Ein Inhaltsstoff von Spinat fördert das Muskelwachstum. Was sich wie eine Erklärung für den muskulösen Oberkörper der Comicfigur „Popeye“ liest, ist das Ergebnis einer von der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA in Auftrag gegebenen Humanstudie.
Eduard Isenmann von der Sporthochschule Köln und internationale Kollegen unterzogen Ecdysteron einem Praxistest: Das Pflanzenhormon, u.a. in Spinat zu finden, konnte in der Studie die Muskelmasse und die Leistungen im Bankdrücken von männlichen Probanden steigern [1].
„Unsere Resultate sprechen stark dafür, die Substanz auf die Liste der im Sport verbotenen Substanzen aufzunehmen“, schlussfolgern die Autoren. Ob Ecdysteron auf der Dopingliste lande oder nicht, sei Entscheidung der WADA, sagt Prof. Dr. Mario Thevis, Leiter des Kölner Dopinglabors und Mitglied des Beratungsgremiums der WADA.
„Zu berücksichtigen ist, dass Ecdysteron ähnlich anderer mutmaßlich wie nachweislich leistungsbeeinflussender Wirkstoffe wie Koffein oder Kreatin natürlicherweise in Nahrungsmitteln vorkommen kann. Koffein und Kreatin gelten derzeit nicht als dopingrelevant.“
Ecdysteron ist eigentlich ein Steroidhormon, das beispielsweise die Häutung von Insekten kontrolliert. Sie besitzen einen eigenen Ecdysteron-Rezeptor. In Pflanzen wie Spinat dient das Hormon offenbar der Abwehr von Fressfeinden.
Menschen haben keinen Ecdysteron-Rezeptor. Wie es zu der jetzt nachgewiesenen anabolen Wirkung kommen kann, ist noch nicht völlig aufgeklärt. Die Studienautoren glauben, dass der Estrogen-Rezeptor beta daran beteiligt ist.
Schon lange bekannt
Die Substanz gilt bereits länger als möglicherweise leistungssteigernd, erklärt die Pharmakologin Prof. Dr. Maria Parr von der Freien Universität Berlin, Mitautorin der Studie: „Schon vor einigen Jahren wurde Ecdysteron als ‚the Russian Secret‘ – also das ‚russische Geheimnis‘ – für Leistungssteigerung im Sport bezeichnet.“ Es ist in Form von Nahrungsergänzungsmitteln frei erhältlich.
Die Wissenschaftler testeten das Hormon jetzt an insgesamt 46 Kraftsport-erfahrenen Probanden. Diese erhielten frei verkäufliche Kapseln. Allerdings prüften Forscher vorher, ob das Mittel mit anderen Anabolika verunreinigt war, was nicht zutraf.
Die Testpersonen bekamen entweder Placebo-Kapseln, eine normale Dosis von 2 Kapseln oder eine Hochdosis von 8 Kapseln täglich. Dazu kam ein zehnwöchiges Trainingsprogramm zur Leistungssteigerung mit Bankdrücken, Kniebeugen, Kreuzheben und anderen Kraftübungen. Eine Kontrollgruppe nahm nur Ecdysteron, trainierte aber nicht.
Muskelzuwachs und teilweise bessere Leistungen
Am Ende der 10 Wochen war der Muskelzuwachs bei den trainierenden Ecdysteron-Gruppen höher als in der Placebo- und der Kontrollgruppe. Und während sich die Testsportler im Sprung und bei Kniebeugen mit Gewicht alle in ähnlichem Maß verbessern konnten, hatten die Ecdysteron-Gruppen im Bankdrücken offenbar einen Vorteil: Sie konnten sich im Schnitt um 8-10 kg steigern, während die Placebo-Gruppe nur 3 kg mehr schaffte. Allerdings waren die Ausgangsleistungen der 3 Gruppen nicht einheitlich.
Eine weitere Erkenntnis: Der Effekt war im Unterschied zu anderen Anabolika nur dann feststellbar, wenn auch gleichzeitig trainiert wurde. Nahmen Studienteilnehmer nur das Hormon ein, hatten sie auch keinen merklichen Muskelzuwachs. Hinweise auf Nebenwirkungen ergaben sich in der Studie keine.
Aus ihren Ergebnissen schließen die Wissenschaftler, dass Ecdysteron beim Menschen einen anabolen Effekt hat, und folglich auf die Dopingliste gehört. Eine Dopingkontrolle auf das Steroidhormon wäre auch jetzt schon kein Problem, sagt Thevis. „Testmöglichkeiten wurden bereits vor über 15 Jahren veröffentlicht, und mit Hilfe moderner chromatographisch-massenspektrometrischer Methoden können Dopingkontroll-Proben hinsichtlich Ecdysteron unmittelbar überprüft werden.“
Da die Substanz aber auch in Spinat und anderen Lebensmitteln vorkommt, würde der reine Nachweis wahrscheinlich nicht ausreichen. „Gegebenenfalls müsste ein Grenzwert oder ähnliches etabliert werden oder eine andere Option der Differenzierung aufgezeigt werden.“
Teils falsche Angaben in Nahrungsergänzungsmitteln
Um ihre Ergebnisse abzusichern, kontrollierten die Wissenschaftler auch den Ecdysteron-Gehalt der verwendeten Kapseln. Statt 100 mg pro Kapsel, wie es auf der Packung stand, fanden sie allerdings nur 6 mg Ecdysteron in dem Nahrungsergänzungsmittel.
Thevis war davon kaum überrascht: „Nicht alle Produkte des Nahrungsergänzungsmittel-Markts sind qualitativ hochwertig, und neben bisweilen größeren Differenzen zwischen Mengenangaben und tatsächlich vorliegendem Inhalt sind auch Kontaminationen oder nicht deklarierte Beimengungen bei einigen Produkten in der Vergangenheit beschrieben worden.”
Die Probanden hatten während der Studie also täglich entweder 12 oder 48 mg Ecdysteron zu sich genommen. Um solche Mengen über die Nahrung aufzunehmen, müssten sich allerdings auch Spinatliebhaber schon etwas anstrengen: „Die geringere Dosis in unserem Versuch entspricht je nach Sorte etwa 250 Gramm bis vier Kilogramm Blattspinat pro Tag“, erklärt Parr.
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Diesen Artikel so zitieren: „Popeye“ hatte Recht: Spinat-Inhaltsstoff Ecdysteron fördert Muskelwachstum – wenn Sportler gleichzeitig trainieren - Medscape - 8. Jul 2019.
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