Durchfall von mehr als 4 Wochen Dauer stellt Ärzte aufgrund der Vielzahl möglicher Ursachen vor Herausforderungen. Deshalb hat die American Gastroenterological Association (AGA) verschiedene laborchemische Methoden zur Diagnose einer chronischen funktionellen Diarrhoe und eines Reizdarmsyndroms mit Diarrhoe bei Erwachsenen bewertet. Die Autoren um Dr. Walter Smalley von der Vanderbilt University School of Medicine aus Nashville, Tennessee, sehen Calprotectin- und Lactoferrin-Werte im Stuhl als geeignete Marker zur Diagnose entzündlicher Darmerkrankungen. Die Erythrozyten-Sedimentationsrate und den Spiegel des C-reaktiven Proteins (CRP) im Blut dagegen seien weniger geeignet, berichten sie in Gastroenterology[1].

Prof. Dr. Thomas Frieling
„Diese Empfehlungen der AGA sind klinisch absolut nachvollziehbar und entsprechen auch unseren deutschen Leitlinien“, bestätigt Prof. Dr. Thomas Frieling gegenüber Medscape. Er ist Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Neurogastroenterologie, Infektiologie, Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin der Helios Privatklinik Krefeld. „Das Reizdarmsyndrom ist eine organische Erkrankung, deren Diagnose sich zurzeit noch hauptsächlich durch Ausschluss-Untersuchungen verdichtet.“
Entzündliche Vorgänge
Zu den AGA-Einschätzungen: Erhöhte Werte von Calprotectin und Lactoferrin im Stuhl zeigen entzündliche Vorgänge im Darm wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa an. Smalley und seien Coautoren fanden jedoch nur wenige geeignete Studien. Sie sprechen deshalb für diese Diagnosemethoden eine mittelstarke Empfehlung mit geringem Evidenzgrad aus, da in den zugrundeliegenden Studien bei beiden Methoden etwa 10% der Diagnosen falsch-positiv oder falsch-negativ ausfielen.
Ein Calprotectin-Wert von unter 50 µg/g führte mehreren Studien zufolge zu einer durchschnittlichen Sensitivität von 0,81 und durchschnittlichen Spezifität von 0,87 für ein Reizdarmsyndrom. Höhere Grenzwerte im Bereich von 100-164 µg/g verringerten die Sensitivität deutlich, ohne die Spezifität relevant zu erhöhen.
Für Lactoferrin im Stuhl lag ein aussagekräftiger Grenzwert zwischen 4,0 und 7,25 µg/g in den betrachteten Studien. Das führte zu einer durchschnittlichen Sensitivität von 0,79 und einer durchschnittlichen Spezifität von 0,93.
Trotzdem gab das Gremium diesen Methoden den Vorzug gegenüber serologischen Untersuchungen auf entzündliche Darmerkrankungen, der ESR und des CRP. In Studien mit einem CRP-Grenzwert von 5-6 mg/l fand man eine durchschnittliche Sensitivität von 0,73 und eine durchschnittliche Spezifität von 0,78. Auch diese Datenlage schätzen Experten als gering ein. Sie empfehlen einen CRP-Test nur, falls Calprotectin- und Lactoferrin-Werte entweder nicht zur Verfügung stehen oder von den Kostenträgern nicht übernommen werden.
„Diese Tests auf entzündliche Darmerkrankungen sind bezogen auf das Reizdarmsyndrom eine Ausschlussdiagnose“, bemerkt Frieling. „Auch wir bevorzugen hierzu Stuhl- gegenüber Bluttests, genau wie die Kollegen aus den USA.“
Infektionen und Parasiten
Mit hohem Empfehlungsgrad sprechen sich Gastroenterologen der AGA jedoch für die Bestimmung von Gardia durch Antigentests oder Polymerasekettenreaktionen (PCR) aus – mit Verweis auf eine starke Evidenz aus Studien. Gardia-Infektionen sind in den USA sehr häufig. Bleibt dieser Test bei Patienten ohne Reise- oder Immigrationsanamnese aus Hochrisikoländern negativ, raten die US-Experten bedingt zu einem allgemeinen Test auf Ova und Parasiten, allerdings mit einer niedrigen Evidenz.
