Erkrankungen im PI-RADS [Prostate Imaging Reporting and Data System] zu detektieren, ist in der Population von Männern, für die bereits wegen eines erhöhten PSA-Wertes ein hohes Risiko festgestellt wurde, bereits etabliert. Daher kann man sich vorstellen, dass dies eine Population von Männern ist, für die die Prävalenz für Prostatakrebs höher ist als in einer nicht gescreenten Population“, erläutert Taneja.

mp-MRT und schnelles bp-MRT im Vergleich

In Barenz’ Studie verglichen die Forscher die diagnostische Qualität des Kontrast-verstärktem multiparametrischen MRT (mp-MRT) mit dem schnellen bp-MRT in der Detektion von klinisch relevantem Prostatakrebs unter 626 Biopsie-naiven Männern. Alle Männer wurden vor der Biopsie einer verstärken mp-MRT-Untersuchung an 3 Tesla MRT-Scannern unterzogen.

Vor der Biopsie bewerteten 2 verblindete Untersucher die Bilder des monoplanaren schnellen biparametrischen MRT, des triplanaren bp-MRT und des mulitparametrischen MRT. Anschließend wurde eine ultraschall-geleitete Biopsie durchgeführt. Männer mit verdächtigen Läsionen (definiert als PI-RADS 3-5) erhielten zusätzlich eine MRT-kontrollierte in-bore-Biopsie.

Die Sensitivität für Prostatakrebs war für alle Protokolle 94,7%. Die Spezifität des schnellen bp-MRT lag bei 65,4% verglichen mit jeweils 68,6% für die mehr Zeit beanspruchenden biparametrischen und multiparametrischen Scans. 1% mehr unbedeutende Tumoren wurden durch das schnelle bp-MRT angezeigt.

Die Übereinstimmung zwischen den Untersuchern lag bei 90,3% für die schnelle Technik verglichen mit 92,7% für das biparametrische MRT.

Eine Kostenfrage

Dr. Ronald C. Chen vom Linenberger Comprehensive Cancer Center an der University of North Carolina, Chapel Hill, USA, sagte in einem Interview: „Wenn wir in der Lage sind, die Kosten für ein MRT bei Verdacht auf Prostatakrebs zu reduzieren, wäre das ein wichtiges Ziel für Ärzte, Patienten und für die Kostenträger.“

„Aber selbst ein multiparametrisches MRT ist heute nicht perfekt darin, Prostatakrebs zu detektieren und tatsächlich gibt es valide Daten die zeigen, dass es einige relevante Tumoren übersieht. Wenn also ein umfangreiches MRT heute noch bedeutsame Tumoren übersieht, fragt man sich, ob eine billigere, schnellere Version nicht potenziell mehr übersieht und das muss erforscht werden“, mahnte er.

Obwohl die direkten Kosten eines schnellen bp-MRT 54 niedriger seien als die für multiparametrische Messungen, seien die Kosten insgesamt höher, sagte Barentsz gegenüber Medscape Medical News.  Die schnelle Technik sei mit einer um 2% höheren Biopsie-Rate assoziiert und einer 1% höheren Überdiagnostik-Rate (Detektion von nicht relevanten Tumoren). Die damit verbundenen Kosten würden gegenwärtig jeden ökonomischen Vorteil für das schnelle MRT wieder aufheben, räumte er ein.

 
Wenn also ein umfangreiches MRT heute noch bedeutsame Tumoren übersieht, fragt man sich, ob eine billigere, schnellere Version nicht potenziell mehr übersieht … Dr. Ronald C. Chen
 

Er erklärt außerdem, dass in den Niederlanden ein Prostata-MRT ungefähr 500 Euro weniger kostet als eine TRUS(transrektale ultraschalgeführte)-Biopsie. „In meinem Land haben wir 40.000 Männer mit erhöhtem PSA-Wert jährlich. Für das Gesundheitssystem werden dadurch also 20 Millionen Euro eingespart“, so Barentsz. „In den USA gibt es eine Million Patienten mit erhöhtem PSA-Wert, die eine TRUS-Biopsie erhalten. Das ist potenziell [eine Einsparung] von 500 Millionen Euro.“ Ein anderer Krebs-Experte zitierte eine Maxime von Ingenieuren: „Du kannst es schnell, billig und gut bekommen. Nimm 2.“

Risiko Überdiagnostik

Obwohl die Experten hinsichtlich des Gebrauchs des MRT für das Screening und die Diagnose von Prostatakrebs zögerlich derzeit noch zu sein scheinen, ist der Gebrauch des MRT im weiteren Verlauf bereits etabliert.

Belastbare Daten unterstützten die Nutzung des MRT für Männer, bei denen bereits Prostatakrebs diagnostiziert worden ist und Bildgebungstechniken könnten Männern helfen, aus dem „PSA-Screening-Netz“ herauszukommen, meint Dr. Alexander Kutikov vom Fox Chase Cancer Center in Philadelphia, USA.

„Ich sage meinen Patienten, dass das größte Risiko, dem sie in diesem ganzen Prozess gegenüberstehen, die Überdiagnostik eines Niedrigrisiko-Tumors ist, eines Tumors, mit einer Mortalitätsrate von unter 1%, eines Tumors, der sie aktuell in eine Behandlung bringt, die wenig Nutzen hat, aber eine Menge Angst erzeugt“, sagte Kutikov in einem Interview.

