Weltweit erster Chlamydien-Impfstoff erweist sich in Phase 1 als sicher und immunogen

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

13. August 2019

In einer klinischen Phase-1-Studie erwies sich der Chlamydien-Impfstoff-Kandidat CTH522 als sicher und immunogen. Um Effekte zu erzielen, erhielten Probadinnen die Vakzine sowohl intramuskulär als auch intranasal. Das berichten Forscher um Dr. Sonya Abraham vom Imperial College London und Dr. Helene B. Juel vom Statens Serum Institut Kopenhagen, Dänemark, in The Lancet Infectious Diseases  [1]. Basis war eine randomisierte Placebo-kontrollierte Studie mit 35 gesunden Frauen.

„Obwohl eine robuste systemische T-Zell-Antwort induziert wurde, denken wir, dass die Wirksamkeit der Impfung vom effektiven Transport schützender Zellen zur Zervix als Ort der primären Infektion abhängen wird“, schreiben Dr. Taylor B. Poston und Prof.Dr. Toni Darville von der University of North Carolina, Chapel Hill, in einem begleitenden Editorial [2].

Dieser wichtige Aspekt ist aber bislang noch nicht untersucht worden. Für zukünftige Studien blieben nun die klinisch relevanten Endpunkte, sprich der Schutz vor Chlamydien-Infektionen, zu prüfen. „Dazu müssten Frauen mit dem höchsten Infektionsrisiko rekrutiert werden, von denen viele möglicherweise eine gewisse Immunität erworben haben“, geben Poston und Darville zu bedenken. In künftigen Studien sei zu unterscheiden, ob eine Immunantwort von früheren Infektionen oder von der Impfung komme.

Jenseits dieser Detailfragen sehen die beiden Experten einen „großen Bedarf“ für solche Schutzimpfungen: sowohl bei Frauen als auch bei Männern.

Chlamydia trachomatis: Viele Infektionen bleiben unentdeckt

Denn Infektionen mit Chlamydia trachomatis gehören laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO zu den am häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD). Weltweit infizieren sich 131 Millionen Menschen pro Jahr neu.

 
Angesichts der Auswirkungen von Chlamydia-Infektionen auf die Gesundheit … besteht ein großer Bedarf an Impfstoffen. Prof. Dr. Peter Andersen
 

Bei einem STD-Sentinel in Deutschland waren 3,8% der Tests bei Frauen und 11,8% bei Männern positiv.

„Da 3 von 4 Infektionen symptomlos verlaufen, wird die Zahl der Fälle wahrscheinlich unterschätzt“, so Abraham und Juel im Artikel.

Speziell bei Frauen drohen chronische Entzündungen des Gebärmutterhalses, der Eileiter und des Beckens: eine mögliche Erklärung für ungewollte Kinderlosigkeit. „Angesichts der Auswirkungen von Chlamydia-Infektionen auf die Gesundheit von Frauen, aber auch von Säuglingen durch Übertragung bei der Geburt und die erhöhte Anfälligkeit für andere sexuell übertragbare Krankheiten besteht ein großer Bedarf an Impfstoffen“, kommentiert Prof. Dr. Peter Andersen vom Statens Serum Institut Kopenhagen, Dänemark. Er ist Koautor der Studie.

30 Frauen mit Impfstoff behandelt

Im Rahmen der Phase-1-Studie untersuchten Abraham, Juel und ihre Kollegen die Vakzine CTH522. Sie basiert auf dem chlamydialen Major Outer Membran Protein (MOMP). Die Forscher rekrutierten 35 gesunde Frauen zwischen 19 und 45 Jahren. Alle Probandinnen wurden im Verhältnis 3:3:1 randomisiert folgenden Studienarmen zugeordnet:

  • CTH522 mit dem liposomalen Adjuvans CAF01 (CTH522:CAF01): 15 Teilnehmerinnen

  • CTH522 mit Aluminiumhydroxid als Adjuvans (CTH522:AH): 15 Teilnehmerinnen

  • Placebo (Kochsalz-Lösung): 5 Teilnehmerinnen

Laut Studienprotokoll erhielten die Frauen 3 intramuskuläre Injektionen von 85 µg Impfstoff mit Adjuvans oder Placebo in den Deltamuskel ihres Arms nach 0, 1 und 4 Monaten. Nach 4,5 und 5 Monaten folgten 2 intranasale Gaben von je 30 µg der Vakzine ohne Adjuvans oder Placebo.

