Exazerbationen bei COPD: CRP-Schnelltests für die Praxis kann Antibiotika sparen. Wann kommt er?

Petra Plaum

Interessenkonflikte

18. Juli 2019

Weniger Antibiotikagaben an Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), und das ohne Zusatzrisiko für die Patienten: Das erreichten Ärzte aus Großbritannien mit Point-of-Care-Tests auf C-reaktives Protein laut einer Studie im New England Journal of Medicine  [1].

Diese Schnelltests liefern binnen Minuten Ergebnisse. „Die auf CRP-Tests basierende Verschreibung von Antibiotika für Exazerbationen der COPD in der Erstversorgung resultierte in einer verringerten Prozentzahl sowohl an Patienten, die berichteten, Antibiotika eingenommen zu haben“, berichtet das Autorenteam um Prof. Dr. Christopher C. Butler vom Nuffield Department of Primary Care Health Sciences der University of Oxford, „als auch in einer verringerten Prozentzahl an Patienten, die überhaupt Antibiotika verschrieben bekamen.“

 Hinweise darauf, dass dadurch ein Patient gefährdet wurde oder gar zu Schaden kam, gab es hingegen nicht.

 
Neu ist, dass diese Daten jetzt aus der hausärztlichen Versorgung stammen und dass der Point-of-Care-CRP-Test angewandt wurde. Prof. Dr. Felix Herth
 

„Neu ist, dass diese Daten jetzt aus der hausärztlichen Versorgung stammen und dass der Point-of-Care-CRP-Test angewandt wurde“, betont Prof. Dr. Felix Herth, Leiter der Thoraxklinik des Universitätsklinikums Heidelberg.

„CRP ist ein langerkannter Parameter, der die Notwendigkeit der Antibiose bei akuter Exazerbation steuern kann. Es gab hier schon zuvor publizierte Evidenz.“ Eine große Verbreitung der Schnelltests sei jedoch hierzulande in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

Sorgfältige Randomisierung, akribische Analyse

Butler und seine Kollegen designten ihre Studie als randomisiert-kontrollierte, prospektive Studie mit einer CRP-Gruppe und einer Kontrollgruppe. Zwischen Januar 2015 und September 2017 rekrutierten sie in 86 Arztpraxen der Erstversorgung in Großbritannien Patienten mit COPD. Alle waren zum Rekrutierungszeitpunkt mindestens 40 Jahre alt und kamen mit Symptomen der Exazerbation in die Praxis, die mindestens eines der 3 Hauptkriterien nach Anthonisen erfüllten: zunehmende Dyspnoe, vermehrtes Sputum oder vermehrtes purulentes Sputum.

653 Patienten wurden aufgenommen und 2 fast gleichgroßen Gruppen zugeteilt. 4 Patienten wurden später aus der Studie ausgeschlossen. So blieb eine CRP-Gruppe von 325 Patienten und eine Kontrollgruppe mit üblicher Untersuchung und Versorgung von 324 Patienten.

Die Wissenschaftler achteten sehr darauf, dass Alter, Geschlecht, Krankheitsstadium, Komorbiditäten, der vorherige und aktuelle Umgang mit Nikotin und die Symptome einander in beiden Gruppen weitgehend entsprachen.

Die CRP-Gruppe absolvierte in der Arztpraxis jeweils den Schnelltest auf C-reaktives Protein, der in wenigen Minuten ausgewertet werden kann. Der mediane Wert der Studienteilnehmer lag bei 6 mg/l, das Gros der Patienten hatte also nicht oder nur leicht erhöhte Entzündungswerte. 38 (12,0%) der 317 Patienten mit ausgewertetem CRP wiesen Werte von 20 bis 40 mg/l auf, weitere 38 (12,0%) stärker erhöhte Werte von über 40 mg/l.

Dass 94,7% der Patienten mit Werten von über 40 mg/l Antibiotika verschrieben bekamen, erscheint plausibel, allerdings bekamen solch eine Verschreibung auch 32 (84,2%) der Patienten mit Werten zwischen 20 und 40 mg/l und sogar jeder Dritte (genau 32,8%), dessen Testergebnis bei unter 20 mg/l gelegen hatte.

Insgesamt aber galt direkt nach der Testung wie in den 4 Wochen danach: Wer einen CRP-Test durchlaufen hatte, wurde weniger wahrscheinlich mit Antibiotika behandelt. Das galt sowohl beim Blick auf die Verordnungen, als auch in der retrospektiven Befragung. Letztere sollte auch diejenigen Patienten ermitteln, die das Medikament ohne Verschreibung genommen hatten, z.B. aus einem zuhause angelegten Vorrat. Zugleich gab es natürlich Patienten, denen ihr Arzt zwar Antibiotika verschrieb, die jedoch auf die Einnahme verzichteten.

