Die subkutane Gabe von Galcanezumab in einer Dosis von 300 mg einmal monatlich verringert signifikant die Häufigkeit von Anfällen episodischen Cluster-Kopfschmerzes im Vergleich zu Placebo. Das berichtet Dr. Peter J. Goadsby vom King’s College und King’s College Hospital, London, zusammen mit Kollegen im New England Journal of Medicine [1]. Basis war eine randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie.

Dr. Astrid Gendolla
„Wir sehen hier bei stark von Cluster-Kopfschmerz betroffenen Patienten ein gutes Ergebnis, sprich 3,5 Attacken weniger pro Woche“, kommentiert Dr. Astrid Gendolla im Gespräch mit Medscape. Sie behandelt in ihrer Praxis für Neurologie, Psychosomatik, Psychiatrie, Nervenheilkunde, Psychotherapie und Spezielle Schmerztherapie in Essen Patienten mit dieser Erkrankung. „Das Ergebnis ist klinisch überzeugend.“
Die Expertin weist jedoch auf einige generelle Probleme hin: Cluster-Kopfschmerzen hätten einen Spontanverlauf. Patienten litten mal unter mehr und mal unter weniger Attacken. „Es kann passieren, dass sich Beschwerden allein schon durch die Aufnahme in Studienprogramme verbessern“, so Gendolla weiter. Die sei etwa bei Botox und Migräne beobachtet worden.
„Deshalb ist es gut, dass wir überhaupt einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen beiden Armen sehen.“ Ihr Fazit: „Alle neuen Arzneistoffe, die Cluster-Patienten helfen, sind in der Therapie willkommen.“ Bislang gebe es kaum Möglichkeiten zur Prophylaxe. „Hier hätten wir erstmals eine Substanz, welche den CRP-Stoffwechsel zum Ziel hat.“
Einen weiteren Vorteil sieht sie darin, dass Galcanezumab nur einmal monatlich injiziert wird. Andere Präparate zur Vorbeugung müssten täglich eingenommen werden, und die Therapietreue sinke langfristig.
Cluster-Kopfschmerz bislang schwer zu therapieren
Zum Hintergrund: Bekanntlich versteht man unter Cluster-Kopfschmerz attackenartig auftretende, einseitige, extrem heftige Kopfschmerzen. Sie betreffen Männer und Frauen im Verhältnis 3:1. Attacken treten bis zu 8-mal täglich auf und dauern zwischen 15 und 180 Minuten.
Bei der überwiegend vorkommenden episodischen Form des Cluster-Kopfschmerzes (80%) gibt es symptomatische Episoden, die Wochen bis Monate dauern. Dann folgen Monate bis Jahre ohne Beschwerden.
Dauert die Clusterperiode über ein Jahr ohne spontane Remission an oder sind die Remissionsphasen kürzer als einen Monat, handelt es sich um chronischen Clusterkopfschmerz.
Die Leitlinie empfiehlt, zur Attacken-Kupierung reinen Sauerstoff über eine Nasenmaske sowie diverse Triptane. Zur Prophylaxe setzen Neurologen Verapamil, Prednisolon, Topiramat und das heute nicht mehr erhältliche Methysergid ein.
Goadsby und seine Kollegen wollten nun wissen, ob der zur Migräneprophylaxe zugelassene humanisierte monoklonale Antikörper Galcanezumab (Emgality®, Eli Lilly) auch eine Option für Patienten mit episodischem Cluster-Kopfschmerz darstellt. Das Pharmakon richtet sich gegen die Calcitonin-Gene-Related-Peptide (CGRP), das sind spezielle Neuropeptide, die bei der Migräne eine Rolle spielen.
Studie mit 106 Patienten
Ursprünglich planten die Forscher, 162 Patienten mit Cluster-Kopfschmerz in die Studie aufzunehmen. Ihre Einschlusskriterien waren während der 7-tägigen Basisuntersuchungen: mindestens 1 Anfall jeden 2. Tag, mindestens 4 Anfälle insgesamt und nicht mehr als 8 Anfälle pro Tag sowie mindestens 6-wöchige Cluster-Kopfschmerz-Perioden in der Vorgeschichte.
Die Rekrutierung wurde abgebrochen, bevor die Studie die geplante Stichprobengröße von 162 erreichte, da zu wenige Freiwillige die Zulassungskriterien erfüllten. Trotzdem seien die geplanten Auswertungen möglich gewesen, heißt es im Artikel.
Von 106 Patienten erhielten 49 nach dem Zufallsprinzip subkutan Galcanezumab 300 mg und 57 Placebo – jeweils zu Studienbeginn und nach einem Monat. Als primären Endpunkt definierten Goadsby und seine Kollegen die mittlere Veränderung der wöchentlichen Häufigkeit von Cluster-Kopfschmerzattacken über die Wochen 1 bis 3 nach Erhalt der ersten Dosis gegenüber dem Ausgangswert.
Der wichtigste sekundäre Endpunkt war der Prozentsatz an Patienten, bei denen die wöchentliche Häufigkeit von Cluster-Kopfschmerz-Attacken in Woche 3 gegenüber dem Ausgangswert um mindestens 50% abnahm. Die Sicherheit wurde ebenfalls bewertet.
Zahl der Cluster-Kopfschmerz-Attacken ging zurück
Die durchschnittliche Anzahl von Cluster-Kopfschmerz-Attacken pro Woche betrug bei Studienbeginn 17,8 ± 10,1 in der Galcanezumab-Gruppe und 17,3 ± 10,1 in der Placebo-Gruppe. In den Wochen 1 bis 3 sank die Häufigkeit um 8,7 Attacken (Verum) bzw. 5,2 (Placebo). Bei 71% in der Galcanezumab-Gruppe und 53% in der Placebo-Gruppe hatte sich die Kopfschmerzhäufigkeit in Woche 3 mindestens halbiert.
Ab Woche 4 bis zum Ende der 8-wöchigen Studiendauer näherten sich die Veränderungen in der wöchentlichen Häufigkeit von Attacken in beiden Studienarmen an. „Dies deutet darauf hin, dass eine spontane Verbesserung oder Remission in der zweiten Hälfte der doppelblinden Phase stattgefunden haben könnte, die den typischen Verlauf eines Cluster-Kopfschmerzes widerspiegelt oder dass sich der Behandlungseffekt mit Galcanezumab zu diesen Zeitpunkten nicht mehr wesentlich von dem mit Placebo unterschied“, kommentieren Goadsby und seine Kollegen.
Rolle von CGRP bei Cluster-Kopfschmerz noch unklar
Sie ergänzen: „Die Daten aus unserer Studie liefern Hinweise auf eine Beteiligung des CGRP bei Clusterkopfschmerzen.“
Wie Galcanezumab hier genau wirke, sei jedoch unbekannt.
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Hoffnung beim Cluster-Kopfschmerz: Migräne-Antikörper Galcanezumab senkt Attackenzahl in kontrollierter Studie - Medscape - 22. Jul 2019.
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