„Mikrobiologische Tests auf Erreger und Resistenz, aber auch auf Parasiten sind hierzulande ebenfalls Standard“, bestätigt Frieling. „Dabei führen die Kollegen im Labor umfangreiche Nachweise auf verschiedenste Erreger durch und testen diese auf vorhandene Resistenzen, um eine spezifische antibiotische Therapie zu ermöglichen.“
Unverträglichkeiten und Stoffwechselanomalien
Laboruntersuchungen auf Glutenunverträglichkeit im Sinne einer Sprue (Zoeliakie) mit Gewebstransglutaminase-IgA-Antikörpern erachtet das Gremium mit hohem Empfehlungsgrad und moderater Evidenz der Daten ebenfalls als zielführende Ausschlussdiagnosemethode. Bei Patienten mit zu geringer IgA-Bildung empfehlen die Experten alternativ ein Screening auf IgG-Antikörper.
„Man schätzt, dass 1-2% aller Menschen in Deutschland an einer genetisch bedingten Allergie gegen Gluten leiden, dem Krankheitsbild der Zöliakie oder Sprue“, erklärt Frieling. „Einige der Reizdarmpatienten zeigen ähnliche Symptome, hauptsächlich durchfällige Stühle. Um sie von Patienten mit Zöliakie zu unterscheiden, sind solche Allergietests bzw. die endoskopische Gewebsentnahme im Zwölffingerdarm mit feingeweblicher Beurteilung (Histologie) sehr sinnvoll.“
Ein Test auf Gallensäure-bedingten Durchfall oder alternativ den probeweisen Einsatz von Gallensäuren-bindenden Präparaten wird von der AGA lediglich bedingt empfohlen, da die Datenlage hier nur eine niedrige Evidenz bietet.
„Das ist ein relativ neuer Bereich der Gastroenterologie“, weiß Frieling. „Gallensäuren werden im Dünndarm in zu geringem Ausmaß rückresorbiert bzw. haben eine verstärkte Wirkung im Dickdarm, wodurch es im Stuhl zu unphysiologisch hohen Werten kommt. Durch Gallensäure-inaktivierende Medikamente können wir diese Störungen gut behandeln.“
Reizdarmsyndrom: Noch zu wenige Daten
Zur diagnostischen Nutzung serologischer Test beim Reizdarmsyndrom spricht das Gremium der AGA keine Empfehlung aus, da die diesbezügliche Datenlage gegenwärtig noch sehr dünn ist. Dazu zählen die Messung von Antikörpern gegen zytolethales Toxin B und das Darmschleimhaut-Protein Vinculin. Positive Test würden hier zwar eine hohe Spezifität von etwa 90%, aber nur eine geringe Sensitivität von 20-40% ergeben und sind somit für den Routineeinsatz in der Praxis weniger geeignet.
„70-80% der Patienten mit chronischem Durchfall haben kein Reizdarmsyndrom“, fasst Frieling zusammen. „Diese schließen wir mit den gleichen Tests aus, wie sie auch die AGA empfiehlt. Die Patienten, bei denen mit den gängigen Diagnoseverfahren keine Ursachen für ihre Beschwerden gefunden werden können, fassen wir als ‚Reizdarmpatienten‘ zusammen. Sie können unter Mikroentzündungen im Darm, verschiedensten Nahrungs- und anderen Unverträglichkeiten, Stressreaktionen und vielen anderen Besonderheiten leiden, deren genaue Diagnose weitere individuelle Untersuchungen erfordert.“
Frieling ergänzt: „Ebenfalls wichtig sind die Darmspiegelung und die gynäkologische Untersuchung bei Frauen. Leider bleibt im Praxisalltag oft wenig Zeit dafür. Deshalb sind Reizdarmpatienten häufig unterversorgt. Umso mehr ist eine Initiative der Barmer Ersatzkasse zu begrüßen, die sich dieser Gruppe mit Aufklärung und Anregung zum Umgang mit der Erkrankung annimmt.“
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Diesen Artikel so zitieren: Labormarker bei chronischer Diarrhoe: Was sagen sie aus, wo sind die Grenzen? - Medscape - 27. Aug 2019.
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