Gute Immunogenität, keine schwerwiegenden Nebenwirkungen

Zu den Ergebnissen: Sowohl CTH522:CAF01 als auch CTH522:AH induzierten die Bildung spezifischer Antikörper gegen CTH522 bei allen 15 Teilnehmerinnen des jeweiligen Impfstoffarms nach 5 Impfungen. CTH522:CAF01 führte zu einer beschleunigten Serokonversion, zu einem 5,6-fach höheren Immunglobulin G-Titer und zu einem besseren mukosalen Antikörperprofil im Vergleich zu CTH522:AH.

 
Beide Impfstoffe waren immunogen. Dr. Sonya Abraham und Dr. Helene B. Juel
 

„Beide Impfstoffe waren immunogen, obwohl CTH522:CAF01 ein besseres Profil hat und für die weitere klinische Entwicklung vielversprechender ist“, fassen Abraham und Juel zusammen. In der Placebo-Gruppe fanden die Forscher keinen Effekt.

Schwere Nebenwirkungen traten bei keiner Probandin auf. Zu den leichten unerwünschten Effekten zählten lokale Reaktionen an der Injektionsstelle bei jeweils 15 (100%) in den beiden Impfgruppen versus 3 (60%) in der Placebogruppe.

Die intranasale Impfung war nicht mit einer signifikant höheren Häufigkeit von lokalen Reaktionen verbunden. Hier gaben jeweils 7 (47%) versus 3 (60%) Missempfindungen an.

Obwohl der Impfstoff eine Immunantwort hervorruft, bleibt unklar, ob eine schützende Immunität aufgebaut wird. Hinweise gibt es aber schon jetzt. „Studien mit Mäusen haben ergeben, dass bestimmte Antikörper in der Vagina die 1. Verteidigungslinie gegen Chlamydia-Infektionen darstellen“, erklärt Juel in einer Pressemeldung. „Genau diese Antikörper wurden sowohl bei CTH522:CAF01- als auch bei CTH522:AH-geimpften Personen gefunden.“

 
Es werden noch viele Jahre Forschungsarbeit erforderlich sein, bevor dieser Impfstoff auf den Markt kommt. Dr. Helene B. Juel
 

Juel weiter: „Es werden noch viele Jahre Forschungsarbeit erforderlich sein, bevor dieser Impfstoff auf den Markt kommt, wir planen nun demnächst eine Phase-2a-Studie mit CTH522:CAF01.“

Vielversprechende Ergebnisse – offene Fragen

„Das Ergebnis dieser Studie ist sehr interessant und auch recht vielversprechend“, kommentiert Prof. Dr. Georg Häcker, Ärztlicher Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Universitätsklinikum Freiburg, die Studie. „Sie zeigt, dass Geimpfte eine Immunantwort gegen Chlamydien aufbauen können, und es gibt Hinweise darauf, dass diese Immunantwort Chlamydien blockieren kann.“

Allerdings sei (noch) nicht untersucht worden, ob der Impfstoff einen echten Impfschutz aufbaue. „Das kann zwar vermutet, aber nicht sicher vorhergesehen werden“, sagt er.

Um diese Fragen zu klären, seien wesentlich größere und teurere Studien erforderlich. „Falls dies – und das ist selbstverständlich noch nicht sicher – funktioniert, dann könnte man daran denken, den Impfstoff zuzulassen.“

Dazu seien mindestens 2 Studienphasen in steigender Größe erforderlich, inklusive Finanzierung. Häcker: „Das Wichtigste ist letztlich, ob die Impfung gegen Spätfolgen der Infektion schützt, die Jahre nach der Infektion auftreten. Dies wird man erst viele Jahre nach einer möglichen Einführung des Impfstoffs wissen.“ Bestenfalls rechnet der Experte mit der Verfügbarkeit von Vakzinen in 5 bis 10 Jahren.

 

Kommentar

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