Der ärztliche Bereitschaftsdienst soll der breiten Öffentlichkeit bekannter und besser mit dem Notdienst der Krankenhäuser vernetzt werden. Hierzu hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) eine aufwändige und auffällige Werbekampagne der Nummer des Bereitschaftsdienstes „Elf6 Elf7“ gestartet.
Ultimativ sollen die ambulanten Notdienstpraxen als „Portalpraxen“ mit den Ambulanzen der Krankenhäuser eine gemeinsame Ersttriage von Notfallpatienten vornehmen – das wollen Politik und die Kassenvereinigungen.
Dieser „gemeinsame Tresen“ werde an einigen Orten im Versorgungsbereich Nordrhein bereits umgesetzt, sagte Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein, bei einer Pressekonferenz zum Status des ambulanten Bereitschaftsdiensts und dessen Vernetzung mit dem klinischen Notdienst [1].
„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Vorgaben der Bundes- und Landespolitik umzusetzen. Deshalb brauchen wir auch kein weiteres Gesetz zur Notfallversorgung und schon gar keine Regelungen, die den Bereitschaftsdienst zur Ländersache machen“, so Bergmann.
Die Nummer mit den Elfen
Dass der Bereitschaftsdienst außerhalb der Praxiszeiten der ambulanten Ärzte unter einer bundesweiten Nummer erreichbar ist, weiß bislang nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung – obwohl die Nummer bereits seit 2012 existiert. Laut einer Umfrage der KBV:
suchen immer noch 42% der Menschen bei akuten Beschwerden nachts und am Wochenende auch ohne echten Notfall sofort das Krankenhaus auf;
nur 37% der gesetzlich Versicherten kennen die 116 117 und
nur 26% wenden sich direkt an den ärztlichen Bereitschaftsdienst.
„Das ist uns zu wenig, und das wollen wir ändern“, sagte Bergmann, auch mit Blick auf die ab Januar 2020 erweiterte Funktion der Rufnummer. Vom 1. Januar an soll die 116 117 zur rund um die Uhr erreichbaren, umfassenden Servicenummer ausgebaut werden. Auch die Terminservicestellen der KVen sollen dann über diese Nummer erreichbar sein.
Mit einer auffälligen am 30. August bundesweit gestarteten PR-Kampagne versucht die KBV derzeit die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdiensts bekannter zu machen. Aus der einhundertsechzehn, einhundertsiebzehn (zehn Silben) wird zukünftig die „Elf 6, Elf 7“ – „Die Nummer mit den Elfen“. Die Nummer wird verkörpert von 2 Elfen-Figuren, den beiden Schauspielerinnen Monika Anna Wojtyllo (Elf 6) und Melanie Stahlkopf (Elf 7).
Notärzte kritisieren Kampagne
Kaum sind die ersten TV- und Internetspots der „Nummer mit den Elfen“ ausgestrahlt worden, gibt es kritische Töne – von Notfallmedizinern, die die Werbung als „gut gemeint, aber schlecht umgesetzt“ betrachten.
Wenige Tage nach dem Kampagnenstart hat die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) eine entsprechende Pressemitteilung veröffentlicht. „Die Werbung bagatellisiert in den Augen von Mitarbeitern in den Notaufnahmen die tatsächliche Brisanz und Schwierigkeiten in diesem Bereich“, so die Ansicht von DIVI-Präsident Prof. Dr. Uwe Janssens, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler.
„Diese vermutlich auch sehr kostenintensive Aktion wird dem zu vermittelnden Inhalt in keiner Weise gerecht“, so Janssens weiter. Also nähmen betroffene Patienten den Aufruf der KVen zum Anruf der 116 117 „vermutlich kaum ernst“ und die Kampagne trage „nicht nachhaltig dazu bei, eine bessere Steuerung der Patientenströme zu gewährleisten“, so Janssen.
Dass die Werbung bei den Notärzten auf wenig Gegenliebe stößt, nimmt die KBV gelassen. „Es gibt einen alten Werbespruch: Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“, so die Reaktion von KBV-Sprecher Roland Stahl.
Unverständnis über die kritischen Anmerkungen der Notärzte äußerte auch Dr. Carsten König, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein: „Es ist erstaunlich, dass sich ausgerechnet diejenigen negativ zu der Kampagne äußern, die sich jahrelang über volle Notfallambulanzen beschwert haben.“
Auch Bergmann wies die Kritik der Notärzte als „lächerlich“ zurück. „Man kann über die ,Elfen‘ denken, was man will: Solche ,Eselsbrücken‘ helfen dem Gedächtnis“, so seine Position. Er betrachtet die Werbemaßnahme als „einfallsreiche und witzige Kampagne, die in den Köpfen bleibt“. Daher habe man „alles richtig gemacht“.
