Nur eine von 5 Frauen, die an Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchungen teilnahmen oder sich aufgrund von Beschwerden in der Klink vorstellten, wussten über die Rolle von Alkohol als Risikofaktor eines Mammakarzinoms Bescheid. Bei medizinischem Personal war es jeder zweite Befragte.
Das berichten Forscher um Prof. Dr. Julia Sinclair von der University of Southampton in BMJ Open [1]. Basis waren Daten aus Fragebögen bzw. strukturierten Interviews.

Dr. Ute Mons
„Die Arbeit ist eine Mixed-Method-Studie, die quantitative Anteile und qualitative Anteile umfasst“, erklärt PD Dr. Ute Mons gegenüber Medscape. Sie leitet die Stabsstelle Krebsprävention des Deutsches Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg. Mons: „Der Ansatz ist grundsätzlich sinnvoll, da es bislang wenig Forschung in diesem Bereich gibt. Somit kann eine hypothesenfreie Exploration mittels Mixed-Methods ein erster wichtiger Schritt für zukünftige Forschung sein.“
Als Einschränkung erwähnt Mons, dass die Studie in einer einzigen Klinik in Großbritannien durchgeführt worden ist und somit nur bedingt verallgemeinerbar sei. Speziell zum Thema Alkoholkonsum kennt sie keine vergleichbaren Untersuchungen aus Deutschland.
„Die Erkenntnisse sind zwar in dieser Form neu, aber wenig überraschend“, sagt die Expertin. „Obwohl Gesundheitskompetenz die Voraussetzung für eigenverantwortliches gesundheitsförderliches Verhalten ist, wissen wir, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung sich im Umgang mit gesundheitsrelevanten Informationen vor erheblichen Schwierigkeiten sieht.“
Im Detail nennt Mons ältere Menschen, Personen mit geringem Bildungsgrad und niedrigem sozialen Status, Menschen mit Migrationshintergrund oder chronischen Erkrankungen.
„Interessant ist außerdem, dass es beim Gesundheitspersonal Hemmungen zu geben scheint, Alkoholkonsum bei den Patientinnen anzusprechen“, ergänzt Mons. „Dies wäre vermutlich auch in Deutschland ähnlich. Prävention ist bislang in die Ausbildung der Gesundheitsberufe zu wenig integriert, und so fehlt es zum einen an spezifischem Präventionswissen, zum anderen aber auch an der entsprechenden Beratungs- und Vermittlungskompetenz.“
Forscher befragen Patientinnen und Health Professionals zu Risikofaktoren
Die Fakten sind nicht neu. Bekanntlich gehört Alkohol neben Tabakkonsum, Übergewicht/Adipositas und unausgewogener Ernährung zu den wichtigsten Lebensstil-assoziierten Risikofaktoren für Krebs. Schätzungsweise 4 von 10 Krebserkrankungen in den USA lassen sich darauf zurückführen. Bei Frauen stand Alkoholkonsum als Auslöser an 3. Stelle.
Sinclair und ihre Kollegen schätzen, dass 5 bis 11% der Brustkrebs-Fälle mit Ethanol in Verbindung stehen, wobei das Risiko zusammen mit der konsumierten Menge steigt. Die Autoren wollten in Erfahrung bringen, ob dieses Wissen aus der Forschung auch bei Patientinnen bzw. bei Ärzten in der Praxis angekommen ist.
Deshalb rekrutierten Sinclair und ihre Kollegen 205 Frauen. Von ihnen nahmen 102 im Rahmen des National Health Service Breast Screening Programme (NHSBSP) an Mammografien teil. Weitere 103 Teilnehmerinnen der Studie hatten sich aufgrund von Beschwerden in einem Krankenhaus vorgestellt. 33 klinisch tätige Mitarbeiter des britischen National Health Service (NHS) kamen mit hinzu.
Laien: Wenig Wissen über Alkohol und Brustkrebs
Das Wissen über modifizierbare Lebensstil-Einflüsse bei Brustkrebs war in beiden Gruppen mit Patientinnen vergleichbar. Rund ein Drittel (Screening 30,4% versus symptomatische Frauen 32,0%) bewerteten Adipositas korrekt als Risikofaktor, und jede 2. Befragte (48,0% versus 45,6%) identifizierte das Rauchen als einen anderen Risikofaktor. Deutlich schlechter sah es bei Alkohol aus: Nur jede 6. (15,7%) bzw. jede 4. Teilnehmerin (23,3%) bewerteten Ethanol korrekt.
