SPD will Großanbieter von Pflegeplätzen bremsen – Gewinnstreben mit der „Würde der Pflege nicht vereinbar“

Christian Beneker

Interessenkonflikte

18. September 2019

Die SPD-Bundestagsfraktion will dem Gewinnstreben von Pflegekonzernen einen Riegel vorschieben. Das geht aus einem Positionspapier der Fraktion hervor, das Medscape vorliegt.

Versorgungssicherheit und Qualität müsse „Vorrang haben vor gewinnorientierter Marktlogik“, heißt es in dem Papier. Zwar leisteten die privaten Pflegeanbieter einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung, und sie müssten auch Überschüsse erwirtschaften, um investieren zu können. Aber spekulative Gewinne zu Gunsten anonymer Anleger oder Investoren seien mit der Würde der Pflege nicht vereinbar, erklärt die SPD-Fraktion. Darum wollen die Sozialdemokraten die Rendite von Pflegeanbietern deckeln.

Zum Hintergrund: Nach Angaben des statistischen Bundesamtes waren zum Jahresende 2017 rund 3,41 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Wegen des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes sind seit 2015 besonders viele Pflegebedürftige hinzugekommen, und zwar etwas über eine halbe Million.

Mit 76% oder 2,59 Millionen der heute Pflegebedürftigen werden gut 3 Viertel der vorwiegend alten Leute zuhause versorgt, oft durch Angehörige (1,76 Millionen). Knapp ein Viertel aller Pflegebedürftigen (24% oder 0,82 Millionen) wird in einem der rund 14.500 Pflegeheime betreut, so das Bundesamt. 43% oder rund 6.200 dieser Einrichtungen sind private Häuser. Um sie dreht es sich bei der Kritik der Sozialdemokraten.

 
Dazu (um die Renditen von Investoren zu steigern) sind die Mittel der Sozialversicherungen aber nicht da. Heike Baehrens
 

Unternehmen mit 25.000 Pflegeplätzen

Nach Angaben des Pflegeheim-Atlas 2018 (der übrigens von einer Immobilienberatungsfirma herausgegeben wird) sind zum Teil sehr große Anbieter unter den Pflegeheim-Betreibern.

  • Zum Beispiel der Marktführer: Die französische Korian-Gruppe bietet nach eigenen Angaben 234 Pflegeinrichtungen in Deutschland und mehr als 25.000 Pflegeplätze.

  • Auf Platz 2 liegt die Alloheim Senioren-Residenz – mit 210 stationären Pflegeeinrichtungen und über 18.000 Pflegebetten. Eigentümer: der schwedische Nordic Capital Fund, der nach eigenen Angaben auch in Möbel oder „Green Food“ investiert.

  • Und auf Platz 3 liegt die deutsche Unternehmensgruppe Victor´s AG (Pro Seniore) mit 119 stationären Einrichtungen und mehr als 15.000 Pflegebetten.

Die Top 7 der Pflegeheimbetreiber in Deutschland sind private Einrichtungen.

Die reinen Investorengesellschaften unter ihnen müssen Gewinne machen, um ihren Anlegern Renditen zu verschaffen, kritisiert Heike Baehrens, pflegepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Die SPD will nun diese Renditen deckeln.

 
Wir brauchen in den Kommunen vor Ort nicht einfach immer mehr Pflegeplätze, sondern abgestimmte lokale Lösungen. Heike Baehrens
 

Dies müsse rechtlich möglich sein, weil die Gewinne letztlich aus Mitteln der Solidargemeinschaft geschöpft werden. „Dazu (um die Renditen von Investoren zu steigern) sind die Mittel der Sozialversicherungen aber nicht da“, sagt die Sprecherin. „Die großen Pflegeanbieter setzen zudem auf immer mehr Wachstum. Dabei brauchen wir in den Kommunen vor Ort nicht einfach immer mehr Pflegeplätze, sondern abgestimmte lokale Lösungen.“

In Friedrichshafen zum Beispiel habe die kommunale Wohnungsbaugesellschaft zusammen mit Partnern der freien Wohlfahrtspflege altersgerechte Wohnungen in Verbindung mit Tagespflegeplätzen und Serviceangeboten in einem Wohngebiet geschaffen. „Bei Bedarf kann man so ein Angebot auch um Pflegeplätze erweitern“, sagt Baehrens zu Medscape.

Es sind also auch die Kommunen gefragt. Nicht zuletzt deshalb, weil sie es letztlich sind, die die Pflegeheime der Großinvestoren genehmigen – oder eben nicht. Im Übrigen, so die Sozialdemokratin, habe sie nichts gegen Anleger in der Pflege. „Man kann auch Gemeinwohl-orientierte Anlageformen für die Pflege wählen, in die solvente Privatleute ihr Geld anlegen können.“

Spahn: Sind zweistellige Rendite-Erwartungen angemessen?

Jens Spahn
© Stephan Baumann

Ihre kritische Haltung teilt die SPD-Fraktion mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). In einem Beitrag für das Handelsblatt schreibt er: „Pflege ist kein Markt wie jeder andere.“ Denn die Pflegebedürftigen hätten erstens ein Recht darauf, gepflegt zu werden, was durch Steuern und Pflegeversicherungsbeiträge eingelöst wird. Und zweitens seien sie keine Kunden wie andere, da sie als oft demente und gebrechliche Menschen ohne die Unterstützung anderer gar keine Vertragsentscheidungen treffen könnten.

 
Wird hier auf private Pflegeheimanbieter verzichtet, nimmt die Unterversorgung pflegebedürftiger Menschen in Kauf. Bernd Meurer
 

In ihrem Bemühen, Kosten zu drücken, könnten die Privaten schließlich den größten Kostenblock, die Personalkosten, abschmelzen wollen – zulasten des Personals und letztlich der Pflegebedürftigen. Hier müsse nach Ansicht Spahns reguliert werden. Und die Frage sei, „ob ein Kapitalmarkt-getriebenes Fokussieren auf zweistellige (!) Renditeerwartungen angemessen wäre“, so Spahn.

Der Bundesverband der privaten Anbieter sozialer Diente (bpa) ist da begreiflicherweise anderer Ansicht. bpa-Präsident Bernd Meurer meint: Statt den vielen mittelständischen Unternehmern in der Pflege dankbar zu sein, dass sie in die Pflege investierten, wo Länder sich verweigerten, wolle die SPD lediglich ihr linkes Profil stärken, wenn sie Renditen deckeln wollen.

„Angesichts des für die nächsten 10 Jahre erwarteten Investitionsbedarfs von etwa 170 Milliarden Euro in der Pflege ist das ein fatales Signal aus der SPD“, so Meurer. „Wird hier auf private Pflegeheimanbieter verzichtet, nimmt die Unterversorgung pflegebedürftiger Menschen in Kauf.“

Die SPD-Fraktion wolle ihre Position nun schrittweise politisch umsetzen, so Baehrens. Der nächste Schritt sei ein Fachgespräch mit Juristen und Wirtschaftsexperten.

 

Kommentar

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