Portalpraxen mit „gemeinsamem Tresen“ bis Ende 2022
Dass die Nummer bekannter werde, sei auch wichtig vor dem Hintergrund der weiteren Vernetzung des Bereitschaftsdiensts mit dem Notdienst der Kliniken. Bis Ende 2022 sollen die ambulanten Notdienstpraxen bundesweit flächendeckend zu Portalpraxen werden, die einen gemeinsamen Tresen mit den Notaufnahmen der Kliniken bilden.
Im Versorgungsbereich Nordrhein befinden sich schon heute 72 der 75 ambulanten Notdienstpraxen in oder an Krankenhäusern. Bundesweit seien es mehr als 600, betonte KBV-Chef Andreas Gassen.
„Wir sind mit den Portalpraxen, der engen Kooperation mit Krankenhäusern und dem Rettungsdienst auf dem richtigen Weg. Mit unserer Agenda erfüllen wir bereits viele Ziele der aktuellen politischen Überlegungen“, sagte Bergmann.
Erste Erkenntnisse aus Kölner Rettungsdienst-Kooperation
Wie die bedarfsgerechte Steuerung von Patienten gelingt, erprobt die KV Nordrhein aktuell in Köln zusammen mit der örtlichen Rettungsleitstelle, wie Medscape berichtete. Seit Januar 2019 ist die 116 117 für Kölner Bürger rund um die Uhr erreichbar. „Zudem können sich die Arztrufzentrale und die Kölner Rettungsleitstelle bei Bedarf gegenseitig Anrufer durchstellen“, berichtete Dr. Michael Klein, Leiter der Arztrufzentrale NRW.
Bislang haben rund 2.700 Bürger den ambulanten Notdienst zur Öffnungszeit der Arztpraxen gewählt. „Hier haben wir in über 780 Fällen Termine in Kölner Arztpraxen organisiert. Dadurch konnten wir den Rettungsdienst von Bagatellfällen entlasten“, so Klein.
Rund 40 Partnerpraxen unterschiedlicher Fachrichtungen nehmen an dem Projekt teil, die etwa in den Mittagspausen akute Patienten behandeln, die die 116 117 oder auch die 112 gewählt haben. Zug um Zug soll nun diese Art der Kooperation zwischen Arztrufzentrale und Rettungsdienst auf weitere Städte, etwa Düsseldorf, ausgeweitet werden, sagte Bergmann.
Relativ wenige Anrufer haben bislang die falsche Anlaufstelle genutzt, betonte Klein. „Die Anrufer wissen ziemlich genau, wen sie bei welchen Beschwerden kontaktieren müssen“, so seine Erkenntnis aus dem Modellprojekt. Die Arztrufzentrale sehe somit keine Notwendigkeit zur räumlichen Zusammenlegung von Feuerwehrleitstellen und den Leitstellen des Ärztlichen Notdiensts. „Es handelt sich um 2 Systeme, die man so belassen sollte“, findet auch Bergmann.
Kritik an Gesetzentwurf zur Notfallreform
Der Gesetzentwurf zur Notfallreform von Gesundheitsminister Jens Spahn sieht eine Verschmelzung von ärztlichem Bereitschaftsdienst und Notfallambulanzen der Kliniken vor. Zudem sollen Integrierte Notfallzentren (INZ) an den Klinken eingerichtet werden.
Der Sicherstellungsauftrag für die Integrierten Notfallzentren soll bei den Ländern liegen. Diese könne man aus dem System der Portalpraxen weiterentwickeln, bemerkte Bergmann. „Was wir aber kritisch sehen, ist der Übergang des Sicherstellungsauftrags von den KVen an die Länder. In dem Fall gebe es keine einheitliche Versorgung mehr, weil jedes Land eigene Schwerpunkte setzen würde“, so Bergmanns Bedenken. Zudem wäre eine „erhebliche administrative Aufrüstung“ notwendig zur Schaffung von Schnittstellen zwischen Ländern und KVen.
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Diesen Artikel so zitieren: Ärztlicher Bereitschaftsdienst „Elf6 Elf7 – die Nummer mit den Elfen“: Neue Kampagne soll Patienten besser lenken - Medscape - 25. Sep 2019.
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