Französische Beobachtungsstudie: Zuckerhaltige Getränke (auch Fruchtsäfte) mit erhöhtem Krebsrisiko assoziiert

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

16. Juli 2019

Der Konsum von zuckerhaltigen Getränken, einschließlich Fruchtsäften, ist mit einem erhöhten Risiko für Krebserkrankungen assoziiert, so das Ergebnis einer großen prospektiven epidemiologischen Studie aus Frankreich.

Die Daten stammen von 101.257 gesunden Franzosen aus der NutriNet-Santé-Kohortenstudie und sind von Eloi Chazelas, Epidemiologisches und Statistisches Forschungszentrum, Sorbonne Paris Cité, und Kollegen im British Medical Journal publiziert worden [1]. Die Probanden nahmen aufgrund von Multimedia-Kampagnen an der Untersuchung teil.

Pro 100 ml/Tag Anstieg beim Konsum von süßen Getränken nahm das Krebsrisiko um 18% zu. Allerdings wurde für Getränke mit Süßstoffen keine Assoziation gefunden (Hazard-Ratio 1,02).

Eine Beobachtungsstudie kann zwar keine Kausalität belegen, dennoch meinen die Autoren, dass „zuckerhaltige Getränke, die in westlichen Ländern stark konsumiert werden, ein modifizierbarer Risikofaktor zur Krebsprävention sein könnten“.

Lob für die Studie, aber …

Ernährungsexperten und Statistiker loben das Design und die Durchführung der Studie. Die Stärke der Studie ist nach Ansicht von Dr. Graham Wheeler, Statistiker am Cancer Research UK & UCL Cancer Trials Centre, London, dass mehr als 100.000 Teilnehmer aufgenommen wurden und diese wiederholt zu ihren Trinkgewohnheiten befragt worden sind.

„Die Analysen waren auch für viele Faktoren adjustiert, wie Raucherstatus und körperliche Aktivität, die das Risiko für eine Krebserkrankung beeinflussen können“, so Wheeler. „Aber weil die Teilnehmer im Rahmen einer Selbstselektion gewonnen wurden, sind die Ergebnisse nicht für eine breite Bevölkerungsschicht generalisierbar.“

Dr. Ian Johnson, emeritierter Ernährungsforscher, Quadram Institute, Norfolk, UK, weist ebenfalls darauf hin, dass die Studie keine Kausalität belege. „Die Autoren gehen zu Recht davon aus, dass weitere große prospektive Studien zur Bestätigung der Ergebnisse erforderlich sind.“

Für Catherine Collins, Ernährungsexpertin beim Surrey and Sussex Healthcare NHS Trust, Surrey, UK, ist die wichtigste Take-Home-Message der Studie, dass Getränke mit künstlichen Süßstoffen das Krebsrisiko nicht erhöhen. Zu lange habe sich der Mythos gehalten, dass Süßstoffe ein Gesundheitsrisiko seien.

„Die Sicherheit aller derzeit verfügbaren Süßstoffe ist intensiv getestet worden, bevor sie für den Verbrauch freigegeben worden sind. Diese Studie zeigt keinen Effekt der künstlich gesüßten Getränke auf das Krebsrisiko und bestätigt damit die Erkenntnisse aus Laboruntersuchungen und Untersuchungen am Menschen.“

Über 100.000 Teilnehmer mehr als 5 Jahre beobachtet

Der Verbrauch zuckerhaltiger Getränke wie Limonaden und Fruchtsäfte ist weltweit während der letzten Jahre stark angestiegen. Damit einher geht ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und Adipositas, die wiederum ein Risikofaktor für viele Krebserkrankungen sind.

 
Weil die Teilnehmer im Rahmen einer Selbstselektion gewonnen wurden, sind die Ergebnisse nicht für eine breite Bevölkerungsschicht generalisierbar. Dr. Graham Wheeler
 

Bislang vorliegende Untersuchungen zur Assoziation des Konsums zuckerhaltiger Getränke und dem Risiko, an Krebs zu erkranken, führten zu uneinheitlichen Ergebnissen. Daher untersuchte die französische Arbeitsgruppe die Beziehung zwischen Getränken mit Zucker und Süßstoffen und dem Risiko an Krebs zu erkranken. Hierzu analysierten sie Daten der NutriNet-Santé-Studie. Die derzeit noch laufende, Internet-basierte Studie wurde 2009 begonnen, um Assoziationen zwischen Ernährung und Gesundheit zu erkennen.

In die Analyse waren die Daten von 101.257 Erwachsenen – 21% Männer, 79% Frauen, Durchschnittsalter 42 Jahre – erfasst. Die Probanden waren in der Allgemeinbevölkerung durch große Multimediakampagnen für die Internet-basierte Untersuchung gewonnen worden.

 
Diese Studie zeigt keinen Effekt der künstlich gesüßten Getränke auf das Krebsrisiko. Catherine Collins
 

Die Teilnehmer füllten im Mittel 5,6-mal online einen Ernährungsfragebogen aus. Im Median wurden sie über 5,1 Jahre mit Hilfe ihrer E-Mail-Adresse weiterverfolgt.

Mehr Zucker, mehr Übergewicht, mehr Krebs?

Im Beobachtungszeitraum erkrankten 2.193 Teilnehmer an einem Karzinom, darunter waren 692 Fälle von Mammakarzinom, 291 Fälle von Prostatakarzinom und 166 Fälle von Kolorektalkarzinom. Im Mittel waren die Patienten bei der Krebsdiagnose 53,5 Jahre alt.

Die französischen Autoren ermittelten eine positive Assoziation zwischen dem Konsum zuckerhaltiger Getränke und dem Risiko, an Krebs zu erkranken: Pro zusätzliche 100 ml/Tag zuckerhaltiges Getränk stieg das allgemeine Krebsrisiko um 18% (p < 0,001), das Risiko für ein Mammakarzinom um 22% (p = 0,004). Insbesondere waren prämenopausale Frauen (p = 0,02) durch ein Mammakarzinom gefährdet, bei postmenopausalen Frauen war die Assoziation schwächer (p = 0,07). Das Risiko für Prostata- und Kolorektalkarzinom wurde durch den Konsum der zuckerhaltigen Getränke nicht beeinflusst.

Süßstoffhaltige Getränke erhöhten das Krebsrisiko dagegen nicht. Allerdings betrug ihr Anteil an den gesüßten Getränken nur 19%.

Zusammenhang mit glykämischem Index?

Das Krebsrisiko bei vermehrtem Konsum zuckerhaltiger Getränke war unabhängig vom Body-Mass-Index erhöht, damit scheidet eine Adipositas als Erklärung für die vermehrten Krebserkrankungen aus. Möglicherweise gibt es jedoch nach Meinung der Autoren einen Zusammenhang zwischen glykämischem Index und Erkrankungsrisiko.

Ein hoher glykämischer Index ist mit erhöhten proinflammatorischen Marken wie C-reaktivem Protein und systemischer Entzündung assoziiert, was eine Rolle bei der Krebsentstehung spielen könnte. Dieser wurde jedoch in dieser Studie nicht erfasst, sollte jedoch nach Aussage der Autoren in künftigen Studien berücksichtigt werden.

 

Kommentar

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