Harnblasenkarzinome weisen relativ häufig Mutationen im Rezeptor für den Fibroblasten-Wachstums-Faktor (FGFR) auf. Dies ist ein Target des pan-FGFR-Inhibitors Erdafitinib.
Erdafitinib erzielte nun in einer offenen Phase-2-Studie mit 99 vorbehandelten Patienten, die unter einem lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Harnblasenkarzinom litten und FGFR-Mutationen aufwiesen, zu einer Ansprechrate von 40%. Eine Komplettremission wurde in 3% der Fälle erreicht. Das Ansprechen wurde bereits nach 1,4 Monaten Therapie beobachtet und es hielt im Median über 5,6 Monate an.
Dr. Yohann Loriot, Onkologisches Institut, Gustave Roussy, Universität Paris, Villejuif, Frankreich, und Kollegen haben die Ergebnisse der BLC2001-Studie nun im New England Journal of Medicine publiziert. [1]
Präzisionsmedizin nun auch beim Urothelkarzinom
Sie waren Grundlage für die beschleunigte Zulassung von Erdafitinib (Balversa®, Janssen) bereits im April 2019 durch die amerikanische Food and Drug Administration (FDA). Die Indikation: Behandlung von Erwachsenen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Blasenkarzinom und FGFR2- oder FGFR3-Mutationen. Zum Nachweis dieser Veränderungen hat die FDA begleitend einen diagnostischen Test zugelassen.
„Erdafitinib hat eine vielversprechende Antitumoraktivität. Das Ansprechen auf Erdafitinib erfolgte rasch und war unabhängig von der Zahl und vom Typ der Vortherapien, vom Vorliegen viszeraler Metastasen und von der Tumorlokalisation, “ schreibt die Autorengruppe im NEJM.
„Mit der FDA-Zulassung von Erdafitinib hat die Präzisionsmedizin auch beim Urothelkarzinom Einzug gefunden. Für jene etwa 20% an Patienten mit einem metastasierten und vorbehandelten Urothelkarzinom, die FGFR-2- oder FGFR-3-Mutationen oder ein Fusionsgen aufweisen, sind die jetzt in der vollen Publikation präsentierten Ergebnisse tatsächlich exzellent und wichtig“, kommentiert PD Dr. med. univ. Maria De Santis, Sektionsleiterin interdisziplinäre Uro-Onkologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, auf Anfrage von Medscape.
Weiter sagt sie: „Loriot und Kollegen beschreiben für Erdafitinib eine Gesamt-Ansprechrate von 40 Prozent, die von unabhängigen Radiologie-Reviewern mit immerhin 32,2 Prozent (95%-KI 22,4-42,0) bestätigt wurde. Besonders wichtig ist die Information über das gute Ansprechen auf Erdafitinib auch nach Chemo- und Immuntherapie.“
De Santis weist auch darauf hin, dass besonders die Subgruppe von Patienten, die zuvor Immuntherapie erhalten, aber darauf nicht angesprochen hatte, ein besonders hohes Ansprechen auf Erdafitinib gezeigt hat. Ihr Fazit: „Diese neuen Erkenntnisse machen deutlich, dass eine genetische Testung für das Urothelkarzinom demnächst zur Routine gehören sollte.“
Ansprechraten bei Zweitlinientherapie bislang bei maximal 21%
Eine Zweitlinientherapie mit Taxan oder Vinflunin hat bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom nur eine Ansprechrate von etwa 10%, die mediane Überlebenszeit beträgt damit 7 bis 9 Monate. Mit neuen Substanzen, wie Immuncheckpoint-Hemmern steigt die Ansprechrate auf 13 bis 21%, die Überlebenszeit verlängerte sich damit in einer Studie auf im Median 10,3 Monate.
Genomweite RNA-Expressionsanalyse ergaben, dass das Urothelkarzinom in luminale und basalähnliche Subtypen unterteilt werden kann. Der Luminal-I-Subtyp ist durch ein schlechtes Ansprechen auf Immuncheckpoint-Inhibitoren gekennzeichnet, weist jedoch eine hohe Rate an Mutationen in den Genen auf, die für den FGFR kodieren.
Phase-2-Studie mit Pan-Tyrosinkinase-Inhibitor Erdafitinib
Erdafitinib ist ein potenter Tyrosinkinase-Inhibitor der FGFR1-4. In einer Phase-1-Studie an Patienten mit Urothelkarzinomen und anderen Tumoren mit FGFR-Mutationen hatte die Substanz ihre antitumorale Aktivität bestätigt. Daher hat die BLC2001-Studiengruppe in einer unkontrollierten offenen multizentrischen Phase-2-Studie die Ansprechrate des Tyrosinkinase-Inhibitors bei vorbehandelten Patienten mit lokal fortgeschrittenem und nicht resezierbaren oder metastasiertem Urothelkarzinom mit FGFR-Alterationen untersucht.
99 Patienten nahmen Erdafitinib einmal täglich (8 oder 9 mg) bis zur Progression der Erkrankung oder bis zum Auftreten inakzeptabler Nebenwirkungen.
Den primären Endpunkt – ein bestätigtes Ansprechen – erreichten 40% nach einer medianen Behandlungsdauer von 5,3 Monaten. 3% sprachen komplett, 37% partiell an. In 39% der Fälle wurde eine stabile Erkrankung erreicht, bei 18% schritt die Erkrankung fort, 2% der Patienten konnten nicht ausgewertet werden.
Bis zum Ansprechen dauerte es 1,4 Monate, das Ansprechen hielt 5,6 Monate an. Die Patienten lebten 5,5 Monate ohne erneute Progression und überlebten 13,8 Monate (alle Werte im Median).
Unerwünschte Wirkungen vom Grad 3 oder 4 berichteten 67% der Patienten. Hierzu gehörten Hyponatriämie (11%), Stomatitis (10%) oder Asthenie (7%). Erdafitinib löste wie alle Inhibitoren des Mitogen-aktivierten Proteinkinase-Stoffwechselwegs Augenprobleme aus, sie waren jedoch eher leicht bis mäßig schwer und verschwanden nach Dosisreduktion oder Therapiepause wieder.
Häufigste unerwünschte Wirkung insgesamt war eine Hyperphosphatämie bei 77% der Patienten. „Die Hyperphosphatämie scheint für diese Substanzgruppe ein Biomarker zu sein und nach den Phosphatwerten wurde auch die Dosis titriert“, erläuterte De Santis.
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Diesen Artikel so zitieren: Präzisionsmedizin nun auch beim Harnblasenkarzinom: 40% Ansprechrate mit Erdafitinib bei FGFR3- oder FGFR2-Mutation - Medscape - 25. Jul 2019.
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