Paris – Die Studie war – nachdem das Unternehmen Astra Zeneca vor wenigen Tagen die Topline-Ergebnisse verkündet hatte – kurzfristig noch ins Programm der Hotline-Sessions beim Kongress der European Society of Cardiology (ESC), der derzeit in Paris stattfindet, aufgenommen worden. Und die Präsentation der Daten von DAPA-HF wurde dort auch von vielen Kardiologen als Highlight des Kongresses betrachtet – bei der Präsentation während der Hotline Session brandete immer wieder spontan Applaus auf: Der eigentlich als Antidiabetikum entwickelte SGLT-2-Inhibitor Dapagliflozin reduziert bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurffraktion (Heart Failure with reduced Ejection Fraction, HFrEF) signifikant die kardiovaskuläre Ereignisrate (und Mortalität) – und dies vollkommen unabhängig davon, ob die Patienten zusätzlich einen Diabetes haben oder nicht [1].
Nicht nur ein Diabetes-Medikament – eine hochwirksame Herzinsuffizienz-Therapie

Prof. Dr. John McMurray
Studienleiter Prof. Dr. John McMurray von der Universität von Glasgow, Schottland, zeigte sich bei der Präsentation der Ergebnisse selbst überwältigt: „Das wichtigste Ergebnis ist, dass wir auch einen Nutzen bei Patienten ohne Diabetes zeigen konnten“, sagte er bei einer Pressekonferenz der ESC. „Es handelt sich tatsächlich um eine Behandlung für Herzinsuffizienz und nicht nur um ein Medikament gegen Diabetes.“
Der President-Elect der ESC, Prof. Dr. Stephan Achenbach, Direktor der Medizinischen Klinik 2 – Kardiologie und Angiologie des Universitätsklinikums Erlangen, räumt im Gespräch gegenüber Medscape auch ein, dass er „einen so deutlichen Erfolg mit dem Medikament in dieser Patientengruppe eigentlich nicht erwartet“ hätte. „Das ist ein vollkommen neues Konzept, dass man mit diesen Medikamenten eine Herzinsuffizienz behandeln kann, auch wenn die Patienten gar keinen Diabetes haben“, sagt er.
Achenbach erläutert, dass die Erklärung für die Wirksamkeit des SGLT-2-Hemmers wohl darin bestehe, dass er in den Wasserhaushalt eingreife und eine Wasser- und Kochsalz-Überladung bei den Herzinsuffizienz-Patienten verhindere. Die Blutzucker-senkende Wirkung scheint dagegen für die Wirksamkeit keine Bedeutung zu haben. Auch Achenbach ist überzeugt: „Das ist eine wegweisende Studie für die zukünftige Therapie der Herzinsuffizienz.“
Und auch der eingeladene Diskutant der Studie Prof. Dr. Marco Metra, Universität von Brescia, Italen war sich sicher: Bei DAPA-HF handelt es sich um ein „Landmark Trial", die Risikosenkung liege im Bereich anderer großer erfolgreicher Herzinsuffizienz-Studien wie z.B. PARADIGM-HF, sagte er. „Das markiert eine neue Ära der medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz!“
Ähnliche Hazard Ratio bei Patienten mit und ohne Diabetes
Wie berichtet, hatten an der internationalen randomisierten Doppelblind-Studie DAPA-HF (Dapagliflozin And Prevention of Adverse-outcomes in Heart Failure) 4.744 Patienten mit Herzinsuffizienz im Stadium II bis IV und reduzierter Ejektionsfraktion (LVEF ≤ 40%) teilgenommen. Sie erhielten randomisiert 10 mg Dapagliflozin einmal täglich oder Placebo. Dies additiv zur Standardtherapie etwa mit ACE-Hemmer, Sartan, Betablocker, MRA-Antagonist und Neprilysin-Inhibitor.
Unter den Teilnehmern hatten nur 42% einen bekannten Typ-2-Diabetes, bei 3% wurde er bei Studieneinschluss neu diagnostiziert. Von den übrigen wurden 2 Drittel (67%) als Prädiabetiker klassifiziert, ein Drittel (33%) hatte einen normalen HbA1c-Wert. Ausschlusskriterien waren eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz oder ein Typ-1-Diabetes. Das mediane Follow-up betrug 18 Monate.
Der primäre Studienendpunkt war eine Kombination von kardiovaskulär bedingtem Tod oder Verschlechterung der Herzinsuffizienz. Dieser Endpunkt wurde um relativ 26% durch die zusätzliche Dapagliflozin-Gabe hochsignifikant reduziert (p<0,00001). Dies entspreche einer Number-Needed-to-Treat (NNT) von 21, betonte McMurray.
Im Einzelnen war bei den mit dem SGLT-2-Inhibitor Behandelten das Risiko für eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz signifikant um 30% geringer (p=0,00003) und das Risiko für einen kardiovaskulären Tod ebenfalls signifikant um 18% (p=0,029). Außerdem habe sich die Symptomatik der Patienten gebessert, berichtete er.
Die absolute und relative Risikoreduktion sei sowohl bei den Todesfällen als auch bei den Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz „substanziell, klinisch bedeutsam und konsistent über alle wichtigen Subgruppen, einschließlich der Patienten ohne Diabetes“ gewesen, so der schottische Kardiologe. Die Hazard Ratio (HR) sei bei Patienten mit (0,75) und ohne Diabetes (HR 0,73) quasi identisch gewesen. Zudem senkte Dapagliflozin auch das Mortalitätsrisiko insgesamt um 17% (HR 0,83; 95%-KI 0,71 – 0,97)
Auch sei die Therapie gut vertragen worden, nur wenige Patienten hätten die Behandlung abgebrochen. Es seien unter Dapagliflozin nicht vermehrt Hypoglykämien aufgetreten und auch die Rate an Amputationen sei unter dem SGLT-2-Hemmer nicht erhöht gewesen.
„Ein völlig neuer Ansatz für die Behandlung der HFrEF“
„Dapagliflozin eröffnet einen völlig neuen Ansatz für die Behandlung der HFrEF“, betonte McMurray. „Das ist die erste neue Therapie der Herzinsuffizienz in fünf Jahren, für die eine Senkung der Mortalität nachgewiesen werden konnte. Und es handelt sich um die erste erfolgreiche Herzinsuffizienz-Behandlung in zehn Jahren, die nicht an der neurohumoralen Aktivierung angreift.“
Zudem sei ein besonderer Pluspunkt, dass sich der SGLT-2-Hemmer sogar additiv zu neuen optimierten Behandlungsansätzen als günstig erwiesen habe: 94% der Teilnehmer hatten einen Angiotensin-Rezeptor/Neprilysin-Inhibitor (ARNI – Valsartan/Sacubitril), 96% einen Betablocker und 71% einen Mineralkortikoid-Rezeptor-Antagonisten.
„Dieses Medikament erfüllt alles, was wir uns von einem Herzinsuffizienz-Medikament wünschen“, sagte McMurray: „Es reduziert Klinikeinweisungen, verbessert das Überleben und die Symptomatik – die drei Schlüsselkomponenten der Behandlung bei Herzschwäche. Wir haben hiermit einen echten Durchbruch für die Patienten mit dieser schrecklichen Krankheit erzielt.“
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Diesen Artikel so zitieren: Begeisterung beim ESC-Kongress über DAPA-HF-Studie: „Ein vollkommen neues Konzept in der Therapie der Herzinsuffizienz“ - Medscape - 2. Sep 2019.
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