MEINUNG

Großer Effekt bei Krebspatienten: Randomisierte Studie belegt Wirksamkeit von Qigong – Fatigue nach Chemo um die Hälfte reduziert

PD Dr. Georgia Schilling

Interessenkonflikte

21. Oktober 2019

Eine randomisierte Studie belegt die Wirksamkeit der chinesischen Trainingsform gegen Fatigue bei Kolorekatalkrebs. PD Dr. Georgia Schilling erklärt, was man Krebspatienten nun genau raten sollte.

Transkript des Videos von PD Dr. Georgia Schilling:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Georgia Schilling. Ich bin Chefärztin der Abteilung für Onkologische Rehabilitation in der Nordsee-Klinik Westerland auf Sylt.

Ich habe Ihnen eine aktuelle Arbeit aus meinem Bereich mitgebracht, die von der chinesischen Arbeitsgruppe um Yun Lu aktuell in Oncology Research Treatment veröffentlicht worden ist. Es geht um den Effekt von Baduanjin Qigong (Acht-Brokate-Qigong) auf die Chemotherapie-assoziierte Fatigue-Symptomatik bei Patienten mit Kolorektalkarzinomen, die eine Chemotherapie erhalten. Das Besondere daran: Es war eine randomisierte Studie.

Fatigue – stark belastende Nebenwirkungen der Chemotherapie

Fatigue ist bekanntlich eines der am stärksten belastenden Symptome für die Patienten, weil es die Alltagsaktivitäten einschränkt. Wir thematisieren diese Nebenwirkung auch wenig, weil wir keine effiziente Therapie dafür haben. Wenn man diese Symptome versucht zu behandeln, ist dies sehr aufwändig und langwierig.

Während der Chemotherapie sind 60 bis 96% der Patienten von einer Fatigue betroffen. Auch 6 Monate nach der Chemotherapie berichten noch ca. 30% der Patienten über mäßige bis starke Fatigue.

Chinesische Bewegungsform

Das hier beschriebene Qigong gehört zu den gering intensiven Bewegungsarten, es geht vorwiegend um die Muskeldehnung. Nach der chinesischen Lehre wird die Lebensenergie „Qi“, der Blutfluss und körperlicher Funktionalität gefördert.

Baduanjin Qigong ist leicht zu erlernen, das Aktivitätslevel ist für Patienten mit chronischen Erkrankungen angemessen. Eine spezielle Ausrüstung wird nicht benötigt. Die Übungen können zu Hause oder draußen, alleine oder in der Gruppe ausgeübt werden. Üben in der Gruppe fördert nach Meinung der Autoren auch die Adhärenz, längerfristig dabei zu bleiben.

 
„Während der Chemotherapie sind 60 bis 96% der Patienten von einer Fatigue betroffen.“ PD Dr. Georgia Schilling
 

Aus einer großen Metaanalyse wissen wir, dass aerobe Bewegungen positive Effekte auf eine Chemotherapie-assoziierte Fatigue haben, wie auch Untersuchungen bei Frauen mit Mammakarzinom zeigten. Außerdem gibt es Daten aus kleinen Studien, in denen Qigong angewendet worden ist.

Prospektive randomisierte Studie

Die aktuelle chinesische Studie war prospektiv, randomisiert und offen mit 43 Patienten im Kontrollarm und 44 Patienten im Interventionsarm durchgeführt worden. Die beiden Arme waren sehr ausgeglichen. Das Interventionsteam war multiprofessionell zusammengesetzt. Ihm gehörten eine onkologische Fachpflegekraft, ein Onkologe, ein Rehabilitationsmediziner und in TCM geschulte Pflegekräfte an.

Die Patienten wurden zunächst per App eingeladen, sie sahen sich dann Videos an, in denen die Übungen erklärt wurden. Das war ein Aufwand von 2 x 40 Minuten. Die Patienten mussten 5 x pro Woche Qigong machen, wobei eine Session jeweils 20 bis 40 Minuten dauerte. Das war also schon sehr intensiv.

Als Chemotherapie erhielten sie FOLFOX (Oxaliplatin, Folinsäure, Fluorouracil), XELOX (Capecitabin, Oxaliplatin) oder FOLFIRI (Folinsäure, Fluorouracil, Irinotecan). Die Verteilung war sehr ausgeglichen in beiden Armen.

Primärer Endpunkt war der BFI(Brief Fatigue Inventory)-Score nach 24 Wochen, zu den sekundären Endpunkten gehörten der Karnofsky Performance Status (KPS) und der Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI).

Weniger Fatigue bei regelmäßigen Übungen

In der Interventionsgruppe hatten nach 24 Wochen weniger Patienten moderate bis starke Fatigue. Der Unterschied war mit 23,2% in der Interventionsgruppe vs. 59,1% in der Nichtinterventionsgruppe signifikant. Die moderate bis starke Fatigue ist also um mehr als die Hälfte zurückgegangen, das ist sehr beeindruckend.

Auch der Karnofsky-Performance-Status und der Pittsburgh Sleep Quality Index haben sich verbessert. Dies zeigt eine verbesserte körperliche Funktionalität der Patienten und eine bessere Schlafqualität an. Beide Parameter waren ebenfalls signifikant unterschiedlich zwischen den Armen.

Interessant ist, dass sich nach 12 Wochen noch keine Unterschiede gezeigt haben. Das heißt, wir müssen die Patienten motivieren, diese Übungen nicht nur über 3 Monate zu machen, sondern dauerhaft. Das ist m.E. neben der guten Wirkung die wichtigste Botschaft.

 
„Die moderate bis starke Fatigue ist also um mehr als die Hälfte zurückgegangen, das ist sehr beeindruckend.“ PD Dr. Georgia Schilling
 

Die Autoren kommen auch zu dem Fazit, dass Qigong die Fatigue-Symptomatik bei Patienten mit Kolorektalkarzinom unter Chemotherapie verbessern kann und dass das körperliche Aktivitätslevel sowie die Lebensqualität gebessert werden.

Wir müssen die Patienten nachhaltig und langfristig motivieren

Seit ich die Studie kenne, stelle ich sie meinen Reha-Patienten auch vor. Wenn die Patienten vielleicht nicht so der asiatischen Bewegungsart zugeneigt sind, weise ich darauf hin, dass diese Übungen wirklich effektiv sind. Außerdem erkläre ich den Patienten jetzt natürlich immer, wie wichtig es ist, dass sie die Übungen zuhause weiter machen. Wir können nicht erwarten, dass sich nach einer 3- oder 4-wöchigen stationären Rehabilitationsmaßnahme in diesem Bereich etwas verbessert. Es kommt auf das Durchhalten an.

Wir müssen lernen, unsere Patienten nachhaltig und langfristig zu motivieren. Dann können sie wirklich etwas für sich tun und ihre Fatigue-Symptome deutlich verbessern.

In diesem Sinne Tschüss und vielen Dank fürs Zuhören
 

Kommentar

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