Der Ärger um die Einführung der Telematik-Infrastruktur (TI) in Arztpraxen reißt nicht ab: Wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mitteilt, wollen Krankenkassen die Pauschalen für die Konnektoren zum Anschluss an die Telematik-Infrastruktur rückwirkend zum 1. Juli kürzen [1] .
Die KBV ist strikt dagegen. Nun muss das Schiedsamt entscheiden und kurz vor den Verhandlungen geht die KBV an die Öffentlichkeit. Verärgert über die neuerliche Absenkung verlangen die Kassenärzte im Gegenzug nun mehr Geld für Kartenterminals in den Praxen.
133.000 Konnektoren für niedergelassene Ärzte
Derzeit beträgt die Erstattungspauschale für die Konnektoren 1.982 Euro. Davon sind 435 Euro für ein stationäres Kartenterminal vorgesehen und 1.547 Euro für den Konnektor. Wie weit die Pauschalen sinken sollen, ist bis zum Schiedsamt unklar.
Klar ist: Es geht um eine Menge Geld. Der GKV-Spitzenverband rechnet mit 205.000 Konnektoren für die gesamte Telematik-Infrastruktur in Praxen, Krankenhäusern oder Apotheken mit einem derzeitigen Gesamtvolumen von gut 406 Millionen Euro, wie Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, auf Anfrage mitteilt.
Allein für den niedergelassenen Bereich gehen 133.000 Konnektoren über die Ladentheke, bezahlt aus einer Gesamtpauschale für den niedergelassenen Bereich von derzeit knapp 264 Millionen Euro. Bei den niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten waren bis Ende Juni 105.000 Konnektoren im Einsatz, also gut die Hälfte der avisierten Zahl.
Eine Einsparung bei der zweiten Hälfte der Konnektoren schlüge also deutlich zu Buche. Kein Wunder, dass der GKV Spitzenverband an der Preisschraube drehen will.
Die GKVen berufen sich bei ihrer Forderung auf Preisrecherchen. Ein Konnektor-Modell sei deutlich günstiger erhältlich als in den aktuellen Erst-Ausstattungspauschalen abgebildet. Die Kassen setzen auf den Markteffekt, bestätigt Lanz. „Wir haben in der Vergangenheit mehrfach die Pauschalen gesenkt, und immer war es so, dass danach auch die Preise runtergegangen sind und die Ärzte nicht darunter gelitten haben.“
Das heißt im Klartext, Praxischefs mussten nie draufzahlen, um an einen Konnektor zu kommen, allerdings mussten sie sich dazu am günstigsten Produkt orientieren. „Und das wird auch jetzt der Fall sein, das ist unsere Erwartung“, sagt Lanz.
Die tatsächlichen Preise seien stets der Absenkung der Pauschalen gefolgt. Im 3. Quartal 2017 betrug die Pauschale 2.620 Euro und sank um jeweils 10% bis zum 4. Quartal 2018 auf schließlich 1.547 Euro, so die Rechnung des GKV-Spitzenverbandes.
Es sei aber nicht die Absicht des GKV SV, dass Ärzte draufzahlen, „sondern wir wollen die wirtschaftlichen Effizienzgewinne und die Marktmöglichkeiten für die GKV und die Beitragszahler ausschöpfen“, sagt Lanz. Es mache keinen Sinn, höhere Pauschalen als nötig auszuzahlen, „und dass dann das zusätzliche Geld bei der Industrie als Gewinn hängen bleibt.“
Das Schiedsamt entscheidet Ende August
Die KBV protestiert gegen die Kürzungsabsicht des GKV-Spitzenverbandes. KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel sagt, die rückwirkende Absenkung sei „nicht verhandelbar. Die Praxen brauchen Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Alle Ärzte und Psychotherapeuten, die bislang eine TI-Ausstattung bestellt haben, müssen dafür auch die bisher gültigen Pauschalen erhalten.“
Auch Dr. Matthias Berndt, Vorsitzender des Hausärzte-Verbandes Niedersachsen, zeigt sich verständnislos für den Schritt der Krankenkassen. „Es ist unredlich, eine einmal vereinbarte Summe rückwirkend nicht zu zahlen“, sagt Berndt zu Medscape. „Das gehört sich nicht!“
Im Übrigen bezweifelt der Hausärztechef, dass die Preise für die Konnektoren gesunken sind. Die Vergütung müsse vielmehr höher sein als derzeit, denke man an die Schulungen für die MFAs und die ständig wiederkehrenden Probleme mit dem Konnektor, die durch teure Fachleute behoben werden müssen.
„Nichts ist easy“ resümiert Berndt. Und viele Hausärzte sind allein deshalb verärgert, weil „der Nutzen der TI in der Praxis für uns Ärzte aktuell gleich null ist“, sagt Berndt. „Nur der Stammdaten-Abgleich für die Krankenkassen funktioniert, wenn die Patienten ihre Karte einlesen!“
Die KBV belässt es nicht bei ihrem Protest, sondern macht prompt die Gegenrechnung auf. Wenn die Marktgesetze für die Konnektoren gelten, so müssen sie auch auf die Kartenterminals angewandt werden. Die KBV sehe, „dass die E-Health Kartenterminals bisher in den Erst-Ausstattungspauschalen zu niedrig bewertet sind, da die Marktpreise für diese Geräte deutlich höher liegen“, teilt die KBV mit. Hier fordert sie nun eine Anhebung.
Die Schiedsamt-Entscheidung über die Konnektoren-Pauschalen wird für Ende August erwartet.
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Telematik-Infrastruktur: Krankenkassen wollen die Pauschalen für Konnektoren kürzen, doch Ärzte laufen Sturm - Medscape - 16. Aug 2019.
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