Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das Masernschutzgesetz beschlossen, das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingebracht hatte. Danach sind die Impfentscheidungen bei Masern für eine Reihe von Personengruppen nicht mehr freiwillig.
Mit dem neuen Gesetz entscheidet sich Spahn gegen die Empfehlung des Deutschen Ethikrates. Auch der Rat sieht zwar eine Impfpflicht – aber keine gesetzliche, sondern eine moralische.
Kita-Kinder, Tagesmütter, Krankenschwestern – Bußgelder drohen
Ab dem März 2020 müssen alle Kinder beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten eine Masernschutzimpfung nachweisen. Das gilt auch für Kinder, die von einer Tagesmutter betreut werden.
Auch die Betreuungspersonen, die in Gemeinschafts- oder medizinischen Einrichtungen arbeiten, müssen geimpft sein. Dies gilt für Erzieher, Lehrer, Tagespflegepersonen und medizinisches Personal, soweit es nach 1970 geboren ist. Zusätzlich müssen Asylbewerber und Flüchtlinge in einer Gemeinschaftsunterkunft ihren Impfschutz innerhalb von 4 Wochen nach der Aufnahme in der Unterkunft nachweisen.
Nicht geimpftes Personal darf in den genannten Einrichtungen nicht arbeiten. Nicht geimpfte Kinder können vom Kita-Besuch ausgeschlossen werden.
Die Impfungen können durch den Impfausweis nachgewiesen werden. Kinder, die bereits in die Schule gehen, in die Kita oder eine andere Gemeinschaftseinrichtung, haben bis zum 31. Juli 2021 Zeit um nachzuweisen, dass sie sich haben impfen lassen. Wurde die Krankheit schon einmal durchlitten, müssen die Betroffenen die Immunität durch ein ärztliches Attest nachweisen. Das betrifft auch Betreuungspersonen etwa in Krankenhäusern und Arztpraxen.
Wenn Eltern von Kindern in Gemeinschaftseinrichtungen diese nicht impfen lassen wollen, droht ihnen ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro. Eine solche Strafe kann auch Kindertagesstätten treffen, wenn sie nicht geimpfte Kinder aufnehmen. Auch nicht geimpftes Personal in Gesundheits- und Gemeinschaftseinrichtungen muss mit Strafen rechnen, ebenso Bewohner und Personal von Asylbewerber-Unterkünften, wenn sie keinen Impfnachweis erbringen.
Impfen dürfen zukünftig alle Ärzte außer Zahnärzte. „Fachärztinnen und Fachärzte dürfen Schutzimpfungen unabhängig von den Grenzen für die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit durchführen“, so das Bundesgesundheitsministerium (BMG).
Um eine lückenlose Durchimpfung zu erzielen, sollen künftig Krankenkassen und der öffentliche Gesundheitsdienst verstärkt freiwillige Reihenimpfungen in Schulen organisieren. Das Masernschutzgesetz verpflichtet sie dazu, miteinander die Kostenerstattung durch die Kassen zu vereinbaren.
Dokumentiert werden soll der Impfstatus in einem digitalen Impfausweis. „Durch so einen digitalen Impfausweis kann der Patient automatisiert an Termine für Folge- und Auffrischimpfungen erinnert werden“, so das BMG.
Für eine verstärkte Impfaufklärung erhält die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) jährlich 2 Millionen Euro.
Ethikrat: Impfen ist moralische Pflicht, keine gesetzliche
Der Deutsche Ethikrat allerdings lehnt in einer Stellungnahme „Impfen als Pflicht?“ eine gesetzliche Regelung ab und erinnert an Solidarität und Gerechtigkeit, an eine moralische Pflicht zur Masernimpfung.
Nach seiner Ansicht greift eine allgemeine Impfpflicht für Kinder zu stark in das Elternrecht ein, „frei von staatlichem Einfluss nach eigenen Vorstellungen darüber (zu) entscheiden, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden wolle“, so der Rat. Eine Impfpflicht für Schüler lehnt er ab, für Kita-Kinder findet er sie indessen denkbar.
Ähnlich für Betreuende, wenn sie für Menschen da sind, die durch eine Maserninfektion besonders gefährdet wären. Auch hier gilt: „Die je nach Ausgestaltung unterschiedliche Eingriffsintensität einer derartigen Beschränkung der Berufsfreiheit muss in einem angemessenen Verhältnis zum Eingriffszweck stehen“, schreibt der Ethikrat in seiner Stellungnahme.
Um den Schutz vor Masern zu erhöhen, setzen die Ratsmitglieder anstelle von Gesetzen auf eine ethisch-moralisch begründete Impfverpflichtung. Es gehe um Solidarität und Gerechtigkeit in der Gesellschaft, heißt es: Kinder und besonders infektionsanfällige Menschen wollen geschützt werden. Impfen sei eben keine Privatangelegenheit, denn das Schadensrisiko für die Nichtgeimpften sei umso geringer, je höher die Impfbereitschaft aller anderen ist. Einzig für Gesundheits- Sozial- und Bildungspersonal befürwortet der Rat eine sanktionierbare Imfpflicht.
Ansonsten verstießen gesetzlicher Zwang oder gar Bußgelder gegen den „Grundgedanken der Liberalität und der Verhältnismäßigkeit“. Zwang solle nur als Ultima Ratio eingesetzt werden, wenn alle anderen Maßnahmen an ihre Grenzen gestoßen seien.
Tatsächlich zeichnet der Rat ein positives Bild der Impfbereitschaft in Deutschland: 97% der Kleinkinder in Deutschland erhalten derzeit die erste Masernimpfung. Die Impfquoten steigen dabei an. Auch Länder mit Impfpflicht hätten kaum tiefere Durchimpfungsraten als Deutschland und die Zahl der „Fundamentalisten“ unter den Impfgegnern sei klein und zudem insgesamt rückläufig. Die Akzeptanz der Masernimpfung sei groß. Fazit: Die Durchimpfungsquote von 95 % sei auch ohne Zwangsmaßnahmen erreichbar.
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Diesen Artikel so zitieren: Die Impfpflicht für Masern: Was das neue Gesetz vorsieht – und warum der Ethikrat dagegen ist - Medscape - 19. Jul 2019.
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