Dresden – Leiden ältere Menschen häufig an starken Kopfschmerzen in der Schläfengegend, kann das auch ein Hinweis auf eine Riesenzellarteriitis (RZA) sein. „Im Schnitt dauert es 7 bis 8 Wochen, bis eine Riesenzellarteriitis diagnostiziert wird”, berichtete Prof. Dr. Bernhard Hellmich, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Rheumatologie und Immunologie der Medius Klinik Kirchheim unter Teck, auf der 47. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) in Dresden [1].
Doch gerade bei der RZA ist eine schnelle Diagnose notwendig, um komplizierte Verläufe wie Erblindung oder Schlaganfall zu verhindern – etwa per Ultraschall der Gefäße, MRT oder PET-CT.
Die RZA ist die häufigste Vaskulitis im Erwachsenenalter. Sie betrifft Menschen ab dem 50. Lebensjahr. In der Altersgruppe liegt die Inzidenz bei 25 bis 30 pro 100.000, an RZA erkranken überwiegend (75%) Frauen. Betroffen sind kranielle Gefäße, die Aorta und extrakranielle Gefäße wie beispielsweise Extremitäten-Arterien.
Patienten leiden oft an starken Kopfschmerzen, vor allem im Bereich der Schläfen – die Beschwerden treten bei 2 Drittel aller Fälle auf. Weitere, seltenere Krankheitszeichen sind Schmerzen beim Kauen und Parästhesien der Kopfhaut. Bei 40% der Patienten geht die RZA mit einer Polymyalgia rheumatica einher mit Schmerzen in der Becken- und Schultergürtelmuskulatur.
Jeder 3. Patient zeigt Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust und Abgeschlagenheit als B-Symptomatik. Ein absoluter Notfall ist die Augenbeteiligung, die bei 12 bis 40% der Patienten auftritt mit plötzlich einsetzendem, meist einseitigen Visusverlust, vorübergehender Erblindung und/oder Gesichtsfeldausfall einhergeht. Die häufigste Ursache ist eine anteriore ischämische Optikusneuropathie als Folge eines entzündungsbedingten Verschlusses der posterioren Ziliararterien.
Neben dem Schlaganfall gilt der Sehverlust als gefürchtetste Komplikation, und vor der Glukokortikoid-Ära kam es 30 bis 60% der RZA-Patienten zur Erblindung. Mit moderner medikamentöser Therapie konnte der Anteil auf unter 20% gesenkt werden.
Bildgebung erlaubt schnellere Diagnose – oft auch ohne Biopsie
Mittels Ultraschall der Gefäße, MRT oder PET-CT in spezialisierten Kliniken (den „Fast-Track Clinics”) kann die Erkrankung heute schneller und meist auch ohne Biopsie diagnostiziert werden. Die RZA wurde bislang überwiegend ausschließlich mit initial hoch dosierten Glukokortikoiden behandelt.
Zunächst, so Hellmich, sei eine Steroidtherapie in der Regel auch erfolgreich. Ergebnisse aus in den letzten Jahren veröffentlichten großen Kohortenstudien zeigen aber, dass bis zu 70% der Patienten einen Rückfall erleiden, wenn die Glukokortikoide dann reduziert werden oder die Therapie ganz ausgesetzt wird.
Zudem treten bei einem Teil der Patienten strukturelle Gefäßschäden auf, die beispielsweise zu Aortenaneurysmen führen können. Auch kommt es durch hochdosierte Glukokortikoide bei langfristiger Gabe zu häufig zu Folgeschäden wie Osteoporose, Diabetes und Katarakt.
Steroide mit MTX oder mit Tocilizumab kombinieren
Als steroid-sparende Therapieoption steht der Interleukin-6-Antagonist Tocilizumb zur Verfügung. In einer Arbeit aus 2017 konnte seine Wirksamkeit bei RZA nachgewiesen werden.
Eine Metaanalyse von 3 kleineren Methotrexat-Studien zeigt, dass auch die MTX-Gabe Steroide einsparen kann. Die Komedikation spart nicht nur Steroide ein, sie reduziert auch das Rezidivrisiko und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass auf Steroide komplett verzichtet werden kann.
So führt eine 12-monatige additive Therapie mit Tocilizumab dazu, dass es in 50% der Fälle zur anhaltenden, medikamentenfreien Remission kommt. Aufgrund der Daten ist es sinnvoll, bei RZA rasch mit einer Komedikation zu beginnen, vor allem wenn größere Risiken für Steroidnebenwirkungen vorliegen.
Die EULAR-Leitlinien empfehlen für RZA-Patienten mit erhöhtem Risiko für Glukokortikoid-induzierte Therapiefolgen und für Patienten mit Rezidiv eine additive Therapie mit Tocilizumab oder MTX. Beide Studien hatten gezeigt, dass die Gabe von Tocilizumab oder MTX im Vergleich zur Glukokortikoid-Monotherapie den Glukokortikoidbedarf und das Rezidivrisiko langfristig senkt.
Wie Hellmich mitteilte, ist eine interdisziplinäre Leitlinie unter Federführung der DGRh derzeit in Arbeit und soll 2020 veröffentlicht werden.
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Diesen Artikel so zitieren: Experten raten zu mehr Bildgebung bei Verdacht auf Riesenzellarteriitis – und Kombi- statt Glukokortikoid-Monotherapien - Medscape - 13. Sep 2019.
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