60% bzw. 73% der Frauen gaben an, generell Alkohol zu trinken. In dieser Konsum-Subgruppe bewerteten 4% versus 35% Ethanol als Risikofaktor für Brustkrebs.
58% aller Konsumentinnen glaubten zu wissen, wie man den Alkoholgehalt von Getränken einschätzt. Sollten sie dieses vermeintliche Wissen auf Wein oder Schnaps anwenden, waren bis zu 75% aller Antworten falsch.
Wissenslücken auch bei Gesundheitsfachkräften
33 Gesundheitsfachkräfte nahmen ebenfalls an der Befragung teil. Welche Ausbildung die Kollegen haben, wird nicht im Detail erwähnt. 73% erwähnten mindestens einen bekannten Risikofaktor für die Entwicklung von Brustkrebs. Adipositas wurde von 58% korrekt erkannt, und beim Alkoholkonsum machten 52% korrekte Angaben.
45% behaupteten, zu wissen, wie viel Alkohol in einem Getränk enthalten ist. In der Praxis sah die Sache deutlich schlechter aus. Bei 4 häufig konsumierten Getränken waren nur 21% bis 61% der Antworten richtig.
Aufklärung bei Vorsorgeuntersuchungen – pro und contra
Sinclair und ihre Kollegen fassen zusammen, es bestünden teils große Informationsdefizite. Die Gesundheitskompetenz (Health Literacy) sei bei Alkohol als Brustkrebsrisiko nicht sonderlich groß. Schulungen bei Vorsorgeuntersuchungen wären eine Möglichkeit, schreiben die Autoren.
Doch wie reagieren Patienten auf solche Angebote? Schließlich ist die Motivation, an Screenings teilzunehmen, ohnehin nicht sonderlich hoch. Deshalb befragte Sinclairs Team auch hierzu die Studienteilnehmerinnen. Keine Frau gab an, sich von ergänzenden, 5-minütigen Aufklärungsgesprächen abschrecken zu lassen und Untersuchungstermine zu ignorieren. Jede 3. Befragte gab sogar an, Informationsangebote wären ein Anreiz, Vorsorgeangebote wahrzunehmen.
Angehörige der Heilberufe teilten die Einschätzung von Patientinnen weitgehend. 67% gaben an, dass Aufklärung über Krebsrisiken als Teil der Prävention keine negativen Einflüsse auf die Teilnahme hat. Allerdings nannten 82% weitere Nachteile, nämlich fehlende Ressourcen, wenig Zeit und die Sorge, Patientinnen könnten sich bevormundet fühlen.
In Bezug auf die bevorzugte Kommunikationsmethode gaben 52% an, dies lieber auf elektronischem Wege zu tun, etwa über ein Online-Tutorial oder einen Film. 30% nannten schriftliche Informationsmaterialien, 18% Pflegfachkräfte mit Zusatzausbildung und 9% speziell ausgebildete Laien.
Erreichen Gespräche die richtige Zielgruppe?
Mons bewertet den Ansatz, bei Vorsorgeuntersuchungen Patientinnen über Risiken zu informieren, generell als „sinnvoll“. „Experten fordern schon lange, dass hinsichtlich Alkoholkonsum regelmäßig im Rahmen von Arztbesuchen Alkohol-Screenings durchgeführt werden sollten, das heißt eine kurze Abfrage des Alkoholkonsums, eventuell gefolgt von einer Kurzintervention, um Patienten zur Verhaltensänderung zu motivieren“, berichtet die Forscherin.
Krebs-Screenings würden sich dafür besonders eignen, denn „die Teilnehmerinnen sind bereits sensibilisiert und könnten daher womöglich besser motiviert werden, sich gesundheitsförderlich und krebspräventiv zu verhalten“.
Eine Schwierigkeit sieht Mons in der Tatsache, dass man mit Screenings vorrangig Gruppen erreiche, die ohnehin für Gesundheitsinformationen zugänglich seien. „Die ganz großen Problemgruppen, die besonders niedrige Gesundheitskompetenz haben, sind auf diesem Wege nur schwer erreichbar.“
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Brustkrebs: Frauen unterschätzen Alkohol als Risikofaktor – aber auch Health Professionals haben Wissenslücken - Medscape - 2. Jul 2019.
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