6 aktuelle Studien präsentiert von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener – zu Ernährung, Sekundärprävention von Schlaganfall, Epilepsie, Duchenne-Muskeldystrophie und antithrombotischer Therapie.
Transkript des Videos von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Ich berichte Ihnen heute über einige Studien, die im September 2019 publiziert worden sind.
Mehr Schlaganfälle bei Vegetariern
Lassen Sie mich mit dem Thema Ernährung und dem Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen beginnen. In England wurde vor mehr als 20 Jahren eine große epidemiologische Studie mit fast 50.000 Teilnehmern ohne Schlaganfall oder ischämische Herzerkrankungen aufgelegt. Diese Menschen wurden weiter beobachtet und in 3 Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe aß überwiegend Fleisch, die zweite Gruppe überwiegend Fisch. Die dritte Gruppe bestand aus Vegetariern.
Über einen Zeitraum von 18 Jahren war das Risiko einer ischämischen Herzerkrankung bei den Menschen, die überwiegend Fisch konsumierten im Vergleich zu den vorwiegenden Fleischessern um 13% reduziert, bei den Vegetariern um 22%. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass 10 ischämische Ereignisse weniger pro 1.000 Menschen über 10 Jahre auftraten.
Das überraschende Ergebnis war aber, dass beim Schlaganfall Vegetarier ein um 20% höheres Risiko hatten. Dies waren überwiegend zerebrale Blutungen. In absoluten Zahlen: Bei Vegetariern traten 3 Schlaganfälle mehr pro 1.000 Personen pro 10 Jahre auf.
Die wahrscheinlichste Erklärung hierfür ist vermutlich LDL-Cholesterin. LDL-Cholesterin ist ein eindeutiger Risikofaktor für die ischämische Herzerkrankung, aber ein sehr niedriger LDL-Spiegel können auf einer epidemiologischen Basis über einen Zeitraum von 20 Jahren vielleicht doch das Risiko zerebraler Blutungen minimal erhöhen.
Für den Alltag hat dies m.E. aber keine Bedeutung, da wir ja weniger Fleisch essen sollen, um die Umwelt zu schützen, was derzeit wohl das höchste Rechtsgut ist.
Neue Leitlinien der European Stroke Association
Die 2. Studie stammt aus dem European Stroke Journal. Hier hat die European Stroke Association ihre Leitlinien zur Sekundärprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern und ischämischem Insult publiziert. Die Empfehlungen sagen ganz klar, dass Thrombozytenfunktionshemmer nicht mehr eingesetzt werden sollten, sondern dass die Patienten entweder mit Vitamin-K-Antagonisten oder NOAK (neuen oralen Antikoagulanzien) behandelt werden sollten. NOAK werden gegenüber Vitamin-K-Antagonisten allerdings präferiert.
Wichtig ist auch, dass kein „bridging“ empfohlen wird, also kein niedermolekulares Heparin bis die Antikoagulation beginnt. Es gibt keine Empfehlungen zum Zeitintervall zwischen Ereignis und Beginn der Antikoagulation und zum Einsatz des Verschlusses des linken Vorhofohrs bei Patienten mit Langzeit-Kontraindikation gegen die Antikoagulation. Hier sind die Studien, die im Moment laufen, noch nicht abgeschlossen.
Antithrombotische Therapie verringert Blutungskomplikationen bei Kavernomen
Die dritte Studie, publiziert in Lancet Neurology, beschäftigt sich mit der interessanten Frage, ob eine antithrombotische Therapie Blutungskomplikationen bei zerebralen Kavernomen beeinflusst. In der populationsbezogene Kohortenstudie in Schottland wurden 300 Teilnehmer über 7 Jahre verfolgt. Die Kollegen konnten eindeutig zeigen, dass das Risiko zerebraler Blutungen bei den Patienten, die eine antithrombotische Therapie erhielten, dramatisch reduziert war. Das ergab auch eine Metaanalyse von 6 Kohortenstudien mit 1.342 Patienten.
Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass Thrombozytenfunktionshemmer und Antikoagulanzien vermutlich kleine venöse Thrombosen verhindern. Diese Thrombosen können, wie bei der Sinusvenenthrombose, zu Blutungen führen.
Ergebnisse der RE-SPECT CVT
Wir haben in JAMA Neurology die Ergebnisse der RE-SPECT-CVT-Studie publiziert. In die Studie waren 120 Patienten mit zerebralen Sinusvenenthrombosen aufgenommen worden. Nach einer initialen Gabe von Heparin oder niedermolekularem Heparin wurden sie randomisiert mit Dabigatran (zweimal 150 mg/Tag) oder Warfarin über 24 Wochen behandelt. Dies war eine Sicherheitsstudie.
Nach einem halben Jahr zeigten sich 1 intestinale Blutung unter Dabigatran und 2 intrakranielle Blutungen unter Warfarin – also extrem geringe Blutungsraten. Keiner der behandelten Patienten hat eine erneute Sinusvenenthrombose oder ein venöses thrombotisches Ereignis (VTE) erlitten.
Diese Ergebnisse führen im Moment natürlich nicht zur Zulassung von Dabigatran für diese Indikation, aber sie sind ein beruhigendes Sicherheitssignal.
Depressionsbehandlung bei Epileptikern
Die nächste Studie, publiziert in Annals of Neurology, beschäftigt sich mit der Behandlung der Depression bei Patienten mit Epilepsie. 140 Patienten mit Epilepsie und Major Depression wurden über 16 Wochen entweder mit Sertralin oder einer kognitiven Verhaltenstherapie behandelt. Der Therapieerfolg war in beiden Gruppen gleich, bei etwa 50% der Patienten kam es zu einer Remission der Depression. Ein wichtiges Ergebnis ist, dass Sertralin das Risiko epileptischer Anfälle nicht erhöht. Im klinischen Alltag sollten idealerweise beide Therapiemethoden miteinander kombiniert werden.
Vamorolon bei Duchenne-Muskeldystrophie
Die letzte Studie, publiziert in Neurology, beschäftigt sich mit der Therapie der Duchenne-Muskeldystrophie. Hier werden Glucocorticoide mit den ganzen typischen Nebenwirkungen eingesetzt. Es gibt jetzt eine neue Substanz, Vamorolon, die sehr viele Eigenschaften der Glucocorticoide hat, aber offenbar nicht deren typische Nebenwirkungen aufweist.
In einer offenen Dosisfindungsstudie mit 48 Jungen im Alter zwischen 4 und 7 Jahren zeigte sich jetzt, dass eine Tagesdosis von 2 mg motorische Funktionen verbessert und deutlich weniger Nebenwirkungen hervorruft als üblicherweise von Glucocorticoiden bekannt ist. Das muss jetzt in einer randomisierten Studie belegt werden.
Meine Damen und Herren, das sind die interessanten Studien aus dem Bereich Schlaganfall, Epilepsie und zur Duchenne-Muskeldystrophie. Ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und bedanke mich herzlich für Ihre Teilnahme.
Medscape © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Neuro-Talk: Vegetarier haben seltener Herzprobleme aber häufiger Schlaganfälle, neue Stroke-Leitlinie plus News zu Epilepsie - Medscape - 7. Okt 2019.
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