DAPA-HF – SGLT2-Hemmer als neue Herzinsuffizienz-Therapie: „Es hat nichts mit der Blutzuckersenkung zu tun“

Sonja Boehm

Interessenkonflikte

26. September 2019

Barcelona – Die Ergebnisse waren so eindrucksvoll, dass sie Anfang September bereits in einer Hauruck-Aktion noch in das Programm des europäischen Kardiologenkongresses (ESC) in Paris gehievt worden waren (wir berichteten). „Wir haben zwei Wochen vor dem ESC-Kongress umgeplant – wegen der spektakulären Daten“, berichtete der Studienleiter von DAPA-HF, Prof. Dr. John J.V. McMurray, BHF Cardiovascular Research Centre, University of Glasgow, nun beim europäischen Diabeteskongress in Barcelona. „Eigentlich war die Präsentation erst für den Kongress der American Heart Association (AHA) im November geplant gewesen.“

 
Eigentlich war die Präsentation erst für den Kongress der American Heart Association (AHA) im November geplant gewesen. Prof. Dr. John J.V. McMurray
 

Nun kam es also anders. Während es beim ESC-Kongress in Paris nur dafür gereicht hatte, die Hauptresultate von DAPA-HF aufzubereiten und vorzustellen, wurde es beim europäischen Diabeteskongress in Barcelona nun sozusagen amtlich: Dort sind die Ergebnisse der ersten Studie, in der ein orales Antidiabetikum, nämlich der SGLT2-Hemmer Dapagliflozin (Forxiga@, Bristol-Myers Squibb, AstraZeneca) die Progression und Prognose bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektonsfraktion (HFrEF) eindeutig gebessert hat – dies auch wenn sie keinen Diabetes hatten – im Detail vorgestellt und zeitgleich inklusive Kommentar im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden [1,2].

Eine Number Needed to Treat von 21 beim primären Endpunkt

Zur Erinnerung: An der Studie hatten 4.744 Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz und einer Ejektionsfraktion unter 40% (im Median 31%) in 20 Ländern teilgenommen. Sie waren im Schnitt 66 Jahre alt, 3 Viertel waren Männer, 2 Drittel waren im NYHA-Stadium 2, ein weiteres Drittel im NYHA-Stadium 3. Nur 45% hatten eine Typ-2-Diabetes-Diagnose.

Die Teilnehmer erhielten randomisiert – zusätzlich zu ihrer normalen Basismedikation gegen Herzinsuffizienz (94% ACE-Hemmer, ARB oder ARNI; 96% Betablocker; 94% Diuretika, 71% Mineralkortikoid-Rezeptor-Antagonist) randomisiert entweder 10 mg Dapagliflozin pro Tag oder Placebo.

Nach im Median 18 Monaten hatten 21,2% der Patienten in der Placebogruppe und 16,3% unter Dapagliflotzin ein Ereignis des primären Endpunktes – eine Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder Tod aus kardiovaskulärer Ursache – erlebt. Der Unterschied war mit einer Hazard Ratio von 0,74 signifikant (95%-Konfidenzintrvall: 0,65-0,85; p < 0.001).

Wie McMurray bei einer Pressekonferenz während der EASD-Tagung betonte, entspricht der Unterschied einer NNT (Number Needed to Treat) von 21. Auch die kardiovaskulär bedingten Todesfälle allein sowie die Gesamtmortalität seien jeweils unter der Dapagliflozin-Behandlung signifikant niedriger gewesen (HR: 0,82 bzw. 0,83). Außerdem habe sich die Herzinsuffizienz-Symptomatik – gemessen am Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire, KCCQ – unter dem SGLT2-Hmmer signifikant gebessert und auch in punkto Nierenfunktion schnitt die Dapagliflozin-Gruppe besser ab, wenn auch in diesem Punkt nicht signifikant.

Besonders interessant: Die Ergebnisse waren unabhängig davon, ob die Patienten an Diabetes litten oder nicht. Und auch diejenigen, die bereits mit einem ARNI behandelt wurden – in der Studienpopulation allerdings nur 11% – profitierten von der zusätzlichen Dapagliflozin-Gabe.  

„Ein neuer Ansatz gegen Herzinsuffizienz“

„Wir haben damit einen neuen Ansatz in der Behandlung der Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion“, machte McMurray deutlich. Die Effektstärke entspreche in etwa derjenigen, die mit dem ARNI (Angiotensin-2 Rezeptorblocker/Neprilysin-Inhibitor, Entresto®) in der PARADIGM-HF-Studie erreicht worden sei.

Um diesen Benefit allen Patienten mit HFrEF – auch denjenigen ohne Diabetes – zu Gute kommen zu lassen, sei zunächst aber natürlich eine Zulassung für diese Indikation und eine Aufnahme in die entsprechenden Leitlinien notwendig, erläuterte McMurray im Gespräch mit Medscape. „Es spricht aber nichts dagegen, es jetzt schon Patienten mit Diabetes und HFrEF großzügig zu geben“, so der schottische Kardiologe. Immerhin rund 40% unter den Herzinsuffizienz-Patienten in seiner Klinik seien gleichzeitig Typ-2-Diabetiker – insofern habe die DAPA-HF-Studie ein typisches Klientel geprüft.