Die Zahlen der Verschreibungen und der tatsächlichen Antibiosen innerhalb der Studie entsprachen sich weitgehend. Insgesamt hatten die Ärzte in der CRP-Gruppe binnen 4 Wochen 158-mal Antibiotika verordnet, an die Patienten ohne CRP-Test 234-mal.

Was die tatsächliche Einnahme anging, so lag die CRP-Gruppe bei 150 Patienten, die Kontrollgruppe bei 212 Patienten. Am Ende hatten 57,0% der CRP-Gruppe, aber 77,4% der Kontrollgruppe Antibiotika genommen (bereinigte Odds Ratio: 0,31; 95%-KI: 0,20-0,47).

Was die Verschreibungen beim Ersttermin in der Arztpraxis anging, lag die CRP-Gruppe bei 47,7%, die Kontrollgruppe bei 69,7% (bereinigte Odds Ratio: 0,31; 95%-KI: 0,21-0,45). Im Laufe der folgenden 4 Wochen stieg der Prozentsatz auf 59,1% in der CRP-Gruppe und 79,7% in der Kontrollgruppe (bereinigte Odds Ratio: 0,30; 95%-KI: 0,20-0,46).

Die Differenz betrug also in jeder Auswertung mehr als 20% – hatten diejenigen ohne Antibiose einen messbaren Vor- oder Nachteil dadurch? Butler und sein Team verneinen das: Zwar berichteten die Teilnehmer aus der CRP-Gruppe hinterher von einem leicht besseren allgemeinen Gesundheitszustand. Das Ergebnis erreichte jedoch keine Signifikanz.

Immerhin mussten die Teilnehmer der CRP-Gruppe im Follow-up-Zeitraum von einem halben Jahr nicht häufiger zum Facharzt oder in die Klinik als jene ohne CRP-Test (und mit häufigerer Antibiose), auch das Risiko für eine Pneumonie entsprach sich weitgehend. 2 Studienteilnehmer aus der Kontrollgruppe starben im Untersuchungszeitraum, die Todesursache wurde als „von der Studie unabhängig“ bewertet.

Ein interessantes Ergebnis, doch wohl (noch) ohne Breitenwirkung

Herth betont, dass auch in Deutschland die CRP-Testung eine große Rolle spielt, wenn es darum geht, Patienten mit Verschlechterungen der COPD richtig zu therapieren: „Stationär testen wir bei Zunahme der Symptome Auswurf, Husten und Dyspnoe immer, um eine Exazerbation aus entzündlicher Ursache zu bestätigen bzw. auszuschließen“, merkt er an. „Ambulant eher selten, da die Point-of-Care-Bestimmung in der Praxis praktisch nicht angewandt wird und die Ergebnisse der anderen Tests in der Regel erst nach 24 Stunden zur Verfügung stehen.“

 
Stationär testen wir bei Zunahme der Symptome Auswurf, Husten und Dyspnoe immer, um eine Exazerbation aus entzündlicher Ursache zu bestätigen bzw. auszuschließen. Prof. Dr. Felix Herth
 

Da die Point-of-Care-Tests noch keine Krankenkassenleistung sind, erwartet Herth auch keine rasche Änderung – auch nicht infolge dieser Studie. „Stationär allerdings ist der CRP-Test so bereits umgesetzt und wird auch in dem QS Verfahren Ambulant erworbene Pneumonie so abgefragt“, ergänzt er.

In den USA sind außerhalb von Studien Point-of-Care-Tests ebenfalls kaum verbreitet, verdeutlicht der Kommentar, der die Studie im NEJM begleitet [2].

„Unserer Meinung nach sind die Ergebnisse dieser Studie überzeugend genug, um die CRP-Testung (…) vor der Entscheidung über eine Antibiose der Patienten mit akuten Exazerbationen der COPD zu unterstützen“, schreiben Allan S. Brett und Majdi N. Al-Hasan aus dem Department of Medicine der University of South Carolina School of Medicine in Columbia.

„Doch ob Praxen der Erstversorgung in den USA Schnelltests auf CRP gutheißen würden, im Kontext der regulatorischen Erfordernisse für Testungen in an Arztpraxen angegliederten Labore und angesichts der Unsicherheit der Kostenübernahme, ist ein anderes Thema“, geben sie zu bedenken.

Beide fordern weitere Studien zum selben Thema, denn: „Diese Studie zeigt noch nicht auf, welche Patienten (wenn es überhaupt welche gibt) tatsächlich von einer antibiotischen Therapie profitieren oder auch, welche Antibiotika die geeignetsten sind, um COPD-Exazerbationen zu behandeln.“
 

Kommentar

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