Viel hilft viel? Für Vitamin D und die Knochendichte bzw. -stabilität gilt vielleicht sogar das Gegenteil

Antje Sieb

Interessenkonflikte

2. September 2019

Bei Menschen, die nicht unter Vitamin-D-Mangel leiden, haben tägliche Vitamin-D-Gaben in höheren Dosierungen keine positive Wirkung auf die Knochengesundheit – vielleicht könnten sich zu hohe Dosierungen sogar negativ auf die Knochendichte auswirken. Zu diesem Ergebnis ist eine kontrollierte randomisierte Studie von Dr. Lauren A. Burt und Kollegen an der kanadischen Universität Calgary gelangt [1].

 
Dass sich bei bereits gut versorgten Probanden ein Vorteil ergibt, wenn man ihnen zusätzlich Vitamin D gibt, habe ich eigentlich auch nicht erwartet. Prof. Dr. Andreas Kurth
 

Prof. Dr. Andreas Kurth

„Die Studie ist gut gemacht, und das Ergebnis ist das, was man hätte vorhersagen können. Dass sich bei bereits gut versorgten Probanden ein Vorteil ergibt, wenn man ihnen zusätzlich Vitamin D gibt, habe ich eigentlich auch nicht erwartet“, erklärt der Vorsitzende des Dachverbandes Osteologie, Prof. Dr. Andreas Kurth vom Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein in Koblenz.

Vitamin-D-Mangel häufig

Allerdings sei die Situation in Deutschland und vielen anderen Ländern eher so, dass bei einem großen Teil der Bevölkerung ein Defizit an Vitamin D bestehe. Laut nachträglich standardisierten Daten des Robert Koch-Institutes lagen die Blutspiegel bei 3 Befragungswellen zwischen 1998 und 2011 bei mehr als der Hälfte der untersuchten Erwachsenen unter dem als wünschenswert betrachteten Grenzwert von 50 nmol/l. Einen Mangel an Vitamin D, d.h. Blutwerte von unter 30 nmol/l, hatten gut 15% der Stichprobe.

Vitamin D ist bekanntlich für den Knochenstoffwechsel wichtig, da es an der Steuerung des Kalzium- und Phosphathaushaltes beteiligt ist – unter anderem an der Einlagerung von Mineralien in die Knochensubstanz. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung geht für Erwachsene von einem Bedarf von 800 IE pro Tag aus.

Weil das Vitamin unter Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet wird, wird zwischen März und Oktober mehrmals pro Woche ein Aufenthalt im Freien empfohlen, bei dem man die unbedeckte Haut der Sonne aussetzt. Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor verhindert allerdings die Vitamin-D-Bildung.

In den Wintermonaten reicht die Sonneneinstrahlung in unseren Breiten nicht für eine ausreichende Vitamin-D-Bildung aus. Das Vitamin kann allerdings in gewissem Maße gespeichert werden. In der Nahrung ist Vitamin D in nennenswerten Mengen hauptsächlich in Fettfischen und manchen Innereien enthalten. Die Aufnahme mit der Nahrung deckt nur einen Bruchteil des Bedarfs.

Supplementierung für 3 Jahre

Die kanadische Arbeitsgruppe hatte in der nun veröffentlichten Studie rund 300 Patienten 3 Jahre lang mit Vitamin D supplementiert. Ein Drittel erhielt 400 IE täglich, ein weiteres Drittel 4.000 IE und die letzte Gruppe sogar 10.000 IE Vitamin D am Tag. Falls die berechnete Kalziumversorgung unter 1.200mg täglich lag, wurde zusätzlich auch Kalzium verabreicht.

Schon zu Beginn der Studie lagen die Blutspiegel der Versuchspersonen bei durchschnittlich über 70 nmol/l, sie waren also gut mit Vitamin D versorgt – Personen mit Vitamin-D-Mangel, also Blutwerten von unter 30 nmol/l, waren von der Studie ausgeschlossen. In der 400-IE-Gruppe veränderten sich die Blutspiegel über 3 Jahre hinweg kaum, in den anderen beiden Gruppen stiegen sie dagegen deutlich an.

Unter der Gabe von 10.000 IE Vitamin D wurden häufiger Hyperkalzämien und Hyperkalziurien beobachtet als mit 4.000 IE oder 400 IE täglich. Auch in der niedrig dosierten Gruppe traten allerdings bei 17% der Patienten mindestens einmal im Verlauf der Studie erhöhte Kalziumwerte im Urin auf.

Für die Beurteilung der Ergebnisse fehle allerdings eine Placebo-Vergleichsgruppe, moniert Kurth. „Das ist auch nur innerhalb der Studie bei Messungen aufgefallen. Ich sehe das im Moment als klinisch nicht relevant an.“

Hochdosis ohne Vorteile für Knochengesundheit

Die Erwartung der Autoren, dass sich Knochenstabilität und Knochendichte unter der hohen Dosierung relativ gesehen verbessern würden, erfüllte sich allerdings nicht. Bei der mittels hochauflösender peripherer quantitativer Computertomographie (HR-pQCT) ermittelten Knochenstabilität sahen die Wissenschaftler keine signifikanten Unterschiede zwischen den 3 Gruppen.

Die volumetrische Knochendichte dagegen nahm bei allen Gruppen über die Studiendauer hinweg ab. Überraschend: Unter hohen Dosen von Vitamin D war der Verlust an Knochendichte signifikant stärker als bei geringer Vitamin-D-Dosis.

Aus diesen Ergebnissen lasse sich allerdings noch nicht schließen, dass die höhere Dosierung dem Knochen schade, schreiben die Autoren. Dieser Meinung ist auch Kurth: „Die Studie hat hochmoderne Analyseverfahren benutzt und verschiedene Strukturen vermessen. Wenn wir unser Standardverfahren zur Knochendichtemessung ansehen, was wir normalerweise in den Praxen benutzen, ein DXA-Verfahren am Schenkelhals, dann hat sich in den entsprechenden Messungen nichts verändert. Die Veränderungen ergaben sich vor allem bei der kortikalen Knochendichte.“  

Welche Bedeutung die gemessenen Veränderungen haben, müsse erst in weiteren Studien geprüft werden.

Normbereich reicht aus

Die Initiatoren der Studie wollten die Supplementation in hohen Dosen vor allem deshalb überprüfen, weil nach US-Daten dort 3% der Bevölkerung täglich Vitamin D in Mengen von 4.000 IE und darüber zu sich nehmen. 4.000 IE sind der vom US-amerikanischen Institute of Medicine empfohlene Tageshöchstwert.

„Auch in Deutschland gibt es leider Menschen, die regelmäßig hohe Dosen von Vitamin D supplementieren“, berichtet Kurth. „Es ist ja ein Hype entstanden um Hochdosis-Anwendungen von Vitamin D. Viele Leute glauben, sich dadurch vor unterschiedlichsten Dingen schützen zu können.“

 
Zur Supplementierung ist normalerweise eine Dosis von 1.000 IE ausreichend. Prof. Dr. Andreas Kurth
 

Kurth plädiert dafür, den Vitamin-D-Wert möglichst im Normalbereich zu halten: Das sei in unseren Breitengraden allerdings im Winter wegen mangelnder Sonneneinstrahlung schwierig: „Wenn wir ins Defizit kommen, haben wir tatsächlich Probleme in Bezug auf Abnahme der Knochendichte und auch koordinative Fähigkeiten, etwa die Balance. Zur Supplementierung ist aber normalerweise eine Dosis von 1.000 IE ausreichend.“

 

Kommentar

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