Glutenfrei ist in: Auch Menschen, die gar keine Gluten-Unverträglichkeit haben, vermeiden das Kleber-Eiweiß. Sie profitieren aber vom Verzicht auf Gluten in keiner Weise, bestätigt eine doppelblind-randomisiert-kontrollierte Studie [1].

Prof. Dr. Wolfgang Holtmeier
Dr. Iain David Croall von der Universität Sheffield, Großbritannien, und seine Kollegen haben verschiedene Symptome nach dem Glutenverzehr mit 28 gesunden Freiwilligen getestet: Die Versuchspersonen, die vorher normal gegessen hatten, sollten 2 Wochen lang eine glutenfreie Diät einhalten. Die eine Hälfte bekam täglich zusätzlich 14 g Gluten verabreicht, die andere Hälfte ein Placebo in Form von glutenfreiem Mehl. Symptome wie Durchfall, Verstopfung, Schmerzen oder allgemeine Müdigkeit unterschieden sich zwischen den Gruppen nicht.
Das Ergebnis sei wenig erstaunlich, meint Prof. Dr. Wolfgang Holtmeier, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie am Krankenhaus Köln Porz. „Was alle wussten, wurde jetzt nochmal bestätigt, sehr hochrangig publiziert, in Gastroenterology, dem führenden Journal in unserem Fachbereich. Das hat mich schon gewundert. Daran kann man nur sehen, wieviel Verunsicherung da ist hinsichtlich des Glutens.“
Wer verträgt kein Gluten?
Gluten ist tatsächlich nur für geschätzt 1% der Bevölkerung ein ernstes Problem. Sie leiden unter Zöliakie und müssen auch auf kleinste Mengen Gluten verzichten. Denn in ihrem Darm setzt das Getreideprotein eine Autoimmunreaktion in Gang, die die Darmzotten zerstört.
Zusätzlich gibt es dann noch diejenigen Patienten, die auf glutenhaltige Getreide mit gastrointestinalen oder anderen Beschwerden reagieren. Sie haben aber keine Zöliakie und auch keine klassische Weizenallergie, sondern eine Gluten- oder Weizensensitivität. Dafür gibt es bisher keinen diagnostischen Marker. Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose. Die Mehrheit der Bevölkerung verträgt allerdings Gluten nach momentanem Wissensstand ohne Probleme.
Nichtsdestotrotz verzichten offenbar aber zahlreiche Menschen auf Gluten, obwohl sie beschwerdefrei sind, schreiben Croall und Kollegen. Der Grund: Sie halten Gluten generell für schädlich oder folgen einem bestimmten Lebensstil.
„Es ist unklar, wie viele Menschen nur deshalb glutenfrei leben, weil sie es für gesünder halten“, geben Dr. Emma Halmos und Prof. Dr. Peter Gibson von der australischen Monash-University in einem Editorial zu bedenken [2]. Die große Mehrheit derer, die auf Gluten verzichten, ernähre sich wohl nicht aufgrund von konkreten Beschwerden glutenfrei.
Was bringt glutenfreie Ernährung für Gesunde?
Die Studie wendet sich gezielt an diese Menschen ohne gesundheitliche Probleme. „Wir haben die erste doppelblind-randomisiert-kontrollierte Studie mit Gluten an gesunden Probanden durchgeführt, mit der Hypothese, dass das Gluten keine Symptome hervorrufen würde“, schreiben die Autoren.
„Durch so eine Studie könnte man nachweisen, dass Versuchspersonen vielleicht doch fitter sind, wenn sie kein Gluten zu sich nehmen“, erklärt der Kölner Gastroenterologe Holtmeier. „Es gab aber keinen Unterschied zum Normalzustand, die Probanden fühlten sich nicht besser.“
Allerdings sei die Studie mit 2 Wochen Dauer recht kurz gewesen, merkt Holtmeier an. Langzeiteffekte, so es sie denn gebe, könnten so nicht erfasst werden.
Ursache der Weizensensitivität wird noch erforscht
Zudem sei bisher nicht abschließend geklärt, warum glutenhaltiges Getreide bei einer noch unbekannten Zahl von Menschen Beschweren verursacht. Die Personen leiden nicht unter Zöliakie und auch nicht unter einer klassischen Weizenallergie. Das Krankheitsbild trägt den Namen Weizensensitivität, und Holtmeier hält diese mittlerweile auch für ausreichend nachgewiesen.
„Es gibt die Patienten, denen es besser geht, wenn sie Weizen weglassen“, sagt er. „Da gibt es auch gute Studien, die das zeigen konnten. Ob das mit Gluten etwas zu tun hat, das ist allerdings fraglich.“
Denn in glutenhaltigen Getreiden finden sich noch viele potenzielle andere Allergene oder Inhaltsstoffe, die auf unterschiedlichen Wegen Symptome hervorrufen könnten. Während man anfangs Gluten für den Übeltäter hielt, gibt es mittlerweile mehrere andere Verdächtige: z.B. sogenannte FODMAPs, fermentierbare Moleküle wie z.B. Fruktose und andere Stoffe, die durch Vergären im Darm für Probleme sorgen könnten.
Auch Alpha-Amylase-Trypsin-Inhibitoren, kurz ATIs, eine Stoffklasse aus Weizen und anderen Getreiden, sollen z.B. Allergien oder Erkrankungen verstärken. Ob die Testsubstanz der britischen Studie außer Gluten möglicherweise auch diese Substanzen enthielt, wird in der Studie allerdings nicht erwähnt.
Im Editorial fragen sich Halmos und Gibson ohnehin, ob die Wissenschaft überhaupt in der Lage sei, die Glaubensfragen rund um Gluten zu beantworten. „Obwohl die Studie eine Lücke in der Gluten-Forschung gefüllt hat, wird sie vielleicht nicht viel ausrichten können gegen die Ansicht, dass glutenfreie Ernährung gut für die Gesundheit ist“, schreiben die Autoren.
Medscape Nachrichten © 2019 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Wer gesund ist, muss Gluten nicht meiden, bestätigt nun eine Doppelblindstudie - Medscape - 24. Sep 2019.
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