Koronarintervention und Vorhofflimmern: Duale Antikoagulation mit Edoxaban oder doch besser 3-fach?

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

9. September 2019

Paris Nach einer perkutanen Koronarintervention (PCI) mit Stentimplantation erhalten KHK-Patienten normalerweise über einen gewissen Zeitraum eine duale Plättchenhemmung. Haben sie zudem Vorhofflimmern (AF), sind sie außerdem Kandidaten für eine orale Antikoagulation – was quasi in einer 3-fachen Blutverdünnung resultiert. Ist das vielleicht manchmal zu viel? Lässt sich dies mit den NOAK auf eine duale Therapie mit nur einem Plättchenhemmer reduzieren?

Das ist für verschiedene der NOAK bereits in Studien getestet worden, jetzt auch für Edoxaban. Die Ergebnisse der ENTRUST-AF-PCI-Studie hat Prof. Dr. Andreas Götte, St. Vincenz-Hospital, Paderborn, in einer Hot-Line-Session beim ESC-Kongress 2019 vorgestellt und parallel online im Fachblatt Lancet publiziert [1,2].

2-fach ist besser als 3-fach

„Bei Patienten mit Vorhofflimmern, die sich einer perkutanen Koronarintervention (PCI) unterziehen, war das Edoxaban-basierte Zweifach-Regime einer Vitamin-K-Antagonisten(VKA)-basierten Dreifachtherapie bei den Blutungskomplikationen nicht unterlegen und zeigt auch keine signifikanten Unterschiede bei den ischämischen Ereignissen“, so die Schlussfolgerung von Götte.

Er hat aber auch eine Metaanalyse vorgenommen, in die er die in Paris vorgestellte, aber auch ähnliche Studien mit anderen NOAK eingeschlossen hat und fand dabei Hinweise, die ihn zu einer Warnung vor dem Auditorium veranlassten, ASS nicht allzu früh nach der PCI wegzulassen: „Alle NOAK-AF-PCI-Studien zusammengenommen zeigten zahlenmäßig erhöhte Raten an Herzinfarkten und Stentthrombosen bei Patienten, bei denen Acetylsalicylsäure (ASS) früh abgesetzt worden ist.“

Prof. Dr. Renato Lopes, Abteilung für Kardiologie der Duke-Universität, Durham, USA, kritisierte als Diskutant der Studie in der Hotline-Sitzung, dass ENTRUST-AF-PCI im Vergleich zu den 3 anderen bislang vorliegenden NOAK-Studien relativ wenig Patienten aufgenommen hatte.

 
Für die meisten Patienten sollte wenige Tage nach der PCI ein NOAK plus ein P2Y12-Inhibitor das bevorzugte Regime sein. Prof. Dr. Renato Lopes
 

Lopes betonte jedoch, dass die Studie die Evidenz in einem Bereich ergänze, wo Evidenz hoher Qualität „extrem benötigt“ werde. Seine Schlussfolgerung lautete: „Für die meisten Patienten sollte wenige Tage nach der PCI ein NOAK plus ein P2Y12-Inhibitor das bevorzugte Regime sein. VKA plus P2Y12-Inhibitor plus Acetylsalicylsäure sollten möglichst vermieden werden.“

Positiv in ENTRUST-AF-PCI war eine numerische Reduktion der Blutungsraten 14 Tage nach der PCI unter Edoxaban. Dies jedoch sieht Lopes eher skeptisch. „Es ist nicht klar aufgrund des Designs, ob dies auf Edoxaban oder auf das Fehlen von Acetylsalicylsäure zurückzuführen ist.“ Unklar sei auch, wie lange genau Acetylsalicylsäure im Dreifachtherapie-Arm eingesetzt worden sei, was für die Beurteilung der Ergebnisse wichtig sei.

Was die Leitlinien empfehlen

Etwa 15% der Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) benötigen wegen des Verschlusses einer Koronararterie eine Koronarintervention (PCI) mit Stentimplantation. Die derzeitigen Leitlinien empfehlen eine orale Antikoagulation wegen des Vorhofflimmerns und nach der PCI eine duale Plättchenhemmer-Therapie mit Acetylsalicylsäure und einem P2Y12-Hemmer wie Clopidogrel für eine kurze Zeit.

„Diese Dreifachtherapie geht jedoch mit hohen Blutungsraten einher“, erklärte Götte. Nach der Dreifachtherapie schlagen die ESC-Leitlinien vor, eine Zweifachtherapie mit oralem Antikoagulans plus Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel einzusetzen.

Studie mit dem vierten NOAK

In 3 Studien waren bereits verschiedene NOAK in Standard- oder reduzierter Dosierung bei VHF-Patienten nach PCI untersucht worden und zwar Rivaroxaban in PIONEER-AF PCI, Dabigatran in RE-DUAL PCI und Apixaban in AUGUSTUS. Sie hatten sich im Vergleich zu einer VKA-basierten Dreifachtherapie bezüglich der Blutungskomplikationen als überlegen gezeigt. Götte und seine Kollegen untersuchten nun in der ENTRUST-AF-PCI-Studie das vierte NOAK Edoxaban in diesem Setting.

In die randomisierte, offene Nichtunterlegenheitsstudie der Phase 3b wurden in 18 Ländern 1.506 Patienten mit Vorhofflimmern nach einer erfolgreichen PCI wegen stabiler koronarer Herzerkrankung oder akutem Koronarsyndrom aufgenommen. Randomisiert erhielten 751 Patienten über ein Jahr Edoxaban (60 mg/Tag) plus einen P2Y12-Inhibitor (meist Clopidogrel, seltener Prasugrel oder Ticagrelor), 755 Patienten wurden mit einem Vitamin-K-Antagonisten und einem P2Y12-Inhibitor über ein Jahr und mit Acetylsalicylsäure für mindestens einen Monat bis zu 12 Monate behandelt.

Das Edoxaban-Regime war der Dreifachtherapie im primären Endpunkt, der Rate schwerer und klinisch relevanter nicht schwerer Blutungen, nicht unterlegen. Mit 128 (17%) Blutungsereignissen in der Edoxaban-Gruppe und 152 (20,1%) Ereignissen in der VKA-basierten Gruppe zeigte sich zwar im Trend eine um 17% geringere Blutungsrate, aber der Unterschied war nicht signifikant.

In der Edoxaban-Gruppe traten 4 und in der VKA-Gruppe 9 intrakraniale Blutungen auf. Unter dem Edoxaban-Regime kam es zu einer, unter dem VKA-Regime zu 7 tödlichen Blutungen.

Der Wirksamkeitsendpunkt umfasste kardiovaskuläre Todesfälle, Schlaganfälle, systemische Embolien, Herzinfarkte und Stentthrombosen. Er trat bei 49 Patienten (6,5%) in der Edoxaban-Gruppe und 46 Patienten (6,1%) in der VKA-Gruppe ein (Hazard Ratio: 1,06). Die Studie war nicht ausreichend gepowert, um diesen Endpunkt statistisch zu testen.

Metaanalyse: mehr Herzinfarkte und mehr Stentthrombosen

Die Metaanalyse aller 4 nun vorliegenden Studien bei VHF-Patienten nach Stentimplantation ergab für die duale Therapie eine Senkung des Risikos für schwere und klinisch relevante Blutungen (Risk Ratio: 0,62), gleichzeitig stieg aber das Risiko für einen Herzinfarkt (RR: 1,18) und eine Stentthrombose (RR: 1,55) (p = 0,06) – was aber statistisch keine Signifikanz erreichte, für Götte aber zumindest ein Grund ist, dies genauer im Auge zu behalten.

 

Kommentar

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