Drogen, Alkohol und kein Helm – US-Ärzte haben eine Übersicht zu Verletzungsmustern mit E-Scootern erstellt

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

30. August 2019

E-Scooter prägen inzwischen auch bei uns, aber vor allem in vielen US-Metropolen, das Straßenbild, und Unfälle stehen auf der Tagesordnung. Ärzte an 3 großen US-Traumazentren haben jetzt ihre Daten zu E-Scooter-Unfällen systematisch ausgewertet.

Meist handelte es sich um Verletzte im Alter von 20 bis 40 Jahren, viele standen unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol. Helme trugen sie eher selten. Trotzdem waren viele Verletzungen eher gering. Zu dem Ergebnis kommen die Forscher um Dr. Leslie M. Kobayashi von der Abteilung für Chirurgie der University of California San Diego Health System. Die Arbeit ist in Trauma Surgery & Acute Care Open erschienenen [1].

Daten aus 3 US-Traumazentren

Erste elektrifizierte Roller stammen aus dem Jahr 1915, konnten sich damals aber nicht durchsetzen. Das lag an der Technik selbst, gute Akkus entstanden erst später. Auch das Mobilitätsverhalten hat sich grundlegend geändert. Bürger suchen heute eine vermeintlich umweltfreundliche, schnelle Alternative für kurze Strecken.

Mehrere US-Metropolen haben E-Roller teilweise oder vollständig verboten, andere Kommunen sind deutlich liberaler. In Großbritannien ist der Einsatz auf öffentlichen Straßen untersagt, aber das Verkehrsministerium überprüft derzeit die entsprechenden Gesetze.

Deutschland hat zum 15. Juni 2019 Elektroroller bis maximal 20 km/h auf öffentlichen Straßen zugelassen. Für das Fahren ist keine Prüfung, aber ein Mindestalter von 14 Jahren erforderlich. Angesichts der steigenden Popularität der Flitzer wollten Kobayashi zusammen mit Kollegen wissen, welche neuen Verletzungsmuster es gibt – und welche vermeidbaren Risikofaktoren zu Unfällen führen.

Sie analysierten Patientendaten aus 3 US-Traumazentren der Maximalversorgung (Level-1-Traumazentren). Die Häuser verfügen über Spezialisten aller Fachrichtungen und alle erforderlichen medizinischen Geräte. Der Studienzeitraum ging von Anfang September 2017 bis Ende Oktober 2018. In dieser Periode wurden 103 verletzte E-Scooter-Fahrer behandelt, wobei die Autoren bemerkenswerte Trends beobachteten.

Waren es zwischen November 2017 und Mai 2018 maximal 4 Patienten pro Monat, ist deren Zahl ab August 2018 stark angestiegen (19 Verletzte). Im Oktober 2018 suchten 43 Personen ärztliche Hilfe. „Da die Popularität alternativer Verkehrsmittel weiter steigt, dürften auch E-Scooter-bezogene Verletzungen zunehmen“, vermuten Kobayashi und seine Kollegen.

Männer zwischen 20 und 40 oft betroffen – und oft alkoholisiert

Über den gesamten Studienzeitraum gemittelt lag das Durchschnittsalter der Patienten bei 37 Jahren, 62% gehörten zur Altersgruppe der 20- bis 40-Jährigen. Es wurden aber auch einzelne Patienten unter 20 Jahren beziehungsweise zwischen 61 und 80 Jahren eingeliefert. In der gesamten Kohorte waren 65% Männer – und 98% aller Unfallopfer hatten keinen Helm getragen.

 
Unsere aktuelle Studie stützt die Hypothese, dass in erster Linie Männer im Alter von 20 bis 40 Jahren mit einem hohen Alkohol- bzw. Drogenkonsum, aber ohne Helm, Unfälle erleiden. Dr. Leslie M. Kobayashi und Kollegen
 

Kobayashi und seine Kollegen konnten nicht überprüfen, ob riskante Fahrweisen oder Fremdverschulden für den Unfall ursächlich war. „Studien in China haben jedoch ergeben, dass E-Scooter-Fahrer auch eher riskantes Fahren aufweisen, wie zum Beispiel das Fahren auf Autospuren und das Fahren gegen den Verkehr“, so ihre Vermutung. Als mögliche Ursache diskutieren sie außerdem Alkohol und Betäubungsmittel.

79% der Patienten wurden zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme auf Alkohol getestet, von denen 48% einen Blutalkoholspiegel über 80 mg/dl (über 0,65‰) hatten.

Der mittlere Blutalkoholspiegel betrug bei augenscheinlich betrunkenen Patienten 199 mg/dl (1,62‰). Darüber hinaus stimmten 60% aller Unfallopfer einem Drogenscreening zu und gaben Urinproben ab, von denen 52% positiv ausfielen. Zu den häufigsten Substanzen gehörten Tetrahydrocannabinol (THC) mit 32%, gefolgt von Methamphetamin und Amphetaminen mit je 18%.

„Unsere aktuelle Studie stützt die Hypothese, dass in erster Linie Männer im Alter von 20 bis 40 Jahren mit einem hohen Alkohol- bzw. Drogenkonsum, aber ohne Helm, Unfälle erleiden“, schreiben die Autoren.

Meist nur leichte Verletzungen

Zur Bewertung von Verletzung verwendeten Kobayashi und ihre Coautoren den Injury Severity Score (ISS) von 0 bis 75. Der mediane ISS-Wert lag bei 5,5, was leichteren Blessuren entspricht. 42% der Patienten hatten mittelschwere Verletzungen (ISS >8).

Besonders oft (42%) traten Frakturen der unteren Extremitäten (Schienbein und Wadenbein), der Vorsprünge am Knöchel, des Schlüsselbeins, der Schulterblätter sowie der Unterarmknochen auf. Die Hälfte der Patienten (53%) mit diesen Verletzungen musste operiert werden.

An zweiter Stelle nennen die Autoren Gesichtsverletzungen – mit 27 (26%) aller Patienten. Meist handelte es sich um geringe Läsionen. In 6 (22%) Fällen war eine Operation erforderlich. Fast jeder fünfte (18%) Patient hatte einen Bluterguss auf der Stirn.

Darüber hinaus beschreibt Kobayashis Team noch Fälle mit schweren Verletzungsmuster: 1 Hämothorax, 1 Riss der Milz, 1 Verletzung der Nieren und 1 Verletzung der Halswirbelsäule.

Stärken und Schwächen der Studie

Bei der Arbeit handelt es sich um eine Beobachtungsstudie, die keine Ursachen von Unfällen identifizieren kann. Außerdem war die Gesamtzahl der Patienten gering. Informationen, wie oft Patienten zuvor E-Scooter genutzt hatten und wo die Unfälle passiert waren, standen nicht zur Verfügung.

Darüber hinaus konzentrierte sich die Arbeit auf große Traumazentren. Möglicherweise gebe es viele Bagatellverletzungen, die vom Patienten selbst oder vom Hausarzt behandelt würden, vermuten die Studienautoren.

 

Kommentar

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