 
Ich sage meinen Patienten, dass das größte Risiko, dem sie in diesem ganzen Prozess gegenüberstehen, Überdiagnostik eines Niedrigrisiko-Tumors ist … Dr. Alexander Kutikov
 

„Momentan gibt es keine Möglichkeit, den Geist zurück in die Flasche zu befördern, wenn man einmal einen Niedrigrisiko-Tumor gefunden hat“, bedauert er. „Ein MRT ist wertvoll, um Überdiagnosen von Niedrigrisiko-Tumoren zu reduzieren und um für präzise Proben zu sorgen, wenn eine Biopsie erforderlich ist“, betont Kutikov.

Versicherer scheuen die Kosten

Gefragt zu der Idee, das MRT als Routine-Screening für Prostatakrebs einzusetzen, antwortete Kutikow: „Ich würde sagen, dass wir gerade in den USA eine viel größere Schlacht schlagen müssen, um zunächst allen Patienten mit erhöhten PSA-Werten ein MRT anbieten können.“  

„Versicherer wie Aetna und Cigna verweigern die Level-1-Evidenz von Studien wie PRECISION zu berücksichtigen, wo 28 Prozent der Männer keine Prostata-Biopsie brauchten“, gab er zu bedenken.

In der PRECISION-Studie wurden 500 Männer mit klinischem Verdacht auf Prostatakarzinom randomisiert. Sie erhielten entweder ein MRT, eine MRT-geführte Biopsie oder eine konventionelle transrektale Ultraschall-geführte Biopsie. Von den 252 Männern, die dem MRT zugeteilt wurden, hatten 71 Patienten (28%) ein MRT-Ergebnis, dass nicht für Prostatakrebs sprach und daher wurden diese Patienten keiner Biopsie unterzogen.

Aber Kutikov hob auch hervor, dass Barentz' Idee eines MRT-basierten Screenings im Moment eher ambitioniert und weniger praktisch umsetzbar sei, weil, wie auch Taneja aufgezeigt hatte, alle Daten bisher von Studien an Männern kamen, die zunächst mittels PSA-Test gescreent wurden und deren Ergebnisse einen Bedarf für eine Biopsie ergeben hätten.

„Es ist eine schwer zu beantwortende Frage, aber ich denke, dass es zumindest auf diesem Kontinent nicht genug Enthusiasmus geben wird, um einen Vorstoß zu wagen, denn in der Schlacht, die viele von uns auf diesem Gebiet schlagen, geht es in erster Linie darum, unseren Patienten mit erhöhten PSA-Werten zu einem MRT zu verhelfen“, prognostizierte er.

Dr. Jon McConathy, ein Radiologe an der University of Alabama School of Medicine in Birmingham, USA, stimmte zu, dass die Kosten die Haupt-Barriere für die Idee einer Manographie seien. „Der kontrast-verstärkende Teil ist wahrscheinlich nicht so wichtig, insbesondere wenn man daran denkt, Männer zu screenen und ausfindig zu machen, wer weitere Abklärung benötigt. Also denke ich, dass es ein reales Potenzial gibt.“

McConathy weiter: „Ich denke, die Herausforderungen sind, dass die Kosten eines MRT-Screenings substanziell höher sind als die einer Screening-Mammographie, dass es eine große Zahl von Männern mit Prostatakarzinom gibt und die Tatsache, dass viele von ihnen nicht behandelt werden müssen. Also sind die 2 fehlenden Puzzlestücke, wie es in großem Maßstab ökonomisch funktionieren kann und wie man mit der großen Anzahl von Diagnose von niedrig-gradigem Prostatakrebs umgeht, die dabei auftauchen werden.“

Perspektiven für die Diagnostik

Was tut also ein Mann mit moderat erhöhtem PSA-Wert und sonst nichts? Kutikov sagte mir, dass ein anderer Vorteil des MRT in der Fähigkeit liege, dass Prostata-Volumen präzise zu messen. 

„Wenn der PSA von jemandem bei 3,6 ng/ml liegt, aber das Prostata-Volumen 60 ml ist, dann ist plötzlich die PSA-Dichte innerhalb der normalen Grenzen. Man kann sich grundsätzlich darauf verlassen, dass der erhöhte PSA-Wert durch das Prostata-Volumen hervorgerufen ist“, erläuterte er. „Man kann diesen Männern sagen, dass sie für die nächste Zeit nicht einmal einen PSA-Test zu machen brauchen. Wenn man nach 2 Jahren noch einmal testet und der Wert ist nicht gestiegen – kein PSA-Test mehr“, so Kutikov.

McConathy wies auch noch auf eine vielversprechende Entwicklung hin, die fruchtlose Prostata-Biopsien verringern könnte: Die Nutzung neuer PET-Tracer, die an prostataspezifische Membran-Antigene binden. „Die Idee ist, dass man das Prostata-MRT nutzt, um verdächtige Läsionen zu identifizieren und dann könnte es diesen weiteren nicht-invasiven Test geben, der einem dabei hilft zu entscheiden, ob man das nur beobachten oder aktuell eine Biopsie machen sollte“, erläuterte McConathy.

Dieser Artikel wurde von Bettina Micka aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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