Jens Spahn will ländliche Krankenhäuser fördern. Doch Experten sehen darin eher einen symbolischen Beitrag

Christian Beneker

Interessenkonflikte

7. August 2019

Soltau, Uelzen, Norderney – auch in Niedersachsen sollen ländliche Krankenhäuser ab dem kommenden Jahr regelmäßig Extra-Geldspritzen aus dem Fördertopf der Krankenkassen erhalten. Ab 2020 profitieren 120 ländlich gelegene Krankenhäuser in eher strukturschwachen Regionen pauschal von jährlich je 400.000 Euro Sicherstellungszuschlag pro Jahr [1]. Krankenkassen stellen zusätzlich 48 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung. Unterstützt werden Krankenhäuser, zu denen es in erreichbarer Nähe keine Alternative gibt.

Fraglich ist, ob Krankenhäuser den Obolus wirklich bemerken oder ob es sich um einen eher symbolischen Betrag handelt. Marten Bielefeld, stellvertretender Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Niedersachsen (NKG), spricht von einem lediglich „politischen Zeichen“. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht einen weitaus größeren finanziellen Bedarf.

Komplexer Kriterienkatalog

Zur Frage, wer künftig Gelder erhalten soll, haben sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der GKV-Spitzenverband und der Verband der privaten Krankenversicherung auf eine Liste von Krankenhäusern verständigt. Diese müssen laut Gemeinsamem Bundesausschuss (G-BA) eine Reihe von Kriterien erfüllen. Dazu gehören u.a. eine Fachabteilung Innere Medizin und eine chirurgische Fachabteilung, die zur Versorgung von Notfällen der Grund-​ und Regelversorgung geeignet ist.  

Anforderungen der Basisstufe der Notfallversorgung kommen noch hinzu, wie vom G-BA im Mai 2018 festgelegt. Seit 1. Januar 2019 zählt „auch die Geburtshilfe zu den basisversorgungsrelevanten Leistungen eines Krankenhauses“, so der G-BA.

Den Empfängern der Geldspritzen muss es aber wirtschaftlich nicht unbedingt schlecht gehen, den eine finanzielle Schieflage ist nicht nachzuweisen. Bedingung indessen: Das Empfängerhaus muss in einem Einzugsbereich mit weniger als 100 Einwohnern pro Quadratkilometer liegen. Und es müsste für 5.000 Bewohner der Region mehr als 30 Minuten Fahrzeit bedeuten, wenn das zu fördernde Haus schlösse. Die Liste der Häuser wird alljährlich aktualisiert.

 
Gerade in gesundheitlichen Notlagen braucht es eine schnell erreichbare Versorgung vor Ort. Jens Spahn
 

„Ein Krankenhaus vor Ort ist für viele Bürger ein Stück Heimat. Es gibt ihnen Geborgenheit und Sicherheit“, begründet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Zahlungen. „Gerade in gesundheitlichen Notlagen braucht es eine schnell erreichbare Versorgung vor Ort.“ Spahn lobte die „unbürokratische, konkrete und wirksame Hilfe für den ländlichen Raum.“

Zuschüsse nur ein Tropfen auf den heißen Stein?  

Allerdings dürfte der Betrag von 400.000 Euro pro Krankenhaus wenig mehr sein als ein Anerkennungsgeld. Der Zuschuss sei „nur ein kleiner, gleichwohl positiver Baustein“, heißt es in einer Mitteilung der DKG. Auch im ländlichen Niedersachsen werden 10 Krankenhäuser unterstützt. Marten Bielefeld, von der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG), sagt: „Es ist letztendlich ein Signal.“

Das Heidekreis Klinikum gGmbH im Niedersächsischen Soltau zum Beispiel fahre „ein massives Defizit von jährlich 13 Millionen Euro bei den Betriebskosten“, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Claudia Walther zu Medscape. Das Defizit wird regelmäßig vom Heidekreis ausgeglichen. „Die 400.000 Euro fließen in die Reduktion dieses Defizits und sind natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Walther.

Tatsächlich strebt das Klinikum nach ganz anderen Maßnahmen. Und zwar mit den beiden Standorten Soltau und Walsrode nach einem gemeinsamen Neubau. „Wir haben eine Willenserklärung der Landesregierung über 130 Millionen Euro für die Zusammenlegung“, sagt Walther.

Krankenhausgesellschaft: 48 Millionen Euro bedeuten kaum etwas

Angesichts der nur kleinen finanziellen Entlastungen bei ländlichen Häusern nimmt die DKG die 48 Millionen Euro Zuschuss zum Anlass, auf die grundsätzliche finanzielle Schieflage der Krankenhäuser hinzuweisen. Im nächsten Jahr würden den Krankenhäusern 250 Millionen Euro fehlen, weil ihnen im Zuge der Pflegebudget-Einführung ab 2020 vorab 1,5% der Budgets gekürzt werden, kritisiert Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Bei diesem Verlust fielen die 48 Millionen Euro Geldspritze kaum ins Gewicht.

 
Die Krankenhausversorgung braucht wesentlich mehr als eine solche Aktion. Dr. Josef Düllings
 

Auch der Verband der Krankenhausdirektoren spricht von einer Regelung mit „Pferdefuß“. Er fordert von der Politik langfristige Planungssicherheit, statt kurzfristiger Geldspritzen. Der tatsächliche Bedarf der Krankenhäuser liege bei mehr als 6 Milliarden Euro pro Jahr, der von den Ländern nur zur Hälfte abgedeckt werde. Verbandpräsident Dr. Josef Düllings zum Thema Geldspritze: „Die Krankenhausversorgung braucht „wesentlich mehr als eine solche Aktion.“

 

Kommentar

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