 
Es spricht nichts dagegen, es jetzt schon Patienten mit Diabetes und HFrEF großzügig zu geben. Prof. Dr. John J.V. McMurray
 

Sicherheitsbedenken müsse man dabei nicht haben, sagte er. „Ich habe selten eine Studie gemacht, in der so wenige Patienten die Therapie abbrachen – die Behandlung war exzellent verträglich.“ Weder bei Volumenmangel und Flüssigkeitsverlust („volume depletion“), renalen Ereignissen, Amputationen oder Hypoglykämien habe es signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen gegeben. Einzig diabetische Ketoazidosen (3, alle bei Diabetikern, versus 0) und weniger schwere Genitalinfektionen waren unter Dapagliflozin häufiger. Insgesamt haben laut McMurray aber nur 7 Patienten wegen Genitalinfekten die Therapie vorzeitig beendet. Bei den Patienten ohne Diabetes habe der SGLT2-Hemmer zudem „null Effekt auf den HbA1c-Wert“ gehabt.

Der Effekt hat „nichts mit der Blutzuckersenkung zu tun“

Damit sei auch eindeutig, dass der günstige Effekt bei der Herzinsuffizienz „nichts mit der Blutzuckersenkung zu tun hat“, konstatierte McMurray. Auch über eine vermehrte Diurese allein lasse er sich nicht erklären. Insgesamt sei es schwierig, „renale und kardiale Benefits zu trennen“, sagte er: „Über den Mechanismus können wir bislang nur spekulieren.“

Der Diabetologe Prof. Dr. Silvio Inzucchi, Direktor des Yale Medicine Diabetes Center, New Haven, ergänzte in seiner Präsentation vor dem EASD-Plenum, dass die Effekte auf HbA1c-Wert, Blutdruck, Körpergewicht und Hämatokrit in der Subgruppe der Patienten mit Diabetes konsistent waren zu den Effekten, die mit dem SGLT2-Hemmer in früheren Studien gesehen worden waren: Der HbA1c-Wert nahm leicht ab, ebenso wie der Blutdruck und das Gewicht, der Hämatokrit stieg an.

Dagegen war in der Subgruppe ohne Diabetes kein Effekt auf den HbA1c-Wert oder das Gewicht zu erkennen, die Effekte auf den Blutdruck und den Hämatokrit entsprachen aber denjenigen bei den Diabetes-Patienten. Seine Folgerung: „Die hämodynamischen und metabolischen Wirkungen in diesen beiden Populationen sind möglicherweise unterschiedlich.“

 
Diese Daten stützen die Vorstellung, dass der kardiovaskuläre Benefit dieser Diabetes-Medikation sehr wahrscheinlich nur wenig oder gar nichts mit den Wirkungen bei Diabetes zu tun hat. Prof. Dr. Silvio Inzucchi
 

Absolut identisch sei aber der Benefit hinsichtlich der Herzinsuffizienz gewesen, betonte auch er. „Damit unterstützen diese Daten die Vorstellung, dass der kardiovaskuläre Benefit dieser Diabetes-Medikation sehr wahrscheinlich nur wenig oder gar nichts mit den Wirkungen bei Diabetes zu tun hat.“  

Nun auch bei diastolischer Herzinsuffizienz im Studientest

In dem zur Studienpublikation begleitenden Editorial erinnert Dr. James C. Fang, Abteilung für Kardiovaskuläre Medizin der Universität von Utah Health, Salt Lake City, an die erste kardiovaskuläre Endpunkt-Studie mit Empagliflozin, in der bereits aufgefallen war, dass der positive Effekt des SGLT2-Hemmers auf den kombinierten kardiovaskulären Endpunkt vor allem über eine Reduktion der Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz und die kardiovaskuläre Mortalität vermittelt wurde – und nicht über eine Reduktion von Herzinfarkten oder Schlaganfällen [3].

Zudem schien schon damals Empagliflozin die zunehmende Verschlechterung der renalen Funktion zu verlangsamen und der günstige Effekt auf die Herzinsuffizienz blieb auch bei eingeschränkter Nierenfunktion bestehen, schreibt er. „Diese ersten Beobachtungen bezüglich der Herzinsuffizienz wurden bestätigt und ergänzt durch weitere Studien mit SGLT2-Inhibitoren: die CANVAS Studie mit Canagliflozin und die DECLARE–TIMI 58 Studie ebenfalls mit Dapagliflozin.“

Vieles spricht damit dafür, dass es sich um einen Klasseneffekt der SGLT2-Hemmer bei Herzinsuffizienz handelt. Sowohl Dapagliflozin als auch Empagliflozin sollen nun in Studien auch bei diastolischer Herzinsuffizienz geprüft werden, berichtete McMurray auf Nachfrage von Medscape.
 

Kommentar

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