DiRECT-Studie: Auch nach der Diabetes-Diagnose gibt es einen Weg zurück – vor allem durch Gewichtsreduktion

Christine Wiebe

Interessenkonflikte

5. Juli 2019

San Francisco – Personen, bei denen ein Typ-2-Diabetes neu diagnostiziert worden ist, haben in der Vergangenheit von ihren Diabetologen in der Regel gehört, dass sie unter einer progressiven Erkrankung leiden, die irgendwann in die Insulinpflicht führen wird. Aber, so meinte ein britischer Diabetologe bei den diesjährigen Scientific Sessions der American Diabetes Association (ADA), eine solche Kommunikation sei nicht mehr zeitgemäß [1]. Seine neuesten Forschungsergebnisse unterstützten einen anderen Ansatz im Patientengespräch, betonte er.

„Wir sagen den Menschen: ‚Wenn Sie ihr aktuelles Gewicht halten oder sogar zunehmen, wie es bei einigen nach der Diagnose der Fall ist, wird es weiter langsam mit Ihnen bergab gehen‘“, erklärte Dr. Roy Taylor von der britischen Newcastle University. „‚Wir werden uns dann um Sie kümmern, Ihnen Pillen geben und Sie während ihres ‚Siechtums‘ begleiten.‘ Das ist die eine Möglichkeit. Vielleicht wollen Sie sich ja aber auch der zugegebenermaßen großen Herausforderung stellen und diesen eingeschlagenen Weg wieder verlassen.“

Und dies sei schlicht und ergreifend über eine Gewichtsreduktion zu erreichen, sagte Taylor. Obwohl diese Botschaft vielleicht nicht neu erscheine, lasse die Verknüpfung mit einer möglichen Remission des Diabetes die Aufgabe doch noch lohnenswerter erscheinen, stellte er fest und wies auf die „außerordentliche“ Response von 28% hin, die er und sein britisches Team auf ihre Rekrutierungsschreiben für die DiRECT-Studie (Diabetes Remission Clinical Trial) erhalten haben. „Es gibt auch nach der Diagnose eines Typ-2-Diabetes noch einen Weg zurück. Und das ist eine sehr gute Nachricht für die Betroffenen“, sagte Taylor.

Bemerkenswerte Ergebnisse in der Praxis erzielt

Dr. Alvin C. Powers, Leiter der diabetologischen und endokrinologischen Abteilung an der Vanderbilt University School of Medicine in Nashville, Tennessee, moderierte die Pressekonferenz, auf der die DiRECT-Studie diskutiert wurde. Er sagte: „Diabetes ist eigentlich eine progrediente Erkrankung. Somit sind die Ergebnisse, die Taylor und sein Team in der Praxis erzielt haben, tatsächlich bemerkenswert.“

 
Es gibt auch nach der Diagnose eines Typ-2-Diabetes noch einen Weg zurück. Dr. Roy Taylor
 

Die DiRECT-Studie zeigt, dass sich durch eine schnelle Gewichtsreduktion – wenn es dann gelingt, das reduzierte Gewicht zu halten, bei Patienten mit einem frühen Typ-2-Diabetes tatsächlich eine Remission erreichen lässt.

„Wir hatten in unserer Studie eine wirklich repräsentative Gruppe von Diabetikern in ihrem Alltagsumfeld“, sagte Taylor, der die Ergebnisse beim aktuellen ADA-Kongress dem US-Publikum vorstellte, nachdem er sie zuvor bereits auf der britischen DUPC (Diabetes UK Professional Conference) präsentiert und zeitgleich in Lancet Diabetes & Endocrinology veröffentlicht hatte.

„Die Patienten wollen ihren Diabetes und die Tabletten loswerden. Es gibt also eine starke Triebfeder, die wir uns als Ärzte bei Diabetikern noch nicht ausreichend zunutze gemacht haben“, sagte Taylor gegenüber Medscape. „Aber wir konnten den Leuten früher auch nicht sagen: Seht her, ihr könnt das ganze Leid wieder loswerden.“

In Großbritannien, wo die Studie durchgeführt worden war, laufen derzeit weitere Pilotstudien, denn für eine landesweite Interventionsmaßnahme bedarf es zunächst noch weiterer Daten.

Manche Betazellen „ruhen“ nur und lassen sich reaktivieren

In der DiRECT-Studie nahmen 149 übergewichtige Diabetiker 3 bis 5 Monate lang eine Flüssigdiät mit etwa 800 Kalorien pro Tag zu sich und setzten ihre Diabetes-Medikation aus. Nach der Abnehm-Kur wurde über 6 bis 8 Wochen die Kalorienzufuhr langsam wieder gesteigert.

 
Es gibt also eine starke Triebfeder, die wir uns als Ärzte bei Diabetikern noch nicht ausreichend zunutze gemacht haben. Dr. Roy Taylor
 

Die Untersucher hatten zuvor eine Diabetesremission als einen dauerhaften HbA1c-Wert von unter 6,5% und einen Nüchtern-Blutzuckerwert von unter 126 mg/dl ohne Einsatz von Medikamenten definiert. Insgesamt erreichten 36% der Patienten diese Werte und hielten sie auch über 24 Monate lang aufrecht ( wir berichteten ).

Ob die Patienten die definierte Remission erreichten, hing von mehreren Faktoren ab - vor allem aber von der Gewichtsreduktion. Von den Teilnehmern, die mehr als 10 kg abgenommen hatten, erreichten 2 Drittel (64%) nach 2 Jahren eine Remission.

Auch Zeit seit Diagnose spielt möglicherweise eine Rolle

Da aber immerhin ein Drittel, obwohl sie in diesem Umfang an Gewicht abgenommen hatten, die Remission nicht schafften, machten sich die Forscher daran, zwischen „Respondern“ und „Non-Respondern“ zu unterscheiden.

Ein Faktor, der mit dem Responder-Status verbunden schien, war die mittlere Zeit seit der Diabetes-Diagnose, erklärte Taylor. Responder hatten ihre Diagnose im Durchschnitt 2,7 Jahre vor Studienbeginn erfahren, während die Nicht-Responder durchschnittlich bereits 3,8 Jahre zuvor über ihre Erkrankung unterrichtet worden waren.

Die Vorstellung ist, so Taylor, dass trotz der anhaltenden Destruktion der Insulin-produzierenden Betazellen beim Typ-2-Diabetes noch reagierende Betazellen vorhanden sind, die nur „ruhten“, sodass durch sie bei Gewichtsreduktion und der damit verbundenen Verringerung des metabolischen Stresses die Wiederaufnahme der Insulinproduktion ermöglicht werde. „Durch Wegfall eines toxischen Nähstoffmilieus kehrt die spezifische Funktion der Betazelle wieder zurück.“

Es bedürfe jedoch weiterer Untersuchungen, um die Faktoren zu ermitteln, die bestimmten, ob eine signifikante Gewichtsreduktion zu einer Diabetes-Remission führe, betonte Taylor. „Wir haben alle unsere eigene Bauchspeicheldrüse mit ihren individuellen Aufgaben“, sagte er als Antwort auf Fragen von Delegierten, ob die Genetik eine Rolle spiele. „Alle Hinweise liegen vor uns“, sagte er und fügte hinzu: „Das ist erst der Anfang der Geschichte, nicht das Ende.“

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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