Der Nutzen von Omega-3-Fettsäure-Derivaten bei Patienten mit kardiovaskulärem Risiko aufgrund hoher Lipidwerte war lange Zeit umstritten, bis Daten der REDUCE-IT-Studie überraschend deutliche Effekte zeigten. Als Reaktion darauf hat nun in einem aktuellen Statement eine Arbeitsgruppe der American Heart Association (AHA) die Gabe von 4 g pro Tag (rezeptpflichtigen) Omega-3-Fettsäuren-Produkten erstmals als „wirksame und sichere Behandlung zur Senkung hoher Triglyzeridwerte um 20 bis 30 Prozent“ gewürdigt.
Die Behandlung sei als Monotherapie oder als Kombination mit anderen lipidsenkenden Medikamenten möglich, heißt es in den Empfehlungen, die als Konsensus einer Expertengruppe in Circulation veröffentlicht worden sind [1].
„Aus unserer Überprüfung von 17 randomisierten, kontrollierten klinischen Studien mit Patienten, die hohe Triglyzerid-Werte hatten, zeigte sich, dass eine tägliche Behandlung mit 4 Gramm aller verfügbaren verschreibungspflichtigen Omega-3-Fettsäuren-Derivate sicher und wirksam ist“, so Dr. Ann Skulas-Ray von der AHA in einer Pressemeldung. Es spreche auch nichts gegen die Kombination, etwa mit Statinen.
Einschlusskriterium der Übersichtsarbeit waren Studien, in denen die Teilnehmer mindestens eine Gesamtdosis von 3 Gramm Docosa-Hexaensäure (DHA) und Eicosa-Pentaensäure (EPA) pro Tag. Unter diesen Studien hatten vor allem die randomisierte, Placebo-kontrollierte REDUCE-IT-Studie für Aufsehen gesorgt: Rund 8.200 Frauen und Männer mit Triglyzerid-Werten zwischen 150 und 499 mg/dl erhielten knapp 5 Jahre lang 4 g Ethyl-Eicosapentaensäure (Vascepa®) pro Tag oder Placebo. Der primäre Endpunkt, eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, koronarer Revaskularisierung oder Angina pectoris, wurde relativ um 25% gesenkt.
Omega-3-Fettsäuren als neue therapeutische Option
Diesem damals überraschenden Erfolg hat die AHA nun mit ihren neuen Empfehlungen Rechnung getragen und empfiehlt Omega-3-Fettsäuren als Ergänzung oder Alternative zu bekannten Pharmakotherapien.
Hohe Triglyzeride seien aufgrund von Diabetes und Adipositas in der Bevölkerung besonders häufig, konstatieren Skulas-Ray und ihre Koautoren. Jeder 4. US-Bürger habe TriglyzeridSpiegel von mehr als 150 mg/dl.
Bei der Risikostratifizierung wird zwischen Normalwerten (unter 150 mg/dl), einem Grenzbereich (150 bis 199 mg/dl), hohen (200 bis 499 mg/dl) und sehr hohen Werten (mindestens 500 mg/dl) unterschieden. Epidemiologische Studien zeigen aber selbst bei Spiegeln im Grenzbereich Assoziationen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
„Mittlerweile legen Mendelsche Randomisierungsstudien nahe, dass es sich um einen kausalen Zusammenhang handelt“, heißt es in der AHA-Veröffentlichung. Denn in der Vergangenheit war immer wieder angezweifelt worden, ob es sich bei den hohen Triglyzeriden nicht nur um einen Marker des hohen kardiovaskulären Risikos handelt. Denn Interventionsstudien, etwa mit Fibraten, hatten zu uneindeutigen Ergebnisse geführt.
Das hat sich nun mit der Verfügbarkeit von hochdosierten verschreibungspflichtigen Omega-3-Fettsäuren-Derivaten geändert, die entweder EPA plus DHA oder nur EPA enthalten. Die wirksame Dosis wird von der AHA bei 4 Gramm pro Tag definiert. Da es keine direkten Vergleichsstudien („Head-to-Head“) gibt, präferiert die Autorengruppe der neuen Empfehlungen keines der beiden in USA zugelassenen Präparate.
Bei den meisten Patienten mit hohem Triglyzerid-Spiegel (200 bis 499 mg/dl) gelang es in den Studien mit EPA plus DHA oder EPA allein, die Triglyzeride um 20 bis 30% zu verringern. Auf den LDL-Cholesterinwert hatte die Omega-3-Fettsäuren-Therapie dabei keinen Einfluss.
Bei Personen mit sehr hohen Triglyzeriden von über 500 mg/dl sind sogar Senkungen um mehr als 30% möglich – in diesen Fällen ist aber nach Angaben der Autorengruppe mit einem LDL-Anstieg zu rechnen. Wie sich dies auf die Nutzen-Risiko-Relation auswirkt, sei unklar, schreiben sie, da sich gleichzeitig Apolipoprotein-B-Level als weiterer Risikomarker kaum veränderten.
Sicherheit und Verträglichkeit
Den von dem Autorenteam um Skulas-Ray zitierten Studien zufolge sind n-3-Fettsäuren in der zugelassenen Dosis von 4 Gramm pro Tag auch sicher und gut verträglich. Als Nebenwirkungen in den Studien sei es gelegentlich zu leichten Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit gekommen. Weniger als 5% aller Teilnehmer in den klinischen Studien brachen die Behandlung deshalb ab. Die Einnahme zu den Mahlzeiten könne solche Beschwerden verringern und verbessere gleichzeitig die Resorption.
Ob die Indikationen von DHA bzw. EPA verändert werden, ist noch offen. Aktuell hat die FDA die Präparate erst ab einem Triglyzerid-Wert von 500 mg/dl zugelassen. Laut AHA-Stellungnahme profitieren aber bereits Patienten ab 200 mg/dl von der Behandlung.
„Wir kommen zu dem Schluss, dass die Verschreibung von n-3-Fettsäuren, also EPA plus DHA oder nur EPA, in einer Dosis von 4 g/d eine effektive und sichere Option zur Reduzierung von Triglyzeriden als Monotherapie oder als Ergänzung zu anderen lipidsenkenden Mitteln ist“, fassen die Autoren zusammen. „Bei allen Patienten sollten aber auch die bekannten Empfehlungen für Ernährung und Lebensstil befolgt werden.“
Skulas-Ray warnt zudem in einer Pressemeldung Patienten mit hohen Triglyzerid-Spiegeln vor eigenmächtigen Therapieversuchen mit frei verkäuflichen Supplementen: „Nahrungsergänzungsmittel, die Omega-3-Fettsäuren enthalten, sind von der FDA nicht reguliert“, sagt sie. „Diese sollten nicht anstelle von verschreibungspflichtigen Medikamenten zur langfristigen Behandlung von hohen Triglyzerid-Werten verwendet werden.“
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Diesen Artikel so zitieren: Klare Empfehlung nach REDUCE-IT: US-Kardiologen raten zu Omega-3-Fettsäuren zur Senkung hoher Triglyzeride - Medscape - 27. Aug 2019.
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