2 Tage weniger krank: Pädiater präsentiert Evidenz zur Phytotherapie bei Infekten bei Kindern

Petra Plaum

Interessenkonflikte

23. September 2019

München – Gegen virale Infekte der Atemwege scheint kein Kraut gewachsen. Oder doch? Beim Kongress für Kinder- und Jugendmedizin in München stellte Prof. Dr. Georg Seifert seine Auswertung von Studien zur Phytotherapie bei Kindern vor [1]. Zwar schnitten die meisten pflanzlichen Wirkstoffe eher enttäuschend ab. Doch für Extrakte aus der Kapland-Pelargonie gibt es inzwischen eine gute Evidenz für ihre Wirksamkeit.

 
Wir sparen im Durchschnitt zwei Tage Krankheitszeit, erreichen eine schnellere Symptomreduktion und die Begleitmedikation wird reduziert. Prof. Dr. Georg Seifert
 

„Der Wirkstoff aus Pelargonium sidoides, EPs® 7630, hat im Tiermodell die sekretolytische Aktivität verbessert und die Hustendauer verringert. Bei Kindern erholten sich die Tonsillen deutlich schneller“, sagte Seifert, der eine Professur für Integrative Medizin in der Pädiatrie an der Charité in Berlin inne hat.

Insgesamt legten die Studien mit Kindern und Jugendlichen eine genesungsfördernde Wirkung gegen Tonsillitis und Bronchitis nahe: „Wir sparen im Durchschnitt zwei Tage Krankheitszeit, erreichen eine schnellere Symptomreduktion und die Begleitmedikation wird reduziert.“

Lange Tradition, wenig Studien

Husten, Schnupfen, Halsschmerz: Was jeder kennt, beansprucht Patienten wie Ärzte stark. „Im Verlauf von Epidemien können bis zu 50% aller ärztlichen Konsultationen durch Atemwegsinfektionen bedingt sein“, verwies Seifert zudem auf eine Schätzung aus dem Jahre 2006.

In 90 bis 95% der Fälle sind Viren die Ursache. Wenn bakterielle Erreger Beschwerden verursachen, dann zumeist als superinfizierende Keime, die im späteren Verlauf der viralen Infektion hinzukommen. „In Deutschland ist der Antibiotika-Einsatz inzwischen vergleichsweise gering“, merkte Seifert an.

Was aber tun, wenn Kinder und Jugendliche deutlich unter ihren Erkältungssymptomen leiden und Eltern die Genesung aktiv unterstützen möchten? „Wir haben eine vielfältige Tradition von Phytotherapie, die weit zurückreicht, ein kulturelles Erbe“, so Seifert. Ob heißer Tee mit Honig, Wickel, Hustensäfte oder Lutschtabletten mit pflanzlichen Wirkstoffen, viele setzen auf pflanzliche Anwendungen und berichten, dass sie helfen.

Tatsächlich, so Seifert, gibt es zahlreiche Therapien wie Zwiebelwickel gegen Ohrenschmerzen, bei denen Patienteneltern sich allein auf Anwenderberichte verlassen müssen. Solche Anwendungen zu standardisieren, wäre extrem aufwändig. „Kein Zwiebelgroßhändler würde uns eine Studie finanzieren“, gab Seifert zu bedenken.

Doch es gibt auch Phytotherapien, mit denen Studien gut möglich sind, weil die Wirkstoffe in einer bestimmten Darreichungsform üblich sind. Seifert präsentierte das Ergebnis einer eigenen Auswertung aus Kinder-Studien, allerdings ohne Quellenangabe. Alle jungen Patienten hatten Infektionen der oberen Luftwege und wurden phytotherapeutisch behandelt. Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Echinacea wurde in 10 Präventions- sowie 15 Therapiestudien mit Kindern untersucht, in 2 der Therapiestudien zeigte der Wirkstoff einen signifikanten Effekt.

  • Efeublätter-Extrakt hatte in einer randomisiert-kontrollierten Studie sowie mehreren Kohortenstudien keinen klinisch relevanten Effekt.

  • Primel- mit Thymianextrakt konnte in 2 prospektiven Kohortenstudien den Bronchitis-Score (BSS) der Patienten senken, allerdings fehlten in den Studien Kontrollgruppen.

  • Eine Kombination von Enzian, Holunder, Verbene, Sauerampfer und Primel führte in 3 randomisiert-kontrollierte Studien zu einer leichten Verbesserung der Symptome. Sie wurde allerdings nur an Erwachsenen getestet.

  • Der Wirkstoff aus der Wurzel der südafrikanischen Kapland-Pelargonie, EPs® 7630, zeigte in mehreren Studien eine klinisch relevante Wirkung bei erkälteten Kindern. Jahrzehntelang war Umckaloabo® von der Dr. Willmar Schwabe GmbH das einzige Präparat mit diesem Wirkstoff, inzwischen bieten auch mehrere andere Hersteller Tropfen und Tabletten mit dem Wirkstoff an.

