Barcelona – Erstmals konnte mit einer Kombination aus gezielt wirkenden Substanzen das Überleben von Patienten mit fortgeschrittenem Kolorektalkarzinom verlängert werden.
Die offene Phase-3-Studie BEACON-CRC hat ergeben, dass Patienten mit fortgeschrittenem BRAF-V600-mutiertem Kolorektalkarzinom mit einer Dreifachtherapie aus Encorafenib, Binimetinib und Cetuximab im Median 9,0 Monate überlebten. Im Vergleichsarm mit Standard-Chemotherapie überlebten die Patienten dagegen im Median nur 5,4 Monate.
Dr. Scott Kopetz, MD Anderson Cancer Center, Universität von Texas, Houston, USA, stellte die Studienergebnisse beim ESMO World Congress on Gastrointestinal Cancer vor, der Anfang Juli 2019 in Barcelona stattfand [1].
Erstmals gezieltes Vorgehen bei BRAF-mutiertem Karzinom möglich
„Diese Ergebnisse sind sehr erfreulich, weil wir seit vielen Jahren versuchen, das BRAF-mutierte Kolorektalkarzinom gezielt anzugehen“, so Kopetz in einem Statement zur Präsentation. „Es ist ermutigend, dass eine solche signifikante Verbesserung im Gesamtüberleben und im Ansprechen bei Patienten mit einer sehr aggressiven Tumorbiologie erreicht wurde.“
Er erklärte, dass die Anwendung dieser Dreifachkombination auf den zunehmenden Kenntnissen zur Aktivierung von Krebsgenen wie BRAF sowie zu den Effekten der gezielt wirkenden Substanzen basiere.
„Das Kolorektalkarzinom spricht auf eine nur gegen BRAF gerichtete Therapie nicht an, weil sich die Tumorzellen nach der initialen Therapie durch andere Mechanismen adaptieren. Die Dreifachtherapie ist eine wissenschaftlich sinnvolle Kombination, um BRAF und diese anderen Mechanismen zu hemmen.“
Prof. Dr. Andrés Cervantes, Biomedical Research Institute Incliva, Universität von Valencia, Spanien, betonte in einem Statement, dass die getestete Kombination Chemotherapie-frei war. Angesichts dieser Ergebnisse sei es nun wichtig, alle Patienten mit einem Kolorektalkarzinom auf BRAF-Mutationen zu testen.
Seiner Ansicht nach sollte derzeit eine gezielt wirkende Therapie jedoch nur bei Patienten mit BRAF-mutiertem Kolorektalkarzinom nach ein bis 2 Vortherapien eingesetzt werden. „Es ist allerdings wichtig, dass wir die gezielte Therapie in anderen Settings untersuchen, wo möglicherweise mehr Patienten mit BRAF-Mutationen profitieren können, wie bei nicht so stark fortgeschrittener metastasierter Erkrankung oder im adjuvanten Setting nach primärer Operation mit kurativer Intention“, so der spanische Onkologe.
Gezielte Hemmung verschiedener Signalwege
Encorafenib ist ein potenter niedermolekularer Inhibitor der RAF-Kinase. Es unterdrückt den RAF/MEK/ERK-Signalweg in Tumorzellen, die verschiedene Mutationsformen der BRAF-Kinase (V600E, D und K) exprimieren.
Binimetinib dagegen ist ein reversibler Inhibitor der Kinaseaktivität der mitogen-aktivierten extrazellulär signalregulierten Kinasen 1 (MEK1) und MEK2. Die MEK-Proteine sind vorgeschaltete Regulatoren des mit extrazellulären Signalen verbundenen Kinase-Signalübertragungswegs (ERK), der die Zellproliferation fördert. Dieser Signalweg ist oft durch mutierte Formen von BRAF aktiviert, die wiederum MEK aktivieren. Binimetinib hemmt die Aktivierung von MEK durch BRAF sowie die MEK-Kinaseaktivität.
Der dritte Wirkstoff im Bunde, Cetuximab, ist ein chimärer monoklonaler IgG1-Antikörper, der spezifisch gegen den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) gerichtet ist. EGFR-Signalwege sind an der Steuerung der Überlebensfähigkeit von Zellen, des Ablaufs des Zellzyklus, der Angiogenese, Zellmigration sowie der zellulären Invasion bzw. Metastasierung beteiligt.
Offene Phase-3-Studie mit 3 Armen
Die BEACON-CRC-Studie ist eine multizentrische, randomisierte offene, 3-armige Phase-3-Studie, in der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Encorafenib plus Cetuximab (Zweifachkombi, n = 220) oder Encorafenib plus Binimetinib plus Cetuximab (Dreifachkombi, n = 224) mit einer Standardtherapie aus Irinotecan plus Cetuximab oder FOLFIRI (Folinsäure/Fluorouracil/Irinotecan) plus Cetuximab (n = 221) verglichen wurde.
Primäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben und die objektive Ansprechrate der Dreifachtherapie versus Standardtherapie. Zu den sekundären Endpunkten gehörten z.B. das Gesamtüberleben unter der Zweifachtherapie im Vergleich zur Standardtherapie und die Verträglichkeit.
Patienten unter Dreifachtherapie überlebten im Median 9,0 Monate im Vergleich zu 5,4 Monaten unter der Standardbehandlung (Hazard Ratio: 0,52; p < 0,0001). Die Ansprechrate betrug unter Dreifachtherapie 26%, unter der Vergleichstherapie 2% (p < 0,0001)
Mit der Zweifachtherapie überlebten die Patienten im Median 8,4 Monate (HR: 0,60; p = 0,0003 im Vergleich zur Standardtherapie).
Die Studie war nicht ausreichend gepowert, um die Ergebnisse der Dreifach- und der Zweifachtherapie zu vergleichen.
Es wurden keine neuen, bislang nicht bekannten unerwünschten Wirkungen gesehen. Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 oder höher traten bei 58% der Patienten unter Dreifachtherapie, bei 50% unter Zweifachtherapie und bei 61% unter Standardtherapie auf.
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Diesen Artikel so zitieren: BRAF-mutiertes Kolorektal-Karzinom: Erste zielgerichtete Dreifachtherapie verlängert das Überleben - Medscape - 11. Jul 2019.
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