Neue ESC-Leitlinie, neuer Name: Aus der stabilen KHK wird das „Chronische Koronarsyndrom“ (CCS)

Interessenkonflikte

6. September 2019

Paris – Im vergangenen Jahr hat die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) einen neuen Namen für die so genannte stabile Koronare Herzkrankheit (KHK; stable coronary artery disease, CAD) eingeführt, der dem heutigen Verständnis für die Entwicklung, den Verlauf und das Management der Erkrankung mehr entsprechen soll.

Jetzt hat die Gesellschaft die erste Leitlinie veröffentlicht, die den neuen Begriff „chronic coronary syndrome“ (CCS; „Chronisches Koronarsyndrom“) verwendet, durch den die KHK als „dynamischer atherosklerotischer Prozess“ mit veränderter arterieller Funktion gekennzeichnet wird, „der durch Lebensstil, Medikamente und Revaskularisierungen beeinflusst werden kann, was zur Stabilisierung oder Regression der Erkrankung führt“, wie es darin heißt.

KHK als „dynamischer atherosklerotischer Prozess“

„Der Begriff ‚stabil‘ widersprach nach unserer Auffassung den verschiedenen klinischen Situationen mit zeitweiliger Progression und erneuter Regression“, erläutert Prof. Dr. Juhani Knuuuti von der Universität im finnischen Turku gegenüber Medscape.

 
Der Begriff ‚stabil‘ widersprach nach unserer Auffassung den verschiedenen klinischen Situationen mit zeitweiliger Progression und erneuter Regression. Prof. Dr. Juhani Knuuuti
 

Der Name CCS sieht die Erkrankung auch als eine Art außerklinisches Gegenstück zum akuten Koronarsyndrom (acute coronary syndrome, ACS).

Knuuuti sagte, dass die Namensänderung von „stabile KHK“ zu „CCS“ nach seinem Wissen allgemein gut angenommen wurde, obwohl sie „nicht jedem gefällt“. Knuuuti bildet zusammen mit Prof. Dr. William Wijns von der National University of Ireland in Galway den Vorsitz für die Task Force, die mit der Entwicklung der CCS-Leitlinien beauftragt ist.

Der Bericht wurde am 31. August im European Heart Journal als Einleitung zur Berichterstattung über den ESC-Kongress 2019 veröffentlicht [1].

Es werden darin 6 klinische Szenarien aufgeführt, welche die heterogene Natur des CCS widerspiegeln und die jeweils ein eigenes diagnostisches und therapeutisches Management brauchen, sagte Knuuuti:

  • vermutete KHK mit „stabiler“ Angina-ähnlicher Symptomatik mit oder ohne Atemnot

  • vermutete KHK mit neu auftretender kardialer Insuffizienzsymptomatik oder linksventrikulärer Dysfunktion

  • asymptomatische oder stabilisierte Symptome innerhalb eines Jahres nach einer ACS-Episode oder nach einer koronaren Revaskularisierung

  • >1 Jahr nach der Erstdiagnose oder nach einer Revaskularisierung asymptomatisch oder symptomatisch

  • Angina pectoris und vermutete vasospastische oder mikrovaskuläre Erkrankungen

  • asymptomatisch mit KHK-Diagnose beim Screening.

Obschon es für manche überraschend sein mag, dass das Dokument auch Absätze über einen gesunden Lebensstil und andere Grundsätze der präventiven Kardiologie enthält, beeinflusst der Lebensstil natürlich auch den Verlauf bei Patienten, die bereits unter der chronischen Krankheit leiden, sagte Knuuuti.

Vielfach neigen Ärzte dazu, sich bei Patienten mit chronifizierter Erkrankung auf Medikamente und andere Interventionen zu konzentrieren und übersehen im weiteren Verlauf „grundlegende Dinge wie Ernährung und Bewegung, die auch bei einer fortgeschrittenen Erkrankung einen großen Einfluss auf die klinischen Ergebnisse haben können“.

 
Grundlegende Dinge wie Ernährung und Bewegung können auch bei einer fortgeschrittenen Erkrankung einen großen Einfluss auf die klinischen Ergebnisse haben. Prof. Dr. Juhani Knuuuti
 

Auch seien erstmals Empfehlungen zur antithrombotischen Therapie bei KHK-Patienten mit Sinusrhythmus oder Vorhofflimmern in die Leitlinie aufgenommen worden, so auch für die Zugabe eines zweiten antithrombotischen Medikaments zu ASS in der Sekundärprävention bei Patienten mit hohem Ischämierisiko und geringem Blutungsrisiko (Evidenzgrad IIa).

Neue Empfehlungen für antithrombotische Therapie

Es gibt auch neue Empfehlungen für die antithrombotische Therapie bei Patienten mit Vorhofflimmern nach koronarer Revaskularisation, einschließlich einer Anleitung für den richtigen Zeitpunkt einer antithrombotischen Dual- und Triple-Therapie.

Ebenfalls neu in der Leitlinie ist der Schwerpunkt auf der PCI (Perkutane Koronare Intervention) unter Messung der fraktionalen Flussreserve (FFR), nachdem jüngste Daten darauf hindeuten, dass solche FFR-geführten PCI das Risiko für einen akuten Myokardinfarkt im Vergleich zur medikamentösen Therapie bei stabiler KHK senken, sagte Knuuuti.

„Eigentlich ließ sich ein solches Ergebnis für die PCI nur sehr schwer nachweisen, doch durch die Kombination mehrerer prospektiver Studien ließ sich zeigen, dass das Infarktrisiko sinkt, wenn man die PCI unter FFR-Führung angeht.“

 
Durch die Kombination mehrerer prospektiver Studien ließ sich zeigen, dass das Infarktrisiko sinkt, wenn man die PCI unter FFR-Führung angeht. Prof. Dr. Juhani Knuuuti
 

Zudem benennt die Leitlinie die Indikationen für das kürzlich eingeführte Herzinsuffizienz-Medikament Sacubitril/Valsartan (Entresto®, Novartis) in Übereinstimmung mit den ESC-Leitlinien zur Herzinsuffizienz, d.h. eine Herzinsuffizienz mit verminderter Ejektionsfraktion, die nicht auf konventionelle RAS-Hemmer (ACE-Hemmer, AT1-Inhibitoren bzw. Sartane und Renin-Inhibitoren) und Betablocker anspricht.

Die empfohlene lipidmodifizierende Therapie bei Patienten mit CCS steht im Einklang mit den neuen ESC-Leitlinien zum Dyslipidämie-Management. Und für Patienten mit CCS und Diabetes empfiehlt die Leitlinie die Verwendung von GLP-1-Rezeptor-Agonisten und SGLT-2-Inhibitoren (Evidenzklasse IA).

An der Leitlinie haben neben der ESC die Acute Cardiovascular Care Association (ACCA), die Association of Cardiovascular Nursing & Allied Professions (ACNAP), die European Association of Cardiovascular Imaging (EACVI), die European Association of Preventive Cardiology (EAPC), die European Association of Percutaneous Cardiovascular Interventions (EAPCI), die European Heart Rhythm Association (EHRA) und die Heart Failure Association (HFA) mitgewirkt.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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