Warum EPs® 7630 wirkt

Wie genau der Wurzelextrakt von Pelargonium sidoides wirkt, ist inzwischen gut erforscht. „In vitro sehen wir einen direkten antiviralen Effekt. EPs® 7630 bewirkt die Inhibition der Replikation eines breiten Spektrums respiratorischer Viren“, berichtete Seifert.

Die dazugehörige Studie ergab, dass die Replikation von einigen saisonalen Influenza-A-Virusstämmen, humanen Coronaviren sowie des respiratorischen Syncytial-Virus, Parainfluenzavirus und Coxsackie-Virus durch den Extrakt vermindert wurde.

 
EPs® 7630 bewirkt die Inhibition der Replikation eines breiten Spektrums respiratorischer Viren. Prof. Dr. Georg Seifert
 

Eine weitere In-vitro-Studie zeigte, wie der Wirkstoff die Neuraminidase hemmt. Resistenzen bildeten die Viren dadurch nicht. In vivo, am Mausmodell, hatten mit Influenza infizierte Tiere eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit, wenn sie EPs® 7630 inhalierten.

2015 führte ein Team aus Peking Tierversuche an Ratten, Mäusen und Meerschweinchen durch, die mit Bronchitis infiziert worden waren. Diese Tiere zeigten eine verringerte Hustenfrequenz und weniger Läsionen der Lunge, wenn sie den Extrakt der Kapland-Pelargonie oral bekommen hatten.

Weiteren Studien zufolge, berichtete Seifert, moduliert der Wirkstoff die Synthese von Interferonen, Zytokinen und Defensinen, hemmt das Hämagglutinin und die Adhäsion von Bakterien an lebenden Schleimhautzellen. Er stimuliert die Funktion der Phagozyten und die Schlagfrequenz des respiratorischen Flimmerepithels und erhöht die sekretolytische Aktivität signifikant.

Kinderstudien: Schneller gesund, weniger Schmerzmittel

Zu Wirkweise bei Kindern mit akuter Bronchitis verwies Seifert auf 3 placebo-kontrollierte, randomisierte Studien sowie 3 Anwendungsbeobachtungsstudien mit Kindern und Jugendlichen. Die insgesamt mehr als 4.000 jungen Patienten im Alter von 12 Monaten bis 18 Jahren wurden über 7 bis 14 Tage lang behandelt und untersucht.

Alle Studien sprachen für ein gutes Ansprechen auf die Therapie bei guter Verträglichkeit. Die Anzahl an Patienten, die nach 7 Tagen wieder in Kindergarten, Schule oder Ausbildungsstätte gehen konnten, war 2 Studien zufolge (n = 220 bzw. 200) in der Verum-Gruppe 3-mal so hoch wie in der Placebo-Gruppe.

Seifert selbst war Ko-Autor einer prospektiven, placebokontrollierten, doppelt verblindeten Studie mit 126 Kindern im Alter von 6 bis 10 Jahren, die an akuter Tonsillopharyngitis litten und negativ auf A-Streptokokken getestet worden waren.

Nach 6 Tagen mit 3-mal 20 Tropfen waren 80% der Kinder in der Verum-Gruppe beschwerdefrei, aus der Placebo-Gruppe dagegen nur 25%. Die Patienten erhielten zusätzlich zum Verum viel seltener Paracetamol als die Patienten in der Kontrollgruppe.

„Der Wirkstoff EPs® 7630 ist ein präklinisch und klinisch in der Pädiatrie erforschtes Medikament, das die Krankheitsdauer verkürzt, die Krankheitssymptome beseitigt und kein Risiko mikrobieller Resistenz birgt“, schlussfolgerte Seifert darum. Insgesamt fühlten sich Kinder und Jugendliche damit im Durchschnitt 2 Tage früher gesund als mit einem Placebo-Präparat.

Allerdings ist auf die altersgemäße Dosierung und Symptome von Leberschäden zu achten. Im Jahr 2011 gab es Hinweise auf eine möglicherweise lebertoxische Wirkung von Präparaten mit Pelargonium-sidoides-Extrakt, was aber Folgestudien nicht bestätigten. Ganz ausgeschlossen werden kann ein erhöhtes Risiko für die Leber allerdings nicht.

Nach dem Vortrag diskutierte das Publikum darüber, dass trotz der Möglichkeit einer phytotherapeutischen Behandlung viele Eltern in der Kinderarztpraxis dennoch Antibiotika forderten. Ein Grund: Die Kosten für Phytotherapeutika werden von den meisten gesetzlichen Krankenkassen nur bis zu einem Patienten-Alter von 12 Jahren übernommen.

 

